südtiroler schrieb:Nun ja, eine Theorie lautet so: MANFRED hat bei seiner Rückreise Frau Jahn in deren neuer Wohnung in Lörrach besucht. Dabei ist es zu einem Streit/Übergriff gekommen, in dessen Verlauf Frau Jahn zu Tode kam (Totschlag). MANFRED beichtete in seiner Verzweiflung die Tat seiner Partnerin, holte diese mit seinem PKW (in dem sich die Leiche von Frau Jahn befand, die er dann in Birlenbach ablegte) in deren Wohnort ab. Dann fuhren beide wieder nach Lörrach - von dort aus lenkte die Bekannte von MANFRED den Fiat zur besagten Tankstelle (es wurde ein leichter Motorschaden vorgetäuscht um durch den Tankwart ein Alibi zu bekommen). Nach zwei Tagen kamen sie wieder um den FIAT abzuholen. Während MANFRED nach Krefeld reiste (dort holte er sich ein weiteres Alibi), schickte er seine Bekannte mit dem FIAT in Richtung Brenner um die Schecks einzulösen und komplexe Spuren zu legen.
Dieses Szenario klingt auf den ersten Blick bestechend - hat aber bei näheren Nachdenken aus meiner Sicht mehrere Schwachstellen. Zwei machen es aus meiner Sicht schon sehr unwahrscheinlich - ein drittes Argument schließt es meiner Meinung nach gänzlich aus.
Der Reihe nach:
1. Die ZeugenBei der Rolle des Tankwarts als Zeugen müssen wir eins beachten: Für die
letzte Sichtung Ursula Jahns ist allein seine Aussage von Belang - da er ja der einzige Beobachter dafür ist. Für Ursula Jahns
Anwesenheit im Schwarzwald als solcher zählen aber auch andere Zeugen-Beobachtungen - so z.B. die der Angestellten des Hotels, in dem ja Manfred mit dem Ursula-Double, um die Legende zu beglaubigen, hätte abgestiegen sein müssen. Man darf also davon ausgehen, dass die Polizei jedem der dort Tätigen ein oder mehrere Bilder von Ursula Jahn unter die Nase gehalten hätte, mit der Frage, ob sie sich an diese Frau erinnern könnten.
Da hätte Manfreds Bekannte seinem Mordopfer wirklich sehr ähnlich sehen müssen, damit es da kein Vertun gab.
Gut, man kann sagen: Zum Zeitpunkt der Befragung lag das Ereignis bereits ein halbes Jahr zurück, da mag im steten Kommen und Gehen eines Hotel-Betriebs die Erinnerung an eine einzelne, flüchtige Sichtung verblasst sein. Und während des Aufenthalts hätten die beiden vielleicht bereits dergestalt Vorkehrungen treffen können, dass die Doppelgängerin sich nur sporadisch gezeigt und ihrem Begleiter die Formalitäten, Bestellungen etc. überlassen hätte.
Aber so ganz phantomhaft wäre sie vermutlich auch nicht geblieben - und immerhin hätte "Ursula Jahn" doch zudem eine Unterschrift im Gästebuch leisten müssen, wie es damals in Hotels allgemein üblich war. Und wenn man ihren Namenszug auf den Schecks nachträglich als Fälschung erkannt hatte, wäre es wohl auch in diesem Fall so gewesen.
Sagen wir so: Mit dieser Scharade hätten die beiden schon alles in allem mächtiges Glück haben müssen, dass sie nicht damit aufgeflogen wären.
2. Die Leichen-VerbringungDas nun bereits mehrfach vorgebrachte Argument trifft auch für diesen Fall zu - hier sogar in besonderem Maße, möchte ich sagen - : Das Problem der nachlässigen Leichenablage.
Wenn Manfred der Täter gewesen wäre
und gleichzeitig die falschen Spuren gelegt hatte, ergibt sich da der allbekannte Widerspruch.
Auflösbar ist er aus meiner Sicht grundsätzlich allenfalls in der Weise, wie sie @nephilinfield bereits ins Spiel gebracht hat:
Die Tat geschah im Affekt, und Manfred hat möglicherweise später, von der Polizei massiv unter Druck gesetzt, in seiner Verzweiflung "entnervt und ein wenig realitätswidrig" - so die treffende Formulierung - zu irgendwelchen improvisierten Ablenkungsmanövern Zuflucht genommen.
Dies träfe aber in Deinem Szenario nicht zu. Dass Du ebenfalls von einer Affekt-Tat ausgehst, ändert daran nichts. Denn in Deiner Version geschah sie ja bereits in Lörrach, und das ist ein wichtiger Unterschied. Da dies ja bedeutet : Sie geschah nicht in der Nähe des Fundortes - etwa während eines Zwischenhalts - , vielmehr wäre unser Mörder Manfred erst später mit Ursulas Leiche im Kofferraum dorthin gefahren und hätte sie da abgelegt. (Wobei sich an dieser Stelle die Neben-Frage stellt: Warum gerade in Birlenbach ... ?)
Mit anderen Worten : Sein Nachtat-Verhalten hätte bei Deiner Annahme nicht unter dem unmittelbaren Eindruck des Geschehenen gestanden. Und auch nicht unter der Notwendigkeit, sehr schnell und innerhalb eines schmalen Zeitfensters die Schritte zur Verdeckung zu unternehmen.
Vielmehr geht ja Dein Vorschlag von einer höchst komplexen Strategie aus, die zu diesem Zweck entwickelt und umgesetzt wurde - und für die demzufolge eine gewisse Zeit des Nachdenkens und Entschluss-Fassens vorausgesetzt werden darf. (Und wenn nicht in Lörrach - wie oft kann man das Problem noch auf der langen Fahrt nach Forbach und während des Hotel-Aufenthalfs durchgrübeln und besprechen ? Da bleibt dann wohl schwerlich noch ein Detail unbedacht.)
Und da stellt sich doch die Frage: Hätte bei solchem zeitlichen Vorlauf für eine solche Planung nicht der Gedanke "Wohin mit der Leiche?" an erster und oberster Stelle gestanden - und eine vernünftigere Lösung gefunden als die real praktizierte ?
Ich sage mal so: Bevor ich mir als Mörder Einzelheiten überlege wie : "Du ziehst ihr Kleid an, und dann fahren wir da und da hin, und dann täuschen wir eine Panne vor, und ich fahre dann nach Krefeld, wegen des Alibis, und Du zum Brenner, um die Schecks einzutauschen, damit die glauben, sie sei dort gewesen etc." - ehe ich mir über solche Teil-Maßnahmen den Kopf zerbreche, überlege ich doch als allererstes mal:
Wie kriege ich gescheit den toten Körper weg ? Und da ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass mir im Rahmen einer so ausgiebigen Nachtat-Planung zu diesem Punkt nicht mehr einfällt als : Ach, ich schmeiße sie einfach irgendwo in den Wald. Und ich verberge sie noch nicht mal ordentlich, sondern nehme die nächstbeste Zinkwanne. Das wäre doch nachgerade paradox.
Und selbst wir mal annehmen, dass die Frucht von Manfreds langem Nachdenken in diesem Punkt etwas dürftig ausgefallen wäre : Alles bisher Gesagte addiert sich lediglich zu dem Gegenargument, das mir als das wesentliche erscheint :
3. Der Nutzen aus der Sicht des Täters Denn man muss doch vor allem mal fragen : Was hätte Manfred dieser ganze famose Plan eigentlich gebracht ?
Nehmen wir mal unter Deiner Voraussetzung: die Tötung war bereits in Lörrach erfolgt, für einen Moment einen anderen, kontrafaktischen Verlauf an : Manfred hätte nach der Tat die Leiche irgendwoanders hin verbracht und sich auch den kompletten anderen Zinnober geschenkt. Also: Keine Doppelgängerin, keine Fahrt in den Schwarzwald, keine fingierte Panne.
Was wäre dann geschehen ? Die Leiche wäre gefunden worden oder auch nicht; unabhängig davon aber hätte Manfreds Risiko ja vor allem darin bestanden, dass er, hätte man ihn ermittelt (oder er sich gestellt), als der letzte mit Ursula Jahn Zusammengewesene festgestellt worden wäre. Und dass ihn das natürlich unmittelbar verdächtig gemacht hätte.
Er hätte also vermutlich dasselbe ausgesagt (etwas anderes wäre ihm kaum übrig geblieben), was er auch real gesagt hat: "Ich gebe zu, ich war mit ihr zusammen; aber irgendwann haben wir uns voneinander getrennt, und bin nach Hause nach Krefeld gefahren. Mehr weiß ich nicht über ihren Verbleib." Und dann wäre es eben auf sein Alibi angekommen, das hätte glaubhaft sein müssen. Wenn nicht, hätte in der XY-Sendung der Kommissar eben nicht von der Autobahn-Auffahrt Bühl, sondern von irgendeinem Punkt in oder außerhalb Lörrachs gesagt: "Der letzte Begleiter von Ursula Jahn hat uns bekanntlich erzählt,dass er sich dort von Ursula Jahn getrennt habe. Leider konnten wir diese Angabe bisher nicht überprüfen ..."
So weit, so gut. Wie sieht das nun im Licht Deiner Theorie aus ?
An der vorgestellten Situation - und auch an der real eingetretenen - hätte sich doch praktisch überhaupt nichts verändert, wenn er nach der Tat diese Doppelgänger-Performance inszeniert hätte.
Oder wo siehst Du da den Unterschied in Bezug auf seine
Entlastung ? Was hätte es ihm, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, denn genutzt, mit einer falschen Ursula Jahn in den Schwarzwald zu fahren, eine Panne vorzutäuschen und sich von einem Tankwart (und meinetwegen auch diversen Hotelangestellten) bezeugen lassen, dass er mit ihr dort war ?
Deswegen wäre er
immer noch derjenige gewesen, der als Letzter mit Ursula Jahn - Doppelgängerin hin oder her - gesichtet worden war. Nämlich vom Tankwart, der sie und ihn miteinander hatte abfahren sehen.
Somit hätte er doch im entscheidenden Punkt der ganzen Sache: nämlich dem, der ihn hauptverdächtig machte, von dem ganzen Manöver nicht den mindesten Vorteil gehabt.
Denn wir reden ja nicht davon, dass die Doppelgängerin
allein irgendwo auftauchte - außer natürlich später am Brenner. Dies wäre das einzige Detail gewesen, von dem man sich bezüglich des Zwecks der ganzen Aktion etwas hätte versprechen können (vorausgesetzt, die falsche Unterschrift wäre nicht aufgeflogen) : Dass eine Ersatz-Ursula-Jahn nach dem Tod der echten noch an irgendeinem anderen Ort aufgetaucht und für die echte gehalten worden wäre.
Aber dann wäre doch das zweckmäßige Vorgehen gewesen: Sie fährt - gleich von Lörrach aus - direkt zum Brenner. Und er bringt die Leiche weg - falls er es noch nicht getan hat - und verschafft sich ein Alibi. Wofür es aber ja völlig kontraproduktiv wäre, wenn er sich mit ihr
gemeinsam irgendwohin begibt. Im Gegenteil, man darf wohl sagen: Jeder beliebige Ort der Welt wäre für einen Aufenthalt in Frage gekommen - aber ganz bestimmt nicht der, an dem sich zum gleichen Zeitpunkt die Zweit-Ursula aufhielt !