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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

236 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Düsseldorf, Totschlag, Provokation ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 21:52
Ein interessante Besprechung eines BGH-Urteils (also die in diesen Dingen höchste Instanz) bzgl. eines Falles, in dem in extremster Weise ein Nachbar den anderen provoziert hat, habe ich unter folgendem Link gefunden:

http://www.fall-des-monats.de/file.php/inline/famos%2006_2016.pdf?id=101820

Da das Urteil des BGH vom 3. Juni 2015 ist, dürfte es daher den aktuellsten Stand der Rechtsprechung darstellen. Hier das komplette Urteil auf den Seiten des BGH:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71720&pos=0&anz=1

Nach diesem Urteil bleibt der § 33 StGB auch bei Provokation anwendbar, die Handlung also straffrei, solange er die Grenzen der ggf. eingeschränkten Notwehr nur aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet. Der BGH sieht nur bei planerischem Vorgehen eine Nichtanwendbarkeit, wobei der Author des Artikels es bedauert, dass der BGH trotz klarer Möglichkeit im verhandelten Fall dieses planerische Handeln nicht genauer spezifiziert hat. Dass der Angeklagte evtl. aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken gehandelt hat, muss nicht bewiesen werden sondern wird wegen „Im Zweifel für den Angeklagten“ bei der Nichtwiderlegbarkeit angenommen.

Fazit:
Das aktuelle Gericht müsste anhand der Indizien zur Überzeugung kommen, dass zum einen provoziert wurde und zum anderen ein planerisches Handeln vorgelegen hat.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 22:09
Die Provokation durch den Täter erfolgte bereits im Vorfeld in der Bahn. Zudem wurde der Geschädigte beim Ausstieg offenbar explizit aufgefordert, auch auszusteigen. Mit welchen Worten oder ggf. auch Beleidigungen ist mir jedoch nicht bekannt, wäre jedoch vermutlich in die Bewertung mit einzubeziehen.
Das planerische Handeln könnte allein aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Täter ein Kantholz an sich genommen hat, welches dann auch zum Einsatz kam. Auch sollte berücksichtigt werden, dass der Täter in Begleitung von 2 anderen Jugendlichen war und inwieweit diese sich an der Tat beteiligt haben


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 22:14
Zitat von JauchejochenJauchejochen schrieb:Das planerische Handeln könnte allein aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Täter ein Kantholz an sich genommen hat, welches dann auch zum Einsatz kam.
Das ist nicht der entscheidende Punkt:

Es geht darum ob das provozierende Verhalten geeignet war den Versuch einer schweren
Körperverletzung durch das spätere Opfer zu provozieren.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 22:37
@Jauchejochen
und die Anderen
Jauchejochen schrieb:

Das planerische Handeln könnte allein aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Täter ein Kantholz an sich genommen hat, welches dann auch zum Einsatz kam.

Das ist nicht der entscheidende Punkt:

Es geht darum ob das provozierende Verhalten geeignet war den Versuch einer schweren
Körperverletzung durch das spätere Opfer zu provozieren.
Mit "provozierendem Verhalten" meint ihr hier ausschließlich die Androhung körperlicher Gewalt?
Ihr sprecht nicht über verbale Provokationen?


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 22:51
@frauZimt
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehr-recht jedoch dann
eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem
Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalles den folgenden Angriff als
eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt
In diesem Fall:
Ist der Versuch einer schweren Körperverletzung durch das spätere Opfer eine
adäquate und voraussehbare Folge der Aufforderung: "komm doch raus wenn du dich traust!"


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 23:41
Zitat von threefishthreefish schrieb:In diesem Fall:
Ist der Versuch einer schweren Körperverletzung durch das spätere Opfer eine
adäquate und voraussehbare Folge der Aufforderung: "komm doch raus wenn du dich traust!"
Die Verlobte des Opfers erklärte, dass sie Massimo L. noch zurückhalten wollte, als er an der Haltestelle „An der Piwipp“ ausstieg. Einer der Jugendlichen, die zuvor die Bahn verlassen hatten, soll sinngemäß von draußen gerufen haben: „Komm doch raus, wenn du dich traust.“
Was ist eigentlich mit "Versuch einer schweren Körperverletzung durch das spätere Opfer" gemeint?

Dazu ist es doch nicht gekommen. Der Täter wurde nicht schwer verletzt.
Gemeint ist der Gürtel, mit dem das Opfer zuschlagen wollte?


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 23:48
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Dazu ist es doch nicht gekommen. Der Täter wurde nicht schwer verletzt.
Gemeint ist der Gürtel, mit dem das Opfer zuschlagen wollte?
Sorry , mein Fehler:
Ich meinte "gefährliche Körperverletzung"
Mit einem Gegenstand auf eine Person einschlagen erfüllt diesen Tatbestand.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 23:52
@threefish

Danke. Ich habe hier gesessen und rumgegrübelt.

Bin trotzdem noch nicht ganz klar mit diesem Urteil, auf das man sich bezieht.
Aber heute krieg ich es nicht mehr gescheit zusammen.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

12.01.2017 um 23:58
Zitat von JauchejochenJauchejochen schrieb:Die Provokation durch den Täter erfolgte bereits im Vorfeld in der Bahn.
Durch was genau?

Das wurde jedenfalls von der Lebensgefährtin in der Zeugenaussage nicht bestätigt, sie behauptet, dass es dort keinen Streit gab.
Zitat von JauchejochenJauchejochen schrieb:Zudem wurde der Geschädigte beim Ausstieg offenbar explizit aufgefordert, auch auszusteigen. Mit welchen Worten oder ggf. auch Beleidigungen ist mir jedoch nicht bekannt, wäre jedoch vermutlich in die Bewertung mit einzubeziehen.
Auch hier gehen die Meldungen weit auseinander, die einzige Zeugin, die Lebensgefährtin scheint sich da nicht wirklich sicher zu sein. Der Anwalt hatte auch damals in der Beschwerde gesagt, dass das Opfer provoziert worden sein musste, weil er ausgestiegen sei. Eine wirklich wörtliche Wiedergabe der Provokation hat er damals - zumindest der Presse gegenüber - nicht behauptet, obgleich er Akteneinblick gehabt haben muss. Dieser Schluss des Anwalts ist jedoch in keiner Weise zwingend.
Zitat von JauchejochenJauchejochen schrieb:Das planerische Handeln könnte allein aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Täter ein Kantholz an sich genommen hat, welches dann auch zum Einsatz kam.
Könnte, aber es gibt eben auch andere Gründe für das Mitnehmen des Kantholzes. Es steht mit hoher Sicherheit fest, dass der Geschädigte den Gürtel ausgezogen hatte. Die Gründe, welche hierfür die Zeugin angegeben hat, mögen zutreffend sein, aber das Ausziehen des Gürtels in der Straßenbahn ist schon ein mehr als seltsamer Vorgang. Selbst wenn man mit einem offenen in die Straßenbahn einsteigt, macht man sich den doch eher zu als dass man ihn ganz auszieht. Wer von Euch hat so etwas mal beobachtet? Ich jedenfalls nicht. Wenn man so etwas sieht, könnte man auch auf andere Gedanken kommen, und zwar, dass derjenige diesen auch einsetzen will, was er dann auch letzendlich wohl getan hat. Die Jungen könnten dieses angeblich harmlose Ausziehen des Gürtels und vor sich halten anders als die Zeugin als Drohgebärde verstanden haben. So jedenfalls die Aussgage der Jungen.

Selbst wenn nachgewiesen würde, dass gesagt wurde "Komm raus, wenn Du Dich traust", wäre es verwunderklich, wenn das Opfer gleich aufgestanden wäre, wenn es - im Gegensatz zur Aussage der Zeugin - nicht in ihm gebrodelt hätte. Vielleicht hatten die Jungs ein feineres Gefühl dafür bzw. konnten es besser erkennnen?
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Was ist eigentlich mit "Versuch einer schweren Körperverletzung durch das spätere Opfer" gemeint?

Dazu ist es doch nicht gekommen. Der Täter wurde nicht schwer verletzt.
Gemeint ist der Gürtel, mit dem das Opfer zuschlagen wollte?
Versuch ist schon richtig. Nach Aussage der Jungen soll er auch zugeschlagen haben und zwar auf den Rücken des Angeklagten. Der will sich daraufhin umgedreht haben und weil der Opfer weiter mit dem Gürtel geschlagen haben soll, will der Angeklagte ihn zuerst in die Bauchgegend einen Stoß gegeben haben und da das Opfer erneut ausgeholt haben soll, dann in Richtung Kopf geschlagen haben, wobei der Schlag die Schläfe traf. Der Schlag muss also eher von der Seite erfolgt sein. So jedenfalls die Darstellung der Jungen, welche nach Aussage der StA in Summe übereinstimmend waren.


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13.01.2017 um 00:06
@SCMP77

So wie du es wiedergibst, hab ich den Verlauf auch gelesen.

Den Gürtel hat dann die Freundin an sich genommen. Die Polizei hat ihn bei ihr gefunden.

Ich begreife das mit den Provokationen einfach nicht.

Es gab eine Vorgeschichte in der Bahn.
Die endet nicht damit, dass die Jungs (bewaffnet) aussteigen.
Zwischen dem Prolog und dem Hauptteil der Geschichte, steht der Satz: Komm doch raus, wenn du dich traust!

Wer ist denn in disem Augenblick Täter und wer Opfer?

Ich finde, es macht hier nicht Sinn, die Akteure mit "späteres Opfer" und "späterer Täter" zu titulieren.

Der Junge hat alles getan eine Situation, die ihr Ende hätte finden können, offen zu lassen.

Offensichtlich waren die Jungs auf ein Kräftemessen aus.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

13.01.2017 um 00:20
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Zwischen dem Prolog und dem Hauptteil der Geschichte, steht der Satz: Komm doch raus, wenn du dich traust!
Das sehe ich auch als zentrale Frage, ob dieser Satz überhaupt gefallen ist. Ich habe mich beim durchlesen dieses Threads jedenfalls über die Bemerkung des Nebenklägeranwalts gewundert, dass er eine Provokation beim Aussteigen behauptet und nur damit begründet (obgleich er Akteneinsicht hat) , dass das Opfer ausgestiegen sei. Das finde ich eben mehr als seltsam und nehme daher an, dass es wohl nicht wirklich sicher ist, ob dieser Satz überhaupt gefallen ist. Dass die Presse das nicht richtig wieder gegeben haben soll, glaube ich nicht, da gerade bzgl. solch angeblich gefallener Sätze die Presse extrem hellhörig ist.
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Offensichtlich waren die Jungs auf ein Kräftemessen aus.
Für mich ist da viel zu viel unklar, als dass man sich da festlegen kann. Ganz ohne Grund wollte der StA den Fall auch nicht einstellen.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

13.01.2017 um 00:29
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Das sehe ich auch als zentrale Frage, ob dieser Satz überhaupt gefallen ist. Ich habe mich beim durchlesen dieses Threads jedenfalls über die Bemerkung des Nebenklägeranwalts gewundert, dass er eine Provokation beim Aussteigen behauptet und nur damit begründet (obgleich er Akteneinsicht hat) , dass das Opfer ausgestiegen sei. Das finde ich eben mehr als seltsam und nehme daher an, dass es wohl nicht wirklich sicher ist, ob dieser Satz überhaupt gefallen ist. Dass die Presse das nicht richtig wieder gegeben haben soll, glaube ich nicht, da gerade bzgl. solch angeblich gefallener Sätze die Presse extrem hellhörig ist.
Nehmen wir mal an, der Satz wäre gefallen.
Darf so ein (bekloppter Satz) überhaupt eine spätere Gewalttat rechtfertigen? - oder irgendwie beeinflussen?
Aussteigen-oder nicht - unterliegt doch der freien Entscheidung.

Komm raus, wenn du dich traust! - Das ist doch lächerlich.

Auf der anderen Seite darf sich der Rufer nicht wundern, wenn seiner Aufforderung nachgekommen wird.

Die Situation wird geöffnet für die nächste Eskalationsstufe.


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13.01.2017 um 00:34
@frauZimt

Diese Frage hat ja auch zu Recht @threefish gestellt. Wenn hier dieser Satz gefallen ist, war dann das folgende dadurch vorhersehbar?


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

13.01.2017 um 00:40
@SCMP77

Du meinst diese?
In diesem Fall:
Ist der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung durch das spätere Opfer eine
adäquate und voraussehbare Folge der Aufforderung: "komm doch raus wenn du dich traust!"
Da sich der Junge bewaffnet hat, verschiebt sich die Frage.
Nicht "wäre es vorhersehbar gewesen".
Der junge Mann hatte damit gerechnet, denn er hat sich vorsorglich bewaffnet.

Eigentlich müsste man überlegen, ob der Täter die Waffe (das Kantholz) gesehen hat.
Man kann ihn ja nicht mehr fragen.


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13.01.2017 um 06:16
@frauZimt

Die Frage wäre, was hat den Jungen veranlasst das Kantholz mitzunehmen, wenn die Aussage der Lebensgefährtin zutreffen würde, dass alles fast schon "Friede, Freude, Eierkuchen" gewesen sein soll und der Geschädigte ganz locker den Gürtel in der Hand gehalten haben soll. Diese Aussage, welche in den Berichten zum Prozess zu finden waren, macht mich einfach stutzig und für mich nicht wirklich nachvollziehbar und passt überhaupt nicht zu den bekannten Vorgängen. Ich halte sie daher für eher unglaubwürdig. Und hier wird es dann kritisch. Soweit ich noch weiß, soll der angeblich ausgesprochene Satz nur von dieser Zeugin gehört worden sein. Ob sie das nach wie vor noch behauptet, geht leider aus der Presse nicht eindeutig hervor. Wenn sie in der Befragung vor Gericht daran festgehalten hat, handelt es sich dann letztendlich um eine Aussage gegen Aussage-Situation, wo es nach ständiger Rechtssprechung des BGHs sehr auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin ankommt.

Ich persönlich schätze eher die Aussage der Jungen als glaubwürdiger ein, dass es zu Drohgebärden mit dem Gürtel schon vorher kam. Und dies soll die Mitnahme des Kantholzes bewirkt haben, auch das wäre dann nachvollziehbar.

Einfach - wie die Nebenklage meint - dass eine Provokation vorliegt, weil der Geschädigte ausgestiegen sei, wird der Sache in keiner Weise gerecht. Auch ohne Provokation allein wegen der möglichen Wut im Bauch, kann der Geschädigte den Jungen nachgelaufen sein.

Was bei der Einstellung des Verfahrens der StA vorzuwerfen ist, dass sie diese Ausstiegssituation nicht ausreichend betrachtet hat.


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

13.01.2017 um 09:26
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Die Frage wäre, was hat den Jungen veranlasst das Kantholz mitzunehmen, wenn die Aussage der Lebensgefährtin zutreffen würde, dass alles fast schon "Friede, Freude, Eierkuchen" gewesen sein soll und der Geschädigte ganz locker den Gürtel in der Hand gehalten haben soll.
Genau das wäre der Punkt wo ggf. eine Einschränkung der Notwehr gegeben sein könnte:
In der Bahn erfolgt die konkrete Drohung mittels Gürtel zu verprügeln.

Der Jugendliche sagt : Prima , wenn er das versucht darf ich ihm das Kantholz über den Schädel ziehen!
Daraus folgt die Aufforderung zum aussteigen.

Dagegen spricht natürlich die "Friede, Freude, Eierkuchen" Aussage der Lebensgefährtin....


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Düsseldorf: 44-Jähriger verstirbt nach Kantholz-Attacke – Notwehr?

13.01.2017 um 23:24
Interessanter Fall, juristisch. Vor allem ist es äußerst bedauerlich, dass wegen eines dummen Streits um laute Musik jemand zu Tode kommt.

Berücksichtige ich die gegebenen Fakten, komme ich leider zu dem Schluss, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahren richtig war und auch jetzt letztlich ein Freispruch erfolgen müsste.

Die Zeugin des Opfers, also die Lebensgefährtin, möchte von einem Streit um Musik in der Bahn nichts mitbekommen haben. Der Gürtel sei bereits in der Bahn abgenommen worden, angeblich weil das Paar in Eile war. Beides ist wenig glaubwürdig.

Zudem soll das Opfer stark angetrunken gewesen sein. Das senkt die Hemmschwelle für Kleinigkeiten zu streiten und zudem den provokanten Aufforderungen von jungen Burschen zu folgen.

Dagegen haben wir drei Jugendliche, die behaupten, sie wären aufgrund der lauten MUsik in einen Streit mit dem späteren Opfer geraten. Durch den unstrittig losen Gürtel fühlten diese sich bedroht. Zur Abwehr hat einer dieser Jugendlichen ein herrenloses Kantholz aus der Bahn genommen und bei Aussteigen mit sich geführt.

Offensichtlich erst als die Jugendlichen ausgestiegen waren und in Besitz der späteren Waffe waren, haben sie das spätere Opfer derart provoziert, dass dieses ihnen folgte. Massimo L. ist 25 Jahre älter als die Burschen. Im nüchternen Zustand darf von ihm erwartet werden, dass er zur Deeskalation insoweit beiträgt, dass er der Aufforderung zum Aussteigen nicht folgt. Das tat er nicht, sondern soll nach Angaben der Jugendlichen gefolgt sein und als erster mit dem losen Gürtel auf den späteren Täter eingeschlagen haben. Das mag seinem Alkoholkonsum geschuldet sein.

Die Lebensgefährtin berichtet, sie hätte Massimo noch abhalten wollen. Hätte aber vom späteren Verlauf des Streits nichts mitbekommen, auch von dem tötlichen Schlag nichts. Auch dies ist wenig glaubwürdig. Bereits die Tatsache, dass sie sich genötigt fühlte, ihn abzuhalten, zeigt, wo hier das Aggressionspotenzial zu verorten ist.

In dieser Gesamtschau muss man leider die Frage beantworten, warum der spätere Täter seine Waffe als Fundstück aus der Bahn mitgenommen hat. Dies wird nicht grundlos passiert sein, hier steht mindestens die Vermutung im Raum, die Jugendlichen sind zuvor in der Bahn derart bedrängt worden, dass sie sich zum Selbstschutz bewaffnen wollten.
Die Provokation nach dem Aussteigen, bei dem erkannt werden konnte, dass das spätere Opfer eigentlich weiterfahren müsste, passt insofern ins Bild: In der Bahn hat man den "Kürzeren" gezogen und fühlte sich bedrängt, draußen, ohne Gefahr, da der Aggressor eigentlich weiterfahren müsste, fühlt man sich stark und macht noch ein paar dumme Sprüche. Das ist typisch jugendliches Verhalten.

Die Geschichte der Jugendlichen halte ich für wesentlich glaubhafter als die der Lebensgefährtin, die behauptet, das Opfer hätte in Eile den Gürtel bereits in der Bahn abgenommen.

Tragisch ist, dass ein junger Mensch in Notwehr den Tod eines anderen zu verantworten hat. Losgelöst von der rechtlichen Situation.


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14.01.2017 um 02:16
Hab hier mal bisschen mitgelesen und muss mal was loswerden:

Auch eine Notwehr mit Todesfolge ist und bleibt Notwehr.
Manche scheinen zudem zu vergessen, dass in einer Auseinandersetzung ziemlich viel Adrenalin im Spiel ist und man nicht sagt “oh, ich darf jetzt nur einmal zuhauen“, sondern man sicherstellen möchte, dass man keiner weiteren Gefahr ausgesetzt ist.
Und die besteht solange, solange der Angreifer nicht erstmal kampfunfähig oder verfolgungsunfähig ist.
Zudem ist ein Gegenstand wie ein Kantholz auch nicht falsch, wenn der Angreifer einem körperlich überlegen ist. Der zudem auch noch einen Gürtel mit einer harten Schnalle herumschwingt.

Selbst wenn sie das Kantholz mit rausnehmen, weil sie glauben, es kommt zu einer Auseinandersetzung, ist es kein Vorsatz, sondern Vorsorge.
Genauso wie sich Leute Pfefferspray kaufen und mit sich führen.

Das einzige, was hier zur Debatte stehen sollte, ist der tatsächliche Hergang.
Die ganzen Kleinigkeiten also, die darüber entscheiden, ob es Notwehr war oder nicht.
Denn nicht die Objekte oder die Anzahl der Schläge entscheiden das. Soweit muss das eigentlich klar sein.


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14.01.2017 um 02:20
@sunshinelight
....naja, es gibt den s.g. Notwehrexzess, der strafbar ist, es ist also auch bei der Notwehr nicht alles erlaubt.

Wikipedia: Notwehr (Deutschland)#Notwehrexzess .28Schuld.29


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14.01.2017 um 12:49
@Balthasar70
Also wenn du jetzt einem unberechenbaren, alkoholoisiertem Jemand gegenüberstehst, der ziemlich aggressiv ist, musst du deine Verteidigung unterbinden, wenn du glaubst, dass du ihn aus Versehen tötest, auch wenn die Gefahr besteht, dass eventuell du sterben könntest? Ganz besonders, weil dein Ziel nicht der ist, jemanden zu töten, sondern dich zu schützen und sowas ist immer sehr hektisch.
Falls der Angreifer stirbt, musst du dann mit ner Bestrafung rechnen, obwohl du dich einfach nur verteidigt hast? Wir Menschen haben immer noch Reflexe und in solchen Momenten denken wir weniger nach, sondern handeln mehr instinktiv.


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