Der mysteriöse Tod des 4-jährigen Jan H.
22.06.2017 um 17:00Jan H. lebte mit seiner Mutter in einer Sekte in Hanau. Am 17. August 1988 verstarb er. Damals wurde angenommen, dass er ohne Fremdeinwirkung im Schlaf an erbrochenem Haferschleim erstickt ist.
Vor einigen Jahren gingen ehemalige Sektenmitglieder, darunter auch der Sohn der Gründer an die Öffentlichkeit.
Mehrere Aussteiger haben gegenüber der Frankfurter Rundschau berichtet, dass Jan H. in der Gruppe als „vom Bösen besessen“ betrachtet und deshalb isoliert, vernachlässigt und gequält worden sei. Gesprochen habe er kaum. Wenn er nicht auf die Toilette habe gehen wollen, habe er so lange auf dem Töpfchen sitzen müssen, bis etwas kam. Wenn er nichts zu sich habe nehmen wollen, sei ihm Essen in den Mund gestopft worden. Zum Schlafen sei er – wie andere Kinder auch – häufig in einen Sack gesteckt worden. Dieser sei bei Jan über dem Kopf zusammengebunden worden. So habe der Junge im Badezimmer schlafen müssen.
(...)
Gutachter sollen in den kommenden Wochen [2015] klären, ob so ein geschlossener Sack „den Tod maßgeblich verursacht haben kann und die Beteiligten dies auch hätten erkennen müssen“.
(...)
Professor Markus Rothschild, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität zu Köln, kritisiert scharf, dass 1988 keine Obduktion durchgeführt wurde: „Ein Vierjähriger erstickt normalerweise nicht an seinem Erbrochenen, auch nicht im Schlaf. Er würgt, beginnt zu erbrechen – und wird davon wach. Wenn das Erbrochene in die Atemwege gelangt, wird ein starker Hustenreflex ausgelöst, der die Essensreste hinausschleudert und die Atemwege freimacht.“ Der renommierte Rechtsmediziner fragt: „Warum konnten die natürlichen Schutzreflexe des Jungen nicht greifen?“ Es müsse einen Grund dafür geben. „Hier deutet einiges auf einen unnatürlichen Tod hin“, sagt Rothschild. Er kann nicht nachvollziehen, warum der Ursache für den Tod nicht weiter nachgegangen wurde.
http://www.fr.de/rhein-main/dossier/spezials/hanauer-sektenfall/sekte-in-hanau-alarmsignale-ohne-folgen-a-412498
Die Sektengründer und auch die Eltern des kleinen Jan sprechen nach wie vor von einem Unfall.
Hier ein weiterer Artikel über einen Aussteiger, der über seine Zeit in der Sekte berichtet:
http://www.fr.de/rhein-main/dossier/spezials/hanauer-sektenfall/sekten-in-gottes-namen-a-560320
Heute schrieb der Hessische Rundfunk:
Neue Ermittlungen in Hanau
Nach 29 Jahren - Verdacht auf Mord an Kind
Veröffentlicht am 22.06.17 um 13:21 Uhr
Ein im Jahr 1988 in Hanau verstorbener vierjähriger Junge ist möglicherweise ermordet worden. Bisher hieß es, er sei ohne Fremdverschulden erstickt. Nun kommen neue Ermittlungen ins Rollen.
Offenbar ist der Tod eines Vierjährigen ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
29 Jahre nach dem Tod eines kleinen Jungen in Hanau sind wegen des Verdachts auf ein Verbrechen Ermittlungen eingeleitet worden. Es besteht der Verdacht, dass der Vierjährige am 17. August 1988 nicht wie angenommen ohne Fremdeinwirkung erstickte, sondern ermordet wurde - und Mord verjährt nicht.
Die Staatsanwaltschaft Hanau bestätigte am Donnerstag lediglich ein aufgenommenes Ermittlungsverfahren. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten keine weiteren Angaben gemacht werden, sagte Oberstaatsanwalt Dominik Mies. Zuerst hatte die Bild-Zeitung (Donnerstag) über den Fall berichtet.
Ehemaliger Pastor und Sektenführer im Verdacht
Nach Angaben der Zeitung sollen die sterblichen Überreste des Jungen exhumiert werden. Auch jetzt noch könnten Knochenbrüche nachgewiesen werden. Im Zentrum der Ermittlungen steht demnach ein Paar aus dem Main-Kinzig-Kreis, das in den 1980er Jahren Pflegekinder aufgenommen haben soll. Der als Pastor tätige Mann sollte dem Bericht zufolge wegen radikaler Ansichten aus dem Kirchendienst entlassen werden, er sei diesem Schritt aber zuvorgekommen und auf eigenen Wunsch ausgeschieden.
Das Paar gründete nach Bild-Angaben eine Sekte. Ein Ermittler sagte der Zeitung, dass dort kaum zu ertragende Zustände geherrscht hätten. Der Junge soll extrem unterernährt gewesen sein. Er sei misshandelt worden und daran gestorben.
Sendung: hr-fernsehen, maintower, 22.06.2017, 18.00 Uhr
http://hessenschau.de/panorama/nach-29-jahren---verdacht-auf-mord-an-kind,hanau-tod-junge-100.html (Archiv-Version vom 22.06.2017)
In diesem Beitrag wird auf einen BILD+ Artikel verwiesen, demzufolge die sterblichen Überreste exhumiert werden sollen. In dem Artikel der FR steht allerdings, dass das Grab nicht mehr existiert.
http://www.bild.de/bild-plus/regional/frankfurt/mord/kripo-ermittelt-gegen-sekten-fuehrer-52198154,view=conversionToLogin.bild.html (Archiv-Version vom 22.06.2017)
In zwei sehr ausfürlichen Artikeln auf www.bento.de aus dem Jahre 2015 äußert sich der Sohn der Sektengründer, der nach seinem Ausstieg schwere Jahre durchlebte.
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, der Junge hatte autistische Züge, er sprach kaum und hatte oft Wutanfälle. Wenn er nicht auf die Toilette wollte, musste er im Flur auf dem Töpfchen sitzen, bis etwas kam, wenn er nicht essen wollte, stopften sie ihm Brei in den Mund. Wenn er sich wehrte, schlug meine Mutter zu, wenn er schrie, drehte sie Musik laut.
Zum Schlafen steckten sie ihn oft in einen engen Leinensack, zogen die Kordel über dem Kopf zu und legten ihn ins Badezimmer auf den Boden, bewegen konnte er sich darin kaum. In diesem Sack musste er sich übergeben. Daran ist er erstickt.
http://www.bento.de/politik/tod-eines-jungen-was-steckt-hinter-den-vorwuerfen-gegen-gemeinschaft-in-hanau-62448/
http://www.bento.de/politik/eltern-als-guru-wie-es-ist-in-einer-sekte-grosszuwerden-58766/
Über den Fall wird heute um 18 Uhr bei Maintower im hr-Fernsehen berichtet.
Vor einigen Jahren gingen ehemalige Sektenmitglieder, darunter auch der Sohn der Gründer an die Öffentlichkeit.
Mehrere Aussteiger haben gegenüber der Frankfurter Rundschau berichtet, dass Jan H. in der Gruppe als „vom Bösen besessen“ betrachtet und deshalb isoliert, vernachlässigt und gequält worden sei. Gesprochen habe er kaum. Wenn er nicht auf die Toilette habe gehen wollen, habe er so lange auf dem Töpfchen sitzen müssen, bis etwas kam. Wenn er nichts zu sich habe nehmen wollen, sei ihm Essen in den Mund gestopft worden. Zum Schlafen sei er – wie andere Kinder auch – häufig in einen Sack gesteckt worden. Dieser sei bei Jan über dem Kopf zusammengebunden worden. So habe der Junge im Badezimmer schlafen müssen.
(...)
Gutachter sollen in den kommenden Wochen [2015] klären, ob so ein geschlossener Sack „den Tod maßgeblich verursacht haben kann und die Beteiligten dies auch hätten erkennen müssen“.
(...)
Professor Markus Rothschild, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität zu Köln, kritisiert scharf, dass 1988 keine Obduktion durchgeführt wurde: „Ein Vierjähriger erstickt normalerweise nicht an seinem Erbrochenen, auch nicht im Schlaf. Er würgt, beginnt zu erbrechen – und wird davon wach. Wenn das Erbrochene in die Atemwege gelangt, wird ein starker Hustenreflex ausgelöst, der die Essensreste hinausschleudert und die Atemwege freimacht.“ Der renommierte Rechtsmediziner fragt: „Warum konnten die natürlichen Schutzreflexe des Jungen nicht greifen?“ Es müsse einen Grund dafür geben. „Hier deutet einiges auf einen unnatürlichen Tod hin“, sagt Rothschild. Er kann nicht nachvollziehen, warum der Ursache für den Tod nicht weiter nachgegangen wurde.
http://www.fr.de/rhein-main/dossier/spezials/hanauer-sektenfall/sekte-in-hanau-alarmsignale-ohne-folgen-a-412498
Die Sektengründer und auch die Eltern des kleinen Jan sprechen nach wie vor von einem Unfall.
Hier ein weiterer Artikel über einen Aussteiger, der über seine Zeit in der Sekte berichtet:
http://www.fr.de/rhein-main/dossier/spezials/hanauer-sektenfall/sekten-in-gottes-namen-a-560320
Heute schrieb der Hessische Rundfunk:
Neue Ermittlungen in Hanau
Nach 29 Jahren - Verdacht auf Mord an Kind
Veröffentlicht am 22.06.17 um 13:21 Uhr
Ein im Jahr 1988 in Hanau verstorbener vierjähriger Junge ist möglicherweise ermordet worden. Bisher hieß es, er sei ohne Fremdverschulden erstickt. Nun kommen neue Ermittlungen ins Rollen.
Offenbar ist der Tod eines Vierjährigen ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
29 Jahre nach dem Tod eines kleinen Jungen in Hanau sind wegen des Verdachts auf ein Verbrechen Ermittlungen eingeleitet worden. Es besteht der Verdacht, dass der Vierjährige am 17. August 1988 nicht wie angenommen ohne Fremdeinwirkung erstickte, sondern ermordet wurde - und Mord verjährt nicht.
Die Staatsanwaltschaft Hanau bestätigte am Donnerstag lediglich ein aufgenommenes Ermittlungsverfahren. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten keine weiteren Angaben gemacht werden, sagte Oberstaatsanwalt Dominik Mies. Zuerst hatte die Bild-Zeitung (Donnerstag) über den Fall berichtet.
Ehemaliger Pastor und Sektenführer im Verdacht
Nach Angaben der Zeitung sollen die sterblichen Überreste des Jungen exhumiert werden. Auch jetzt noch könnten Knochenbrüche nachgewiesen werden. Im Zentrum der Ermittlungen steht demnach ein Paar aus dem Main-Kinzig-Kreis, das in den 1980er Jahren Pflegekinder aufgenommen haben soll. Der als Pastor tätige Mann sollte dem Bericht zufolge wegen radikaler Ansichten aus dem Kirchendienst entlassen werden, er sei diesem Schritt aber zuvorgekommen und auf eigenen Wunsch ausgeschieden.
Das Paar gründete nach Bild-Angaben eine Sekte. Ein Ermittler sagte der Zeitung, dass dort kaum zu ertragende Zustände geherrscht hätten. Der Junge soll extrem unterernährt gewesen sein. Er sei misshandelt worden und daran gestorben.
Sendung: hr-fernsehen, maintower, 22.06.2017, 18.00 Uhr
http://hessenschau.de/panorama/nach-29-jahren---verdacht-auf-mord-an-kind,hanau-tod-junge-100.html (Archiv-Version vom 22.06.2017)
In diesem Beitrag wird auf einen BILD+ Artikel verwiesen, demzufolge die sterblichen Überreste exhumiert werden sollen. In dem Artikel der FR steht allerdings, dass das Grab nicht mehr existiert.
http://www.bild.de/bild-plus/regional/frankfurt/mord/kripo-ermittelt-gegen-sekten-fuehrer-52198154,view=conversionToLogin.bild.html (Archiv-Version vom 22.06.2017)
In zwei sehr ausfürlichen Artikeln auf www.bento.de aus dem Jahre 2015 äußert sich der Sohn der Sektengründer, der nach seinem Ausstieg schwere Jahre durchlebte.
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, der Junge hatte autistische Züge, er sprach kaum und hatte oft Wutanfälle. Wenn er nicht auf die Toilette wollte, musste er im Flur auf dem Töpfchen sitzen, bis etwas kam, wenn er nicht essen wollte, stopften sie ihm Brei in den Mund. Wenn er sich wehrte, schlug meine Mutter zu, wenn er schrie, drehte sie Musik laut.
Zum Schlafen steckten sie ihn oft in einen engen Leinensack, zogen die Kordel über dem Kopf zu und legten ihn ins Badezimmer auf den Boden, bewegen konnte er sich darin kaum. In diesem Sack musste er sich übergeben. Daran ist er erstickt.
Über den Fall wird heute um 18 Uhr bei Maintower im hr-Fernsehen berichtet.