Es folgt Teil 1 von 2 des Transkriptes der Aktenzeichen XY Sendung.
Ich würde jeden empfehlen, sich das auch als Video anzusehen, wegen Gestik und Mimik der Freunde. Außerdem war es etwas kompliziert, zwischen Filmfall und Interview zu switschen. Ich habe nachgestellte Szenen in kursiv gesetzt, um abzugrenzen.
QUELLE:
Aktenzeichen XY … ungelöst Spezial – Wo ist mein Kind?
Datum der Veröffentlichung: 03.06.2015
Video verfügbar unter:
Facebook Seite: Vermisste Menschen in Deutschland
Videotitel: Fall Lars Mittank: Flucht und Panik im Bulgarien-Urlaub
Hochgeladen am: 19.03.2018
https://www.facebook.com/vermisstemenschen/videos/1900384630034475/ [Abruf am 13.09.2020].
Dateianhang: Aktenzeichen XY 2015 Filmbeitrag Lars Mittank.pdf (246 KB)Aktenzeichen XY … ungelöst Spezial – Wo ist mein Kind? (aus Juni 2015 / Anmoderation und Filmbeitrag)Der nächste Vermisstenfall, liebe Zuschauer, führt uns ans schwarze Meer. Was Mitte letzten Jahres als fröhlicher Urlaub in Bulgarien begann, endete schließlich in einer Katastrophe. Lars Mittank kehrte bis heute nicht nach Hause zurück. Sein Verschwinden ist einer der mysteriösesten Fälle, die wir bisher hier hatten.
[Filmbeitrag] Flughafen Varna, Bulgarien, am 8.7.2014. Früh am Morgen erfassten Überwachungskameras einen Touristen beim Betreten der Eingangshalle. Der 28jährige Mann scheint völlig gefasst und ruhig als er das Flughafen-Gebäude betritt. Nichts deutet daraufhin, dass eine halbe Stunde später dieselben Kameras die letzten Bilder einer dramatischen Verwandlung zeigen. Denn genau 46 Minuten später verlässt Lars Mittank das Gebäude wieder. Aber diesmal nicht in Ruhe, sondern er rennt hinaus in panischer Angst als wäre er auf der Flucht. Seither fehlt von ihm jede Spur.
Immer wieder hat sich die Mutter von Lars, Sandra Mittank, das Video angesehen.
Sandra Mittank: „Das auffällige an der Videoaufnahme für mich ist, dass mein Sohn völlig ruhig, relaxt, reingeht und dann nachher völlig will wegrennt aus dem Flughafen. Wenn ich die Aufnahme, dann habe ich das Gefühl, dass er sich in Sicherheit bringen wollte. Sein Leben retten. Das hatte ich als Gefühl.“
Lars Mittank wächst in Marne, Schleswig-Holstein, als Einzelkind auf. Der Feinwerkmechaniker war auf dem besten Weg in einem Kohlkraftwerk in Wilhelmshaven Karriere zu machen, wo er seit August 2007 arbeitet.
Sandra Mittank: „Ich denke, er ist ein sehr Selbstbewusster, sportlich, er passt auf sich selber auf. Ernährt sich gesund. Feiert auch mal, gar keine Frage. Aber schon, dass er zielgerichtet seine Ziele verfolgt. Mein Verhältnis zu meinem Sohn ist, glaube ich, sehr sehr eng. Natürlich hat man da, wenn man nur ein Kind hat, ein sehr tiefes Verhältnis.“
Am 30. Juni sitzt Lars Mittank mit seinen Freunden in einem Flugzeug auf dem Weg nach Varna um eine Woche Urlaub zu machen.
Tim Schuldt (war mit Lars in Bulgarien): „Ich kenne ihn seit 2003. Wir sind zusammen zur Berufsschule gegangen. Und unternehmen auch relativ viel in der Freizeit zusammen.“
Paul Rohmann (war mit Lars in Bulgarien): „Der Lars ist ein lockerer, entspannter, junger Mann. Trinklustig. Gut drauf. Einfach sympathtisch, rundum, kann man sagen.“
Varna ist ein beliebtes Urlaubsziel bei jungen Leuten. Meer, Strand und All Inclusive locken jedes Jahr zahlreiche Sommerurlauber an die Goldküste. In diesem Sommer 2014 steht Bulgarien ganz im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft.
Paul: „Lars ist ambitionierter Fußballfan. Er steht zu seinem Verein Werder Bremen. Wir hatten viel Spaß. Wir waren am Strand. Wir waren in Discotheken, in Bars, viel umher gezogen. Fußball geguckt, gefeiert. Es gab Sticheleien mit Bayern-Fans. Die konnte Lars aber mit netten Worten wieder ein ringen.“
Die Woche geht schnell vorüber. Tagsüber verbringen die Freunde ihre Zeit am Strand. Oder entspannen sich am Pool. [Anm.: Die Freunde liegen cocktailtrinkend am Pool, eine attraktive Frau läuft am Pool entlang, Lars lächelt und spricht Paul an.]
Lars: „Guck mal.“
Paul: „Du hast doch ne Freundin.“
Lars: „Na und. Tut doch nichts zur Sache. Gucken ist erlaubt.“
Etwas war wirklich auffällig. Lars hatte den ganzen Urlaub über sehr wenig gegessen.
[Anm.: am Pool liegend] Freund: „Ich hab Hunger.“
Lars: „Ich nicht.“
Anderer Freund: „Willst du nicht mal was essen?
Lars: „ Nee, geht alleine. Ich brauche nichts“
Freund: „Du willst gar nichts? (Lars: „Nee“) Du bleibst da?“ [Anm.: Lars bleibt liegen]Tim: „Der hat Frühstück eigentlich gar nicht gemacht. Und dann hat er mal am Mittagessen teilgenommen und am Abend. Dann immer nur so ein bisschen. Eine Suppe und hier einen kleinen Salatteller. Wenn ich einen All Inclusive Urlaub hat und ich ordentlich hier war trinken will, dann schaffe ich mir schon eine vernünftige Grundlage.
Am Samstag, den 5 Juli, verabreden sich die Freunde für den Abend. Sie wollen sich das Spiel Costa Rica gegen Niederlande in einer Strandbar ansehen.
Paul: „An dem besagten Abend waren Lars, ich und die anderen Mitreisenden in der Rockbar. Dort waren Fähnchen auf den Tischen von einzelnen Nationen. Und Lars machte sich einen Spaß daraus, diese Fähnchen zu tauschen. Wobei er damit bei den Tischnachbarn aneckte, aber er konnte diese Situation auch immer wieder friedlich und spaßig lösen.“
Lars, Tim und Paul sind die letzten Gäste, die an diesem Morgen das Lokal verlassen.
Lars: „Ich wollt jetzt noch was essen gehen bei McDonalds?“Bei einem Fast-Food-Restaurant holen sich Tim und Paul noch etwas zu essen.
Paul: „Lars wartete in Sichtweise ca., ich würde schätzen, 20 Meter entfernt von uns.“
Als die Freunde das Restaurant wieder verlassen, ist Lars nicht mehr zu sehen.
Freund: „Wir haben etwas zu essen bestellt und drehten uns um und dann war Lars nicht mehr zu sehen.“
Am nächsten Morgen erzählt Lars von einem Vorfall, der sich in der Nacht ereignet hatte.
Lars: „Da waren Bayern-Fans draußen. Und haben sich aufgeführt.“
Paul: „Lars hat am nächsten Morgen erzählt, dass er einen Schlag aufs Ohr bekommen hat. Wobei Leute, mit denen er aneckte, FC Bayern Fans, wohl bulgarische oder russische Bürger bezahlt haben um ihm diesen Schlag zu verpassen.“
Lars: „Die haben das darauf angelegt, mich zu verprügeln.“
Freund: „Ach, ich weiß nicht.“
Anderer Freund: „ Und dann auf dein Ohr drauf?“
Lars: „Ja. Weil ich mich dann zur Seite gedreht hab, weil ich dachte, ich kann denen ausweichen. Und dann (deutet Schlag auf sein Ohr an).“Tim: „Das hat mich ein bisschen stutzig gemacht. Allein diese ganze Story nachher. Das war so, die wollten sich nicht die Hände schmutzig machen und dann suchen sie sich halt irgendeinen Bulgaren oder Russen, der gerade rumsteht, um ihm eine aufs Maul zu hauen.“
Zwei Tage später, am Tag der Abreise, kommen Lars erste Zweifel, ob er den Flug mit seinem angeschlagenen Ohr wirklich antreten kann.
Lars: „Ich höre immer schlechter seit gestern. Das ist Wahnsinn. Mein Ohr, das tut jetzt weh. So innerlich.“Paul: „Am letzten Nachmittag machte Lars sich Sorgen, dass er durch die Verletzung vielleicht größere Schäden beim Flug erleiden könnte. Sein Gehör sei sehr wichtig für sein Beruf, sagte er immer wieder. In der Gruppe saßen wir zusammen und haben gesagt, warum gehst du nicht zum Arzt? Weil du hast doch eine Auslandskrankenversicherung.“
Paul begleitet Lars zu einem ortsansässigen Allgemeinarzt, der bei Lars einen Trommelfellriss feststellt.
Paul: „Des Weiteren erzählte der Arzt, dass Lars mit dieser Verletzung nicht fliegen könne und vorsichtshalber sich vorher in Varna in einer Spezialklinik nochmal untersuchen lassen soll.“
Freund: „Ja, dann bleibe ich natürlich auch hier.“
Lars: „Nein. Du musst nicht.“
Anderer Freund: „Wir können das hier ruhig noch einen Tag verlängern.“Tim: „Und dann haben wir Lars angeboten, ob einer bei ihm bleiben soll. Und er sagte, nein, das möchte er nicht. Er will mit dem Taxi ins Krankenhaus fahren. Und wir sollen mit dem Flugzeug nach Hause fliegen. Hätten wir gewusst, dass Lars im Krankenhaus nicht aufgenommen wird, wäre natürlich einer dageblieben.“
Das Taxi fährt Lars ins Krankenhaus von Varna. Dort wird er in der HNO-Abteilung von dem Facharzt Dr. Najdenow erneut untersucht.
Dr. Boris Najdenow (Krankenhaus Varna): „Ich habe sein Ohr untersucht und einen Trommelfellriss festgestellt. Ich habe ihn angeraten, sich operieren zu lassen. Er sagte, dass er sich lieber in Deutschland operieren lassen will.“
Weil Lars eine OP und damit einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus ablehnt, verschreibt der Arzt ein Breitbandantibiotikum um einer Mittelohrinfektion vorzubeugen.
Dr. Najdenow: „Cefzil heißt das Antibiotikum. Und aus unserer Erfahrung damit ist es eines der besten in solchen Fällen.“
[Anm.: Einblendung: gegen 22.50 Uhr] Lars besorgt sich das Medikament und lässt sich in ein Hotel fahren.
Sandra Mittank: „Das erste Mal habe ich mit ihm telefoniert als er im Hotel Color war in der Nacht.
[Anm.: Einblendung: gegen 23.50 Uhr, Lars telefoniert] Lars: „Du Mama, du musst mir bitte einen Gefallen tun. Ich habe gerade in ein Hotel eingecheckt. Das ist ganz komisch. Ich hab da bezahlt und bitte sperre mir sofort meine Kreditkarte.“Sandra Mittank: „Dann sagt er zu mir, „Irgendetwas stimmt hier mit dem Hotel nicht.“ und er muss hier wieder raus. Und dann habe ich versucht, ihn zu beruhigen.“
Lars: „Hier stimmt was nicht. Ich kann dir das nicht sagen. Hier stimmt was nicht. Ich muss hier weg.“Wurde Lars tatsächlich verfolgt? Fest steht, dass er mitten in der Nacht das Hotel verlassen hat.
[Amn.: Lars klettert auf seine Mauer und hält sein Handy in der Hand.]Sandra Mittank: „Dann rief er mich wieder in der Nacht an, so gegen, zwischen 2.00 und 3.00 Uhr. Flüstere nur am Handy und sagte
(Lars: „Ich hab mich versteckt. Ich muss ganz leise sprechen. Sonst hören die mich.“) Irgendwie haben ihn dann vier Mann verfolgt. Und er liegt jetzt in dem Versteck, wo er etwas höher liegt.
(Lars: „Mama, ich leg jetzt auf.“) Mir schnürte sich natürlich so langsam der Hals zu und das Herz krampfte natürlich. Dass da irgendetwas nicht stimmt, um Gottes Willen. Dein Sohn ist in Gefahr.
[Anm.: Lars liegt auf der Mauer, vor ihm liegt eine Schachtel Cefzil.] Kurz danach kamen dann zwei SMS. Und da schrieb er dann: Was ist Cefzil 500. Dann habe ich mich natürlich gewundert. Auf mein Handy geguckt und gedacht, was ist jetzt, Cefzil 500? Warum will er das wissen?
Etwa zwei Stunden später wird ein Taxifahrer auf Lars aufmerksam. Obwohl er schon einen Fahrgast hat, nimmt er Lars mit auf und bringt ihn zum Flughafen.
Es ist bereits wieder hell als das Taxi Lars am Flughafen absetzt.
Sandra Mittank: „Den nächsten Anruf habe ich gegen ca. 6.00 Uhr erhalten. Und da sagte dann mein Sohn, er ist jetzt froh, dass er am Flughafen angekommen ist. Und dann habe ich mich nur noch kurz drüber unterhalten. Ich sage, am Flughafen gibt es einen Flughafenarzt. Lass dich da nochmal checken. Wenn der Krankenhausarzt dich nicht aufgenommen hat, dann kann es ja nicht so schlimm sein.
Für alle Fälle bucht seine Mutter ihm bereits vor seinem Besuch beim Flughafenarzt sowohl ein Bustickert als auch einen neuen Rückflug.
Sandra Mittank: „Beim lezten Telefonat sagte er zu mir, „Sie lassen mich nicht fahren und sie lassen mich nicht fliegen.“ Erstmal habe ich das gar nicht so gewertet, weil ich erstmal gedacht habe, ‚Sie lassen mich nicht fliegen‘, naja, das ist wegen der Ohrverletzung. Im Nachhinein, ‚Sie lassen mich nicht fahren‘, fand ich eine merkwürdige Bemerkung.
Diese Aussage ist umso rätselhafter, als dass sie noch vor dem Arztbesuch fällt.
Dr. Kosta Kostow (Flughafenarzt): „Ja, ich kann mich erinnern und zwar sehr gut. Während der ganzen Zeit fiel uns sein Verhalten, seine Reaktionen auf. Er war unruhig. Er war definitiv unruhig. Und dann kam der Moment als ein Arbeiter vom Flughafen durch die Tür hereingeschaut hat. Auf einmal wurde er sehr unruhig, schreckte auf und fing an zu stottern. Etwas zu murmeln. Wir haben versucht, ihn zu beruhigen. Dass das ein einfacher Arbeiter ist. Ich weiß nicht, wen er glaubte zu erkennen als er diesen Menschen sah. Er stand plötzlich auf und ist rausgegangen.“
Lars Mittank lässt sein gesamtes Gepäck und sein Handy zurück. [Anm.: Auf die Beschreibung der nachgestellten Szene aus dem Behandlungszimmer wird verzichtet.]
Kriminalhauptkommissar Marco Klein ist der leitende Ermittler im Fall Lars Mittank. Gemeinsam mit einer Vertreterin der bulgarischen Polizei sieht er sich die Aufnahmen der Überwachungskamera an.
[Anm.: Vor dem Flughafeneingang] Marco Klein (Kripo Itzehoe): „Ja, Lars Mittank ist hier aus dem Gebäude rausgelaufen und wurde von der Außenüberwachungskamera aufgezeichnet. Er ist zunächst hier diagonal über den Platz gelaufen, ging kurze Zeit, hat dann immer mal wieder das Laufen begonnen und ist dann bis zum Außenzaun des Flughafens gelaufen, den er nach bisherigen Erkenntnissen überklettert haben dürfte. „
Vor wem lief Lars davon? Von wem fühlte er sich bedroht?
Marco Klein: „Einer der zentralen Fragen ist, warum Lars Mittank das Flughafengebäude so fluchtartig verlassen hat. Mehrere Zeugen haben unabhängig voneinander davon berichtet, dass er zumindest seit er das Krankenhaus Varna verlassen hat, verhaltensauffällig war. Er hatte Angst und war teilweise sogar panisch.“
Die SMS von Lars an seine Mutter wirft Fragen auf.
Sandra Mittank: „Hat er einen Verdacht, dass er die Tabletten genommen hat, dass mit denen irgendetwas nicht in Ordnung ist? Oder warum fragt er mich das?“
Rada Pechliwanowa vom bulgarischen Apothekerverband kennt das Medikament sehr gut.
Rada Pechliwanowa (Apothekerin): Zwischen dem Antibiotikum und dem auffallenden Verhalten des Patienten könnte ein Zusammenhang bestehen. Wir sprechen aber von einer sehr seltenen Nebenwirkung, die davon abhängt, ob er zum Beispiel ein anderes Medikament eingenommen oder Alkohol getrunken hat.“
Die Mutter von Lars ist höchst beunruhigt als sie von ihrem Sohn nichts mehr hört. Am nächsten Tag gibt sie bei der deutschen Botschaft eine Vermisstenanzeige auf, das wiederum die bulgarische Polizei informiert. Diese sucht mit Nachdruck. Leider ohne Erfolg.
Sandra Mittank: „Zwei Wochen nach dem Verschwinden meines Sohnes hielt ich es einfach zu Hause nicht mehr aus. Und ich musste einfach selber runterfliegen [Anm. Bei Minute: 15.33 wird ein Foto eingeblendet, auf dem Sandra Mittank ein typisches Suchplakat zeigt.] Wir haben Krankenhäuser, Psychiatrien sind wir abgelaufen. Alles, was man sich vorstellen kann. Alles, was möglich und unmöglich ist, haben wir eigentlich gemacht in dieser Zeit. Weil eine Mutter an ihr Kind glaubt. Und wenn mein Kind Hilfe braucht, dann muss ich helfen, meinem Kind. Und ich habe im Moment das Gefühl, im Moment braucht er meine Hilfe. Das Gefühl habe ich.“
[Filmbeitrag Ende]