jamie71 schrieb:Ich kann mich erinnern und gebe zu, dass wir uns im Kreise der Sachverständigen über die Begründungen der Staatsanwaltschaft, die letzlich in das Urteil einflossen, damals lustig gemacht hatten.
Da ich hier zu keinem der Glaubenslager gehöre, versuche ich mich mal in einer Spekulation, wie die Angelegenheit aus Sicht der Staatsanwaltschaft (und letztlich auch dem Gericht) aussah:
- Es gab einen Mord an einem Ehepaar und einen versuchten Mord an der Tochter. In Art einer kaltblütigen Hinrichtung. Ein Delikt, das nicht unaufgeklärt bleiben darf. Druck der Öffentlichkeit. Ein Mord in der Nähe, der einige Jahre vorher geschehen ist, war nicht aufgeklärt worden.
- Erste Ermittlungen ergeben, dass die Opferfamilie, äh, etwas schwierig war und es ihren Nachbarn nicht besonders leicht gemacht hat. Also richtet sich der Fokus ganz automatisch gegen die Nachbarn.
- Schließlich entdeckt man die Hauptbelastungsindizien: Den Bauschaum am Tatort, die Schalldämpfer-Anleitung-PDF, die Schmauchspuren auf der Kleidung von Herrn Darsow. Das ist hart an der Grenze eines Tatnachweises. Der Beschuldigte schweigt. So versucht man - durchaus mit Verfolgungseifer - die verbleibenden Mosaiksteinchen zusammenzusetzen. Aber es gibt erhebliche Probleme:
- Die Tatwaffe bleibt verschwunden. Die Hunde schlagen nicht an, es wird keine DNA gefunden, kein Klebeband im Haus des Beschuldigten, nichts, was weiter belasten könnte. Auch mit dem Motiv ist es schwierig. Außer dem Lärm findet man nichts. Also muss es der Lärm sein.
Das Gericht lässt die Anklage zu. Und die Frage, die ich schon einmal hier gestellt habe: Hätte es freisprechen können? Trotz der Beweislage?
Wo hätten die "vernünftigen Zweifel" entstehen und begründet werden können? Ein Freispruch hätte - ausgehend von den Urteilsgründen - mehr "Futter" gebraucht. Hätte der vage Verdacht, die Anleitung sei nicht von Herrn Darsow aufgerufen und ausgedruckt worden, gereicht? Hätte die denkbare Möglichkeit, dass die Schmauchspuren durch Verunreinigungen auf die Kleidung gekommen sind, ausgereicht? War es reiner Zufall, dass vom Computer des Herrn Darsow aus ein Schalldämpfer mit Bauschaum angesehen und eine Schallschutzvorrichtung mit Bauschaum am Tatort verwendet worden ist? Gibt es andere Szenarien, andere Verdächtige?
Die Staatsanwaltschaft kann jedenfalls einen Freispruch mit der Revision angreifen, der allein deshalb getroffen wurde, weil es eine theoretische Möglichkeit für alternative Tatabläufe und Täter gibt. Es bedarf eines "Aufhängers" für einen Freispruch. Schwierig.
Stattdessen wirft man alles, was irgendwie in die Geschichte hineinpasst in einen großen Topf und rührt kräftig rum. Heraus kommt:
Butzeller schrieb:Denn sich dieses kleine Stück Folie ist Teil eines Teuflischen Planes.
Genau. so ungefähr. Das Urteil soll revisionsfest gemacht werden. Das ist auch nicht einfach, denn es gibt eigentlich viel zu viel "Nichtwissen". So werden Mutmaßungen, Spekulationen, Wahrscheinlichkeiten zu zweifelsfrei festgestellten Tatsachen gekloppt. Alles, aber auch alles soll dicht gemacht werden.
Das müsste jedem Naturwissenschaftler die Schweißperlen auf die Stirne treiben, was hier unter "bewiesen" verbraten wird. Keine große Werbeveranstaltung für die deutsche Gerichtsbarkeit. Aber die Richter hatten vermutlich wirklich keine Zweifel: Herr Darsow war der Mörder. Nur das überzeugend zu begründen, das ist ihnen nicht leicht gefallen...