MisterEko schrieb:Wenn ich auf heimtückische Art und Weise die Tat vorbereite und ausführe, und dann im Laufe der Tat durch z.B. Geräusche die ich verursache weitere im Haus befindliche Opfer auf mich aufmerksam werden, ändert das nichts an der Heimtücke.[...]
Ob die Opfer nun wach waren oder nicht, hat keinerlei Einfluss auf die Heimtücke.
Vorm gesunden Menschenverstand her nicht, vor Gericht spielt so etwas dann aber doch eine Rolle.
Ein gutes Beispiel ist der Doppelmord Schemmer, bei dem die Schwiegertochter nachts in das Haus der Schwiegereltern eingedrungen ist und beide ermordet hat.
Für das Gericht war es sehr wichtig den genauen Tatablauf festzustellen. Angenommen wird, dass zuerst der Schwiegervater erstochen wurde, der zufällig gerade im an das Schlafzimmer direkt angrenzenden Bad austreten war und den die Mörderin beim Verlassen des Bades überrascht hat. Er hatte seine Brille schon wieder abgesetzt und in der Hand, daran hat man seine Arglosigkeit und damit die Heimtücke der Tat festgemacht.
Als zweites hat sie dann die Schwiegermutter ermordet. Diese war offenbar durch das Geschehen im Raum wach geworden und hatte sich im Bett aufgesetzt, was anhand der Spuren am Tatort nachvollzogen werden konnte. Bei ihrer Ermordung konnte deshalb das Merkmal der Heimtücke von Gericht nicht festgestellt werden, eben weil sie beim ersten Angriff auf sie schon wach war.
Insgesamt wurden aber beide Tötungen als Mord gewertet, weil sie Täterin aus Habgier gehandelt hatte.
Mir, und sicher den meisten anderen erscheint das sehr ungerecht. Denn die Schwiegermutter, selbst wenn sie wach geworden ist, hatte meiner Meinung nach keinerlei Chance, sich gegen die Täterin zu wehren. Man muss sich das vorstellen: man wird davon wach, dass im Schlafzimmer der Ehemann ermordet wird. Man kann sich leicht vorstellen, wie verwirrend das im schlaftrunkenen Zustand sein muss, wenn man so aus dem Schlaf gerissen wird und die Schwiegertochter (die mehr als 300 km entfernt wohnte) mit einem bluttriefenden Messer in der Hand und wahrscheinlich in einen Ganzkörperschutzanzug (um keine DNA-Spuren zu hinterlassen) gehüllt, im Raum steht.
Die Frau hätte doch selbst im hellwachen Zustand keine Chance gehabt, den Raum an der Schwiegertochter vorbei zu verlassen. Aber trotzdem erkannte das Gericht nicht auf Arg- und Wehrlosigkeit.
Beleg:
Zitat aus dem Urteil des LG Koblenz:
Aufgrund des nächtlichen, heimlichen Eindringens in das Anwesen der Opfer, sowie aufgrund des für den von der Toilette kommenden ... ..., der bereits seine Brille abgesetzt hatte, um wieder ins Bett zu gehen, nicht vorhersehbaren Angriffs liegt es auf der Hand, dass die Angeklagte, die diese Umstände bewusst herbeigeführt hatte, die Arg- und Wehrlosigkeit von ... ... nicht nur erkannte, sondern auch ausnutzen wollte und damit heimtückisch handelte.
Bei ... ..., die sich vor dem gegen sich gerichteten Angriff bereits im Bett aufgesetzt hatte, kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass sie beim Beginn der ersten gegen ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit gerichteten Handlung der Angeklagten sich noch keines solchen Angriffs versah, so dass die Kammer bei der Tat zu ihrem Nachteil anders als bei ... ... das Mordmerkmal der Heimtücke nicht feststellt.
Bei beiden Opfern hat die Angeklagte jedoch das Mordmerkmal der Habgier verwirklicht.
Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 05.08.2013 - 2010 Js 49274/11 - 3 KLs
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