jaska schrieb:Andererseits wird über Pressekonferenzen und Medienberichte schon mal Stimmung gemacht, eine Erwartungshaltung erzeugt. So haben im Internet viele Personen gemeint, wenn Strate sich um den Fall kümmert muss das unkoscher gelaufen sein, sonst würde der das nicht machen. Und das Gericht hat in deren Augen nur genau eine einzige Option, das (sichere) Unrecht in Ordnung zu bringen, indem es das Verfahren wieder aufnimmt und das erste Urteil revidiert.
In gewisser Weise stimmt das. Allerdings muss man sagen, dass Dr. Strate sicherlich nicht der Strippenzieher hinter der medialen Öffentlichkeit war. Er gehört wie ich einer Generation an, der solcher Medienwirbel eigentlich noch recht fremd ist. Natürlich sonnt man sich auch ganz gern im Licht des Ruhms, wenn man erfolgreich ist. Aber ich empfinde es bei ihm nicht als übertrieben.
Ich habe auch schon an Wiederaufnahmeverfahren mitgewirkt, die wir sogar gewonnen haben. Klar war ich auch stolz, meinen Namen in der Zeitung zu lesen. Meine eine Generation jüngere Assistentin meinte, ich sollte die Artikel einrahmen und im Büro an der Wand aufhängen. Mir liegt das gar nicht, und so hängt da auch nichts, aber für sie, ein Kind der Internetgeneration war das eine ganz natürliche Idee.
Ich verstehe daher aber auch, wenn jüngere Leute, vor allem eben nicht-Juristen, meinen, möglichst grosse Öffentlichkeit ist wichtig. Das kommt ja auch aus einem Gefühl der Hilflosigkeit, und es ist sicherlich auch richtig, dass in den Gefängnissen dieser Welt so mancher einsitzt, der wirklich unschuldig ist, aber kein Mensch wird das je erfahren, weil die Medien diese Fälle gar nicht kennen. Man sieht dann auch, wie gewaltige Medienwirkung in manchen Fällen (muss ich O.J. Simpson erwähnen?) zu zweifelhaften Ergebnissen führen.
Aber es ist aus meiner Erfahrung komplett falsch und sogar böswillig, nun allen Strafverteidigern zu unterstellen, dass sie so etwas anheizen oder gar nur um der eigenen Publicity willen initiieren. In gewisser Weise ist die heute wahrnehmbare öffentliche Diskussion nur Ausdruck unserer sehr "öffentlichkeitsbewussten" Zeit.
Vor hundert Jahren war das nicht anders, aber eben räumlich extrem limitiert. Wenn da in Schongau ein Fall stattfand und die Bevölkerung das Gefühl hatte, das königlich bayerische Amtsgericht hat falsch geurteilt, hat man das auch diskutiert: auf dem Marktplatz, im Wirtshaus usw. Nur, in München schon hat man das gar nicht zur Kenntnis genommen. Heute geht man auf youtube und schon weiss ganz allmy... ich meine die ganze Welt, was da los ist.
Das ist so. Ob man das lamentieren soll, weiss ich nicht. Meine Tochter meint dann nur: "Du bist ja sooo altmodisch"
:)Man soll sich auch nichts vormachen: auch die "Gegenseite" bedient sich immer öfter der Medien, in Deutschland noch nicht so verbreitet wie z.B. in England, Italien oder den USA. Staatsanwälte dort lieben das Licht von Fernsehkameras...