ligala schrieb:Du hattest mich gestern angesprochen zu der Frage, warum Soering das Geständnis spät - erst 1990 widerrufen hat oder nicht wenigstens die Eltern aufgeklärt hat.
Danke. Deine Erklärung, warum Söring seine Geständnisse erst 1990 widerrufen hat, ist eine 1:1-Kopie der Aussagen von Jens Söring, auch die FAZ bezieht sich ausschließlich auf die Aussagen von Söring.
Ein Doppelmörder behauptet viel, wenn der Tag lang ist. Sollte man sowas glauben? Nein!
Zugunsten von Söring gehe ich davon aus, dass er zwar 1987 schon eine gewisse Absicherung gegen die Todesstrafe hatte, das Ganze aber erst am 1. August 1989 - nach dem Hochklagen EuGH - eine für Viriginia zwingend bindende Prämisse der Auslieferung darstellte.
Und natürlich visierte er einen Prozess in D an, wer würde das nicht tun bei einem Blick auf das Strafmaß und die Handhabung desselben in Virginia?
ligala schrieb:Dazu: Dass er seinen Eltern nichts gesagt hat, wissen wir doch gar nicht. Aber was ändert das?
Doch, das wissen wir, weil Söring in MT ganz klar sagt, dass er bis 1990 weder seinen Eltern noch seinen Anwälten die "Wahrheit" sagte.
Seine Begründung DAFÜR lautet, dass die Besuchsräume im Knast seiner Meinung nach abgehört wurden und man das Abgehörte (die inoffiziellen vertraulichen Gespräche mit Familie und Anwälten) gegen ihn (in seinen laufenden offiziellen Verfahren, Klage bis EuGH) verwendet hätte.
Mir geht es nicht mal darum, dass er - der Unschuldige - seine Geständnisse nicht offiziell zurücknahm und damit ggfs. sein Verfahren bis zum EuGH gefährdete, sondern darum, dass er seinen Eltern und Anwälten sehr wohl vertraulich die "Wahrheit" hätte sagen können und müssen.
Somit hätten seine Anwälte und Eltern eine Verteidigung basierend auf der "Wahrheit" aufbauen können. Sie hätten schon ab Oktober 1986 (wo EH "das Versprechen" platzen ließ) vor Ort in Virginia Beweise sammeln können, zB beim Kinobesitzer. Sie hätten bei Sörings Prozess bezeugen können, dass Söring "Das Versprechen" ab dem Zeitpunkt aufgab, wo EH es platzen ließ. Sie hätten nachweisen können, dass Söring nicht fast 4 Jahre an seinen Geständnissen festhielt, sondern nur 4 Monate, dabei geht es um Glaubwürdigkeit.
Es stellt sich die Frage, wieso der schlaue 20-jährige JS auf die Vorteile einer frühzeitigen inoffiziellen Zurücknahme der Geständnisse verzichtete?
Meiner Meinung nach deshalb, weil er seine Story "Das Versprechen" zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht kannte und weil er mind. Mittäter war.
Anders gesagt: Wäre er 1987 nach Deutschland ausgeliefert worden, dann hätte er dort mMn. seine Geständnisse NICHT widerrufen, sondern sich mit einer abgeschwächten Version als Täter oder Mittäter schuldig bekannt. Das war mMn. von Anfang an (vor der Tat) seine Intention und sein Kalkül, sprich das deutsche Jugendstrafrecht hat ihn weniger abgeschreckt, als EH ihn beeindruckte.
In Virginia dagegen war ihm klar, dass er nicht einmal als Alibi-Komplize in Washington DC auftreten konnte, wenn er die Sonne noch mal sehen wollte. Das machte seine Unschuldig-Geschichte - im Gegensatz zu der von EH - noch unglaubwürdiger, als sie es durch die Flucht und die Geständnisse eh schon war.