maxist schrieb:Eventuell gibt es eine Verlegung des Verfahrens nach Magdeburg.
Das wäre allerdings aus rechtsstaatlicher Sicht ein totales Disaster.
Nicht im Hinblick auf eine etwaige Abgabe der Fälle, bzgl. derer jetzt Anklage erhoben wurde und von denen zunächst mal abzuwarten sein wird, was davon zugelassen wird, sondern im Hinblick auf die Verurteilung von 2019 aufgrund der Vergewaltigung von Diana M..
Wenn heute das Landgericht Braunschweig für die neu angeklagten Fälle aufgrund seines einen faktisch wohnsitzbegründenden Lebensmittelpunkts im Landgerichtsbezirk Magdeburg nicht zuständig ist, dann war das Landgericht Braunschweig auch natürlich nicht für das Verfahren zum Nachteil von Diana M. zuständig.
Wenn ein und das selbe Gericht, bei ein und dem selben Angeklagten, bzgl. ein und den selben, in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zu völlig unterschiedlichen Bewertungen kommt, ist das rechtsstaatlich (Stichwort Rechtssicherheit) ein ziemlicher Unglücksfall. Das Dilemma, in dem das Landgericht Braunschweig steckt, ist erheblich und wird nicht dadurch kleiner, dass Fülschers Zuständigkeitsrüge offenbar gute Aussichten auf Erfolg hat.
Die örtliche oder sachliche Unzuständigkeit eines Gerichts ist ein absoluter Revisionsgrund, § 338 Abs. 4 StPO: "
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, ... wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat.https://dejure.org/gesetze/StPO/338.htmlIst das Urteil damit jetzt noch anzugreifen bzw. ist dieser wirklich dann schwere Verfahrensfehler noch heilbar?
Ich glaube nicht. Die Revision. die in der Sache Diana M. ja wohl stattgefunden hat, hat nur zu prüfen, was in der Revisionsbegründung vorgetragen wurde. Eine Wiedereinsetzung aufgrund eines erst nachträglich bekannt gewordenen Revisionsgrundes liegt auch nicht vor - es war ja bei Revisionseinlegung bekannt, wann er sich wo aufgehalten hat. Aus dem gleichen Grund würde natürlich auch ein Antrag auf Wiederaufnahme scheitern.
Also alles gut?
Nicht ansatzweise! Wenn Braunschweig jetzt nach Magdeburg abgibt, folgt daraus, dass seine damalige Revision nahezu zwingend und aus objektiven Gründen Erfolg gehabt hätte, hätte nur sein damaliger Anwalt sie richtig begründet. Es bedeutet dann auch, dass seine Verurteilung nach dem klaren, oben zitierten Text des § 338 StPO "auf einer Verletzung des Gesetzes" beruht. Was daraus Fülscher machen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls lässt sich damit jede Menge Wind vor dem Bundesverfassungsgericht oder auch dem EuGH machen. Vermutlich eher heiße Luft, aber davon viel.
Hier schreiben doch auch einige Rechtskundige mit. Vielleicht sehe ich die Sache zu dramatisch. Mich würde die Einschätzung eines Strafrechtlers interessieren
@Rick_Blaine ?