@blacklady2309 Das gehört zu der mMn eh schon merkwürdigen Behandlung der Fälle des CB. Er war ja zum ersten Mal wegen eines an Portugal gerichteten Auslieferungsersuchens nach Deutschland gebracht worden und zwar wegen eines 2017 in Portugal verübten Kindesmissbrauchs.
Zuvor gab es aber in Deutschland 2011 das Drogenverfahren in Niebüll.
Dann verliess er nach Verbüssung der Strafe für die erste Tat Deutschland wieder, das daraufhin wieder einen europäischen Haftbefehl erliess, und zwar diesmal um die Strafe für die deutsche Drogentat zu vollstrecken. CB wurde in Italien aufgefunden und dann aufgrund des deutschen Haftbefehls im Oktober 2018 nach Deutschland überstellt.
Kaum war er wieder in Deutschland, warf die Staatsanwaltschaft ihm jetzt auch die Vergewaltigung in Portugal in 2017 vor.
Dieses Konvolut an Anklagen und Haftbefehlen hat offensichtlich die deutsche Justiz verwirrt. Es ergaben sich mehrere Verfahren, die erst vor dem OLG Braunschweig und dann dem BGH landeten, und hauptsächlich die Frage betrafen, ob der Spezialittenschutz aus der ersten Auslieferung, also der aus Portugal, noch gelte. Der BGH sah sich ausserstande, diese Frage zu klären und hat sie dann dem EuGH vorgelegt. Der entschied dann 2020 dass der Schutz dieser Auslieferung erloschen war, weil CB freiwillig Deutschland verlassen hatte. Damit galt der neue Haftbefehl, den Italien vollstreckt hatte.
Entscheidung des EuGH:
https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=231565&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1Nun ergab sich aber, dass nach der Übergabe an Deutschland die deutsche Staatsanwaltschaft auch noch Anklage wegen der Vergewaltigung 2017 in Portugal erheben wollte. Eigentlich ist eine Strafverfolgung wegen §83h IRG hier nicht möglich, da diese Tat nicht im Auslieferungsersuchen an Italien enthalten war.
Nun aber gibt §83h (2) Nr.5 die Möglichkeit, eine Strafverfolgung doch durchzuführen, wenn entweder der Angeklagte oder der Auslieferungsstaat, hier also Italien, dem zustimmen. Deutschland ersuchte Italien erst nach der Übergabe darum und Italien stimmte dann 2019 zu.
Weder EuGH noch BGH sind darauf weiter eingegangen. So kam es zu Prozess und Verurteilung. Der BGH beschäftigte sich nur mit der Problematik der Gesamtfreiheitsstrafe aus all dem
https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/6/20/6-41-20-2.phpNun soll nach mehreren Jahren noch einmal eine damals im Auslieferungsersuchen nicht aufgeführte Reihe von Straftaten verfolgt werden.
Meiner Meinung nach hast Du,
@blacklady2309 , ganz Recht, dass dies eigentlich nicht möglich sein sollte, wenn der § 83h IRG irgendeinen Wert haben soll. Tatsache aber scheint zu sein, dass bisher nirgendwo festgelegt wurde, innerhalb welcher Fristen ein ausliefernder Staat nachträglich noch seine Zustimmung geben kann. Wie gesagt, damals im 1. Verfahren wurde der Antrag binnen weniger Tage nach der Ausliefeung gestellt und EuGH und BGH winkten das durch. Jetzt sind bereits Jahre vergangen.
Ich kann mir daher vorstellen, dass, wenn Italien nun auch wieder zustimmt, der Fall noch einmal bei BGH und vielleicht sogar EuGH landen wird, um diese Frage zu klären.