Diskos von Phaistós
06.02.2018 um 15:55
Befasse mich auch gerade mit dem Diskus... und glaube, daß man das Ding "wörtlich" lesen muß. (Vorbehaltlich von Homonymen - wie im Englischen sun/son oder im Altägyptischen, wo das Wort für "Sohn" auch "Gans" bedeutete, weshalb in Hieroglyphentexten Gänse gemalt waren wo Söhne gemeint waren ...) ... denke zumindest ein paar Wörter kann ich deuten.
Ganz in der Mitte beginnt der Text (und nicht am Rand, wo sich die Zeichen dichter drängen weil der Platz nicht mehr ganz gereicht hat), und zwar auf der Seite wo die "Blume" in der Mitte ist, die ich als Sonnensymbol deute. Dazu gehört der Glatzkopf, der sich von dem Krieger mit Stehmähne im Rest des Textes unterscheidet, also eher ein Priester (oder ein König?) ist, und eine Ähre. Ich glaube, daß diese Dreierkombination für das Wort "Priester" steht. (Im Altägyptischen schmückte sich jeder von Rang mit irgendwelchen Namenshinweisen auf den Sonnengott, Re oder Aton oder Amun, welcher Kult gerade "in" war, deswegen macht die Sonne/Blume in dem Wort Sinn.)
Vielleicht auch "König", aber "Priester" ist imho wahrscheinlicher.
Das zweite "Wort" ist ein rennendes Männchen, Bote oder Botschaft, das als Zeichen seiner Wichtigkeit eine Keule neben sich hat, quasi sein Ausweis, seine Befugnis.
Wort Nr. 3 bezeichnet den Ort, wo die Botschaft hingehört: das erste Zeichen, der "Doppelkamm", ist ein stilisierter Gebäudegrundriß, und zwar von einem Tempel oder Palast. Ein simples Außenbild eines Palastes hätte evtl. zu leicht mit einem normalen Haus der damaligen Zeit verwechselt werden können, aber der aufwendige Grundriß - Eingangsbereich mit zu beiden Seiten abzweigenden Seitengängen - war unverkennbar.
Dann kommen zwei Pflanzensymbole, eine Distel/Lotosblume (?) und ein Eichen(?)zweig, die zusammen vielleicht den Namen des Ortes, an dem der Palast steht, bezeichnen, dann zwei "Rinderhäute" (vor Erfindung von Münzgeld wurden Metalle wie Kupfer und Bronze noch nicht in Barren, sondern in Form von Tierhäuten gegossen), und dann kommen zwei Zeichen, die im folgenden Text noch öfter auftauchen, ein Schild mit dazugehörigem Krieger (stolze Irokesenmähne!), die zusammen vielleicht sowas wie Häuptling oder Familienoberhaupt bedeuten, "der die Seinen beschirmt".
Das vierte Wort ist dann wieder "Priester", Blume/Glatzkopf/Ähre,
und das fünfte Wort ist dann vermutlich der Name des Adressaten, denn der Priester in der Mitte hatte es als Hersteller des Diskus anscheinend nicht nötig, seinen eigenen Namen hinzuschreiben.
Der Name des Adressaten liest sich: Zweig eines Laubbaums (Eiche oder was anderes?)/verzweigter Ast /T-Stele.
Wobei der verzweigte Ast imho soviel bedeutet wie: aus der Familie von ..., und die T-Stele ein allgemeines Familien/Dynastiesymbol ist. Solche Stelen fand man in prähistorischen Kultanlagen auf Malta und in Göbekli Tepe, und letztere besitzen individuell eingemeißelte Bilder, weshalb sie heute als symbolische "Seelensitze" für die verstorbenen Mitglieder bestimmter Familien (gekennzeichnet durch das eingemeißelte "Familienwappen" etwa in Form eines Tieres) gedeutet werden.
Es wurde spekuliert, daß die Priester diese "Seelensitze" für ein Vogelorakel benutzten, bei dem zahme Vögel, Tauben ?, freigelassen wurden, und auf wessen T-Stele/Seelensitz sich ein Vogel setzte, dessen Ahnen waren quasi gerade in der Leitung.
Tatsächlich findet man auf dem Diskus zwei verschiedene Vogeldarstellungen, einen fliegenden Falken (spitze Flügel, die herabhängende Lederfessel ist angedeutet) und eine sitzende Taube (?), und auch die Stele taucht immer wieder auf.
Bis jetzt lautet der Text also: Priester (Namenlos) schickt eine Botschaft an den Palast Lotos/Eichenlaub, da wo der reiche (Rinderhäute/Metallbarren!) Patriarch haust, an Priester Eichenlaub.
Dann kommt wieder der keulenschwingende Bote, aber in einem Feld mit dem Patriarchen mit Schild, sprich die Botschaft soll an ihn weitergegeben werden.
Und zwar nicht an irgendeinen Typ, sondern an den, dessen Name mit der Kombination Falke/Stierhorn/Schild bezeichnet ist, weil diese Kombination weiter hinten noch mehrmals auftaucht, mal mit und mal ohne den Krieger mit der Stehmähne. Vielleicht wurde damit gesagt, ob man mit dem Mann oder über ihn spricht.
Leider endet damit meine Übersetzung, weil die folgenden Worte zu viele unbekannte Zeichen enthalten. Um eine zuverlässige Übersetzung zu wagen, müßte ich genau wissen, was der "Winkel", der Ufo-artige "Deckel" und verschiedene andere Zeichen bedeuten, und zwar als Bildwerte, nicht in der Übersetzung. Das Bild der Muttergöttin ist klar, das des Schiffes (?), das des Thunfisches/Delphins (?), aber was der komische "Sack", der ominöse "Katzenkopf" (der glaube ich, in sicherer Bedeutung auf Malta auftauchte, kann mich aber nicht mehr erinnern in welcher Bedeutung) bedeuten, und ob die Wellenlinie und der ominöse Handschuh (vielleicht in Wahrheit eine Muschel?) so richtig gedeutet sind.. keine Ahnung. Und ich weigere mich, ein Symbol "modern" und somit potentiell falsch zu lesen, wie den Winkel, der vermutlich nicht als Pfeil gedacht ist, wie manche heutige Menschen denken würden.
Auch frühere Möchtegern-Übersetzer hatten mit der Deutung der Bilder Probleme, etwa in Wort 9, wo eine Art "Doppelhügel" zu sehen ist, der als "Handfessel", Berge oder Fußschemel (WTF?) gedeutet wird, nach meiner Ansicht aber eher zwei in der Erde versenkte Vorratsbehälter zeigt, wie sie in den Ruinen von Palästen wie Knossos ausgegraben wurden.
Nur ein "Wort" auf dieser Seite sticht noch heraus, in der zweiten Reihe von außen, weil es nur aus zwei Zeichen besteht: der Fisch/Delphin mit einer T-Stele, womit höchstwahrscheinlich ein Familienklan namentlich bezeichnet ist (siehe oben, T-Stelen als "Familienzeichen").
Bedeutung des Diskus? Sowas wie eine verschlüsselte Mail aus der Vorzeit, unfälschbar wegen seiner aufwendigen Herstellungstechnik mit Stempeln und nur für Eingeweihte wirklich zu entschlüsseln. Dazu aus wertlosem gebranntem Ton bestehend, also völlig uninteressant für Diebe, die seinen Inhalt nicht lesen konnten.