cortano schrieb:Ich weiss echt nicht was so schwer zu versehen ist. Und zwar in zweierlei Hinsicht:
"Biologische" Erklärungen für Verhältnisse/Beziehungen in denen menschliche Intentionalität eine wesentliche Rolle spielt, ist - je nach konkretem Fall - immer mehr oder weniger Biologismus.
Andererseits ist die Übertragung menschlich intentionaler Verhältnis-Beschreibungen auf nicht-intentionale und insbesondere auf unbewußte natürliche Vorgänge genauso oft eine "Krücke".
Richtig immerhin ist, daß die Extrapolation menschlicher Verhaltensweisen etc. auf Prozesse in der Natur eine Art "Krücke" sind. Die Evolution/Natur bringt nicht hervor, experimentiert nicht, läßt nicht aussterben, bevorzugt niemanden, fördert nichts, und "natürliche Zuchtwahl" gibt es streng genommen genauso wenig. Dennoch werden damit reale Prozesse erfaßt, beschrieben und veranschaulicht. Nur wird halt, wenn man nicht aufpaßt, die Natur/Evolution zu einem planenden Akteur "vermenschlicht". Doch allgemein ist es den meisten schon klar, daß dies nur "Bildsprache" ist.
Dennoch existieren die damit bezeichneten Prozesse und Phänomene.
Und es ist nun mal so, daß eine Spezies durch eine einzelne andere SPezies oder Organismengruppe in einer oder mehreren Eigenschaften beeinflußt und abgeändert werden kann. Als die Blütenpflanzen im Erdmittelalter aufkamen, wurden viele dieser Spezien durch nektarsammelnde Insekten und samenfressende Tiere dahingehend beeinflußt, daß diese Tiere notwendig für die Fortpflanzung dieser Blütenpflanzen wurden. Individuen einer Pflanzenart, die besonders viel Nektar produzierten oder ihren Samen in besonders viel Fruchtfleisch einbetteten, wurden von den Tieren bevorzugt aufgesucht und pflanzten sich gegenüber ihren Artgenossen bevorzugt fort. Heute sind diese Pflanzen abjängig von jenen Tieren und können ohne diese nicht mehr überleben. Verursacht durch das "Gezüchtetwerden" von Tieren. Das ist kein Biologismus, das ist Biologie.
Aber sobald es Menschen sind, die durch vergleichbare bevorzugte Fortpflanzungsermöglichung auf Pflanzen Einfluß nehmen, nennst Du das dann Biologismus? Wo sieht die Natur da denn einen Unterschied? Mal "vermenschlichend" gefragt. DerMensch ist wie ein Kolibri, eine Biene... auch nur ein Evolutionsfaktor, den die Natur hervorgebracht hat. Seine Möglichkeiten zur Einflußnahme sind nurumfangreicher geworden, und er nimmt bewußt und gezielt Einfluß. Na und? Das hat ihm die Natur mitgegeben, so wie die Natur dem Kolibri seinen jenachSpezies geformten Schnabel mitgegeben hat, mit dem er dann seine Art der spezifischen Einflußnahme auf die Pflanzenwelt ausübt. Wo ist da der Unterschied?
Du mußt schon den Menschen von der Natur losgelöst betrachten, als sei er ein von außen kommender Fremdkörper und kein "Kind der Evolution". Erst dann kannst Du hier "Biologismus" schreien. Aber der Mensch ist kein Kulturwesen im Gegensatz zur Natur, sondern er ist ein Kulturwesen aus der Natur, mit Kultur als Mitgift von der Natur.
Kolibris saugen Nektar mit Schnabel und Zunge. Raubtiere haben Fang und Kralle, um Tiere zu reißen. Biber bauen Dämme und verändern damit ganze Biotope. DerMensch dagegen hat keine Biberzähne, keine Raubtierkrallen, keinen Nektarrüssel. Der Mensch hat Kultur, um sich Nahrung zu verschaffen und mit diversen weiteren Verhaltensweisen in Interaktion mit der übrigen Natur zu treten. Das ist sein "physisches Körperteil" für Fortbewegung, Nahrungserwerb, Umweltanpassung usw. usf.
Wenn Du das nicht begreifst, muß für Dich "Kultur" etwas "völlig anderes" sein, das im Gegensatz zur Natur steht, zu den Körperorganen und Verhaltensweisen der übrigen Biomasse. Das aber ist ein Fehlschluß aufgrund mangelnder Erkenntnis.