26.09.1991
Wenn ich so zurückblicke, dann waren es wohl die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhundert, die mich entscheidend geprägt haben. Nicht nur, aber auch wegen des Mauerfalls waren damals alle in einer Art Aufbruchstimmung, der kalte Krieg war vorüber, der digitale Umbruch nahm an Fahrt auf, und alles schien möglich zu sein. Die Welt wurde schlagartig größer, kein Ziel schien mehr unerreichbar (und nein, bewusstseinserweiternde Substanzen waren da nicht von Nöten
:D).
Vielleicht war es diese Grundstimmung, die den Milliardär Edward Bass dazu bewegte, ca. 150 Millionen Dollar in ein Projekt zu investieren, welches Erkenntnisse liefern sollte, ob ein Überleben in isolierten Habitaten z.B. auf dem Mond oder dem Mars möglich wäre. Interessanterweise betrachtete man unseren Planeten bereits zu dieser Zeit als nahezu isoliert, denn das Projekt bekam den Titel "Biosphäre 2", Biosphäre 1 war die Erde.
Es ist kurz vor 8 Uhr, ein scheinbar ganz normaler Tag beginnt. In der Wüste von Arizona klettert die Sonne wie eh und jeh am Horizon empor. Schon seit geraumer Zeit werden ihre Strahlen jedoch von gigantischen Kuppeln aus Glas und Stahl gebrochen und reflektiert. Sie gehören zu einer futuristisch wirkenden Anlage, vor der an diesem Morgen 8 Männer und Frauen in blauen Uniformen stehen, und lächelnd in die Kameras winken. Kurz darauf verließen diese 8 unsere Biosphäre über Luftschleusen, und betraten quasi eine andere Welt.
Diese "andere Welt" bot eine große Vielfalt, u.a. einen "Ozean" mit Korallenriff, einen Mangrovensumpf, eine Wüste und einen Regenwald, außerdem Felder, Labors und Wohnungen. Die 8 Bionauten, wie sie sich nannten, teilten sich den Raum mit ca. 4000 Pflanzen- und Tierarten. Alles schien zunächst wie geplant zu verlaufen, bis irgendwann das eintrat, was nicht geplant war.
Die Anlage war so konzipiert, dass bis auf die Energiezufuhr nichts hinein, und nichts hinaus gelangen sollte. Dennoch verschwand der Sauerstoff irgendwo hin. Pflanzen welkten, Bäume wurden morsch, Wirbeltiere starben aus, die Nahrung wurde knapp, und selbst das atmen fiel schwer. Allmählich verschärften sich die Spannungen zwischen den Teilnehmern, es kam zur Gruppenbildung. Hinzu kam dann noch die unkonntrollierte Vermehrung von Ameisen und Kakerlaken.
Entgegen aller Vorsätze wurden im Laufe der 2 Jahre tausende kleine Dinge in die Biosphäre gebracht, u.a. Saatgut, Schlaftabletten und Mausefallen. Zudem musste auch mehrmals CO
2 abgesaugt und Sauerstoff eingeleitet werden. Trotz all dieser Widrigkeiten wurde das Projekt aber bis zum geplanten Ende durchgezogen, und genau heute vor 26 Jahren siedelten die 8 wieder in ihre alte Biosphäre um, die sie 2 Jahre und 20 Minuten zuvor verlassen haben, ... allerdings weniger gut gelaunt, abgemagert und mit einer ungesunden Blässe im Gesicht.
Womöglich war dies ja nur ein kleiner Vorgeschmack, was uns angesichts des Klimawandels in den kommenden Jahrhunderten noch bevorsteht. Vielleicht werden wir sogar einmal gezwungen sein, uns in künstliche Habitate zurückzuziehen, dann wären diese mühsam erarbeiteten Erkenntnisse nicht so "wertlos", wie viele gedacht haben. Das Time-Magazin zählte es jedenfalls zu den "100 schlechtesten Ideen des Jahrhunderts", andere zogen angeblich wertvolle Schlüsse, auch wenn der wissenschaftliche Wert überwiegend in Frage gestellt wurde.
Hier noch ein Link zu einem Video, in dem eine Teilnehmerin über ihr "Leben" in der Biosphäre 2 berichtet (mit deutschen Untertiteln):
https://www.ted.com/talks/jane_poynter_life_in_biosphere_2?language=deHeute kann man Biosphäre 2, die inzwischen der Universität von Arizona gehört, für 20 Dollar Eintritt besichtigen. Die Anlage wurde nach dem Experiment noch für verschiedene wissenschaftliche Versuche genutzt, einige waren von der Art her ähnlich, aber dauerten bei weitem nicht so lange.
Zum Schluss noch 2 Zitate einer Teilnehmerin, die mich in Bezug auf den Sinn solcher Experimente zum Nachdenken gebracht haben:
Wir hatten immer Hunger, selbst nachdem wir etwas gegessen hatten. Das war wirklich schlimm. Nachmittags um vier, wenn ich Unkraut auf einem Feld jäten oder abgestorbene Blätter im Regenwald abschneiden wollte, hatte ich einfach keine Energie mehr.
Unsere Gruppe zerbrach in zwei Teile, auf jeder Seite waren zwei Männer und zwei Frauen. Das ist relativ normal für isolierte Gruppen. Das passiert im Weltall, in der Antarktis. Aber es bricht dir das Herz, wenn deine besten Freunde auf der anderen Seite stehen.
Sehen wir also zu, dass wir niemals gezwungen sein werden, "Biosphäre 1" verlassen zu müssen!