08.08.1900
Es gibt da ein Thema, um das ich normalerweise einen großen Bogen mache, und wer mich besser kennt, weiß bereits jetzt um was es geht. Und weil ich diese Phobie gegenüber der Mathematik mit vielen teile, kommt auch gleich die Beruhigungspille hinterher, in diesem Beitrag soll es nämlich nicht um Mathematik gehen,sondern um einen der bedeutendsten Vertreter jener Menschen, die mit der Gabe gesegnet wurden, in Sphären vordringen zu können, wo andere schon längst den Verstand verloren hätten...
David Hilbert wurde weder an einem 8. August geboren, noch ist er an einem solchen gestorben, aber er hat am 8. August des Jahres 1900 etwas vorgestellt, was sich für die Mathematik des 20. Jhd. als wegweisend herausstellen sollte. Seine Rede beim Internationalen Mathematiker-Kongress in Paris begann er mit folgenden Worten:
Wer von uns würde nicht gerne den Schleier lüften, unter dem die Zukunft verborgen liegt, um einen Blick zu werfen auf die bevorstehenden Fortschritte unserer Wissenschaft und in die Geheimnisse ihrer Entwicklung während der künftigen Jahrhunderte! Welche besonderen Ziele werden es sein, denen die führenden mathematischen Geister der kommenden Geschlechter nachstreben? Welche neuen Methoden und neuen Tatsachen werden die neuen Jahrhunderte entdecken – auf dem weiten und reichen Felde mathematischen Denkens?
An diesen Worten kann man schon erkennen, dass Hilberts Blick klar nach vorn gerichtet war. Er referierte daher auch nicht über die bisherigen Erfolge der Mathematik, sondern stellte eine Agenda vor, an der er bereits seit Monaten gearbeitet hatte, die sogenannten "Hilbertschen Probleme". Diese Liste umfasste 23 Probleme, die zu der Zeit noch nicht hinreicheng gelöst waren, später fand man im Nachlass Hilberts noch ein 24. Problem, welches heute als Ergänzung der ursprünglichen Liste gesehen wird.
Wikipedia: Hilbertsche ProblemeAuf die Liste selbst kann und will ich hier gar nicht weiter eingehen, das sollten die machen, die sich besser damit auskennen. Ich will hier eher an den Menschen David Hilbert erinnern, der "seiner" Wissenschaft, der Mathematik, viele wichtige Impulse gab.
Geboren wurde Hilbert am 23.01.1862 in Königsberg (Ostpreußen), einer Stadt, die bereits
viele große Persönlichkeiten hervorgebracht hat, einer der bekanntesten ist sicher Immanuel Kant. Sein Vater, Amtsgerichtsrat Otto Hilbert, stand der Laufbahn seines Sohnes eher kritisch gegenüber, während die Mutter, die aus einer Kaufmannsfamilie stammt, vielseitigere Interessen hatte, so u.a. auch Mathematik, Astronomie und Philosophie.
Hilbert besuchte in seiner Heimatstadt zunächst das Friedrichskollegium und wechselte ein Jahr vor dem Abitur auf das mehr naturwissenschaftlich-mathematisch orientierte Wilhelms-Gymnasium. Über seine schulischen Leistungen ist nur wenig bekannt, er selbst äußerte sich später daraufhin angesprochen: „Ich habe mich auf der Schule nicht besonders mit Mathematik beschäftigt, denn ich wußte ja, daß ich das später tun würde.“.
Mit 18 Jahren begann Hilbert im Jahre 1880 ein Studium der Mathematik an der Albertus-Universität in Königsberg. Sein Lehrer Heinrich Weber erkannte früh die Begabungen Hilberts, und förderte ihn entsprechend. Ebenfalls in Königsberg lernte er weitere wichtige Persönlichkeiten kennen, wie z.B. Hermann Minkowski und Adolf Hurwitz, mit denen er viel Zeit verbrachte und die er später auch noch zu seiner "Problem-Liste" konsultierte.
Nach seiner Promotion (1885) begab er sich auf eine Studienreise, die ihn u.a. nach Leipzig und Paris führte. In Leipzig traf er den Mathematiker Felix Klein, mit dem Hilbert eine intensive Korrespondenz führte. Klein war es auch, der Hilbert den Abstecher nach Paris empfahl. Nach seiner Rückkehr 1886 promovierte Hilbert in Königsberg mit einer Arbeit die den Titel trug "invariantentheoretische Untersuchungen im binären Formengebiet" ... ich verstehe zwar, was die einzelnen Begriffe bedeuten, könnte aber nicht sagen, worum es in dieser Arbeit geht
:DAm 12.10.1892 heiratete er Käthe Jerosch, mit der er schon längere Zeit befreundet war. Sie unterstützte ihren Mann fortan, indem sie sämtliche Korrespondenz in Reinschrift zur Abgabe in Druckereien aufbereitete. Ebenso nahm sie der gemeinsame Sohn Franz Hilbert in Anspruch, der an einer seltenen psychischen Erkrankung litt, wegen der er auch später in eine Spezialklinik eingewiesen wurde.
Die Berufung an die Universität Göttingen erfolgte 1895 auf Betreiben von Felix Klein, den er 10 Jahre zuvor in Leipzig kennengelernt hatte. Klein setzte damals zusammen mit dem Staatssekretär Friedrich Althoff alles daran, Göttingen zu einem Zentrum der mathematischen Forschung zu etablieren, was (wie wir heute wissen) ja auch gelang.
1902 gelang es Hilbert, seinen Freund Minkowski nach Göttingen zu holen, wo sie die folgenden 7 Jahre eng zusammen arbeiteten. Der frühe Tod von Minkowski im Alter von 44 Jahren war dann ein schwerer Schlag für Hilbert. Nach dem Tode von Minkowski veröffentlichte Hilbert noch dessen Arbeiten unter dem Titel "Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski."
Hilbert lebte sich in Göttingen trotz anfänglicher Schwierigkeiten gut ein, und betreute in dieser Zeit insgesamt 69 Doktoranden, unter ihnen auch sehr namenhafte wie z.B. Otto Blumenthal (1898), Felix Bernstein (1901), Hermann Weyl (1908), Richard Courant (1910), Erich Hecke (1910), Hugo Steinhaus (1911), Wilhelm Ackermann (1925). Weiterhin erwähnenswert ist, weil in der damaligen Zeit noch nicht selbstverständlich, dass unter den Doktoranden auch 6 Frauen waren. Besonderen Einsatz zeigten Hilbert und Klein beim Versuch, der Mathematikerin Emmy Noether einen Lehrauftrag in Göttingen zu ermöglichen. Bei den Diskussionen um den Habilitationsgesuch Noethers fiel auch der berühmte Ausspruch Hilberts: "eine Fakultät ist doch keine Badeanstalt!".
Trotz zahlreicher Angebote von anderen Fakultäten, blieb er der Universität Göttingen stets treu, und hatte damit auch einen großen Anteil an deren Entwicklung zu einem führenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehr- und Forschungszentrum. Neben vielen anderen Aktivitäten hielt Hilbert bis ins hohe Alter noch Vorlesungen, so wie auch auf folgendem Bild (1932) zu sehen:
Mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus änderte sich auch vieles in Göttingen. Nicht-arische Mathematiker sowie Andersdenkende wurden gezwungen, ihre Tätigkeit aufzugeben. Auf einem Bankett des neuen preußischen Unterrichtsminister Bernhard Rust im Jahre 1934 wurde Hilbert gefragt, ob es denn stimme, dass sein Institut "unter dem Weggang der Juden und Judenfreunde" gelitten habe. Daraufhin antwortete er: "Das Institut – das gibt es doch gar nicht mehr."
Hilbert erlebte das Ende des Krieges nicht mehr, er starb am 14.02.1943 in Göttingen. Hierzulande wurde das kaum zur Kenntnis genommen, dafür umso mehr im Ausland, wohin viele seiner Wegbegleiter emigriert waren.