09.09.2017
Es war ein Spätsommertag, der 2. Samstag im September um genau zu sein. An diesem Tag wachte ich sehr früh auf, hatte in der Nacht schon nicht gut geschlafen. Selbst nach der Dusche spürte ich die Müdigkeit noch in jedem einzelnen Knochen. Es war wohl die Vorfreude auf das bevorstehende Wochenende und/oder der Gedanke an frischen Kaffee, der mich davon abhielt, gleich wieder ins immer noch warme Bett zu steigen, statt dessen stieg ich ins Auto, um in die Firma zu fahren.
Der Weg führte mich 45km weit über holprige Landstraßen. Brandenburg ist eh schon dünn besiedelt, aber Samstags um 7 Uhr kommt es einem noch verlassener vor als sonst. Ein paar bunt präparierte Strohballen an der Ortseingängen kündeten noch vom großen Dorffest am vergangenem Wochenende. Die Fahrt führte mich vorbei an Maisfeldern, Apfelbäumen und unzähligen Windrädern, die dem Wind pausenlos einen Teil seiner Energie raubten. Aus den Lautsprechern tönte leise Harald Lesch, wie fast immer nach den Nachrichten, aber diesmal war ich auf etwas anderes konzentriert.
Eine Meldung vom Vortag wollte mir einfach nicht mehr einfallen. Ich wusste nur noch, dass ich mir das in der Firma noch mal anschauen wollte, aber worum es ging ... keine Ahnung. Unschöne Gedanken gingen mir durch den Kopf, ... sind das die ersten Anzeichen? Lesch erzählte währenddessen etwas über Raumzeitkrümmung, da musste ich sofort an die vielen abendlichen Gespräche mit meinem Vater denken, der sich ebenfalls sehr für Physik interessierte, vermutlich habe ich die Begeisterung für solche Themen auch von ihm übernommen.
7:40 Uhr, ich bin fast angekommen, immer noch denke ich über meinen Vater nach, der knapp 2 Jahre zuvor verstorben war. Was hätte er wohl zu all dem gesagt, oder besser ... welche Fragen hätte er mir gestellt, denn er konnte mich mit seinen Fragen sehr oft in die Enge treiben, so dass ich gezwungen war, mich tiefer in die Themen einzulesen, was mich letztlich aber immer weiter brachte.
An diesem Tag hatte ich viel Zeit, über eine Stunde mehr als sonst, der Geruch von frischem Kaffee weckte dann auch die letzten Lebensgeister. Die Rechner fuhren hoch und der vertraute Startsound von Windows signalisierte Bereitschaft, Antworten auf meine Fragen zu liefern. Noch vor dem Mailcheck war ich in den Nachrichtenportalen um meine Erinnerungslücke zu schließen. Sturmtief Quasimodo versprach rauhes Wetter, jedoch kein Vergleich mit dem, was Florida bevorstand. Hurrikan Irma war das Thema in den Schlagzeilen. In Mexiko bebte die Erde, und Leute wie Orban und Erdogan zeigten ihr wahres Gesicht, oder besser gesagt, ihre hässlichste Fratze.
Aber dann, ich füllte gerade wieder meine Tasse mit leckerem Kaffee, fand ich es bei Tagesschau.de:
"Europas Tor zum Weltraum" - 50 Jahre ESOC in Darmstadt.
http://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/esa-105.html (Archiv-Version vom 15.12.2017)Bereits 8 Jahre vor Gründung der ESA wurden von dort aus Weltraummissionen geleitet, und das mit einer Technik, die heute eher an die Vermittlungsstelle einer Telefongesellschaft erinnert. Okay, vermutlich sieht es heute bei Telefongesellschaften auch nicht viel anders aus, als bei der ESOC in Darmstadt (
Beitrag von Peter0167 (Seite 1) ). Aber was diese Bilder von damals und heute tatsächlich zeigen, ist der enorme, fast schon inflationäre technische Fortschritt in immer kürzeren Zeitspannen.
Selbst die Altersgruppe, der auch ich angehöre, die noch im Zeitalter von Röhrenfernsehern und Telefonzellen sozialisiert wurde, vergisst angesichts der schnellen Entwicklung leider viel zu häufig, wie es einmal war. Andere können dies gar nicht wissen, weil sie es nie erlebt haben. Und das betrifft nicht nur Fragen der Technik, sondern auch Fragen zu unserer Gesellschaft. Und dieser Thread soll ein wenig dazu beitragen, dass nicht alles in Vergessenheit gerät, was einmal war. Und zwar nicht weil früher alles so toll war, sondern um das was wir hier und heute haben, auch wertschätzen zu können.
Es war nämlich keineswegs immer so wie heute, Bildung war nicht zu allen Zeiten ein selbstverständliches Recht, ebenso wie die Rechte von Frauen. Beim Lesen mancher Beiträge habe ich nur den Kopf schütteln können, weil es mir unfassbar erschien was ich da las. Und wir reden hier nicht vom Kambrium oder der Antike, nein, das ist alles erst vor wenigen Generationen geschehen, und selbst heute gibt es Regionen auf dieser Welt, wo grundlegende Menschenrechte keine Rolle spielen, und diese Regionen sind nicht einmal weit weg, sondern in unserer direkten Nachbarschaft. Auch hierzulande finden sich nach wie vor unzählige Anhänger für nahezu jedes "Gedankengut", egal wie abartig und ekeleregend es auch ist.
Ich halte es für sehr wichtig, sich gewissen Entwicklungen entgegen zu stellen, dazu gehört auch, sich intensiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Nur so ist ein tieferes Verständnis möglich, welches uns erlaubt, Gefahren frühzeitig zu erkennen, und entsprechend gegensteuern zu können. Auch, bzw. gerade in den Naturwissenschaften sind Kenntnisse zu den zeitlichen Rahmenbedingungen unabdingbar, insbesondere auch heute im sogenannten Informationszeitalter, wo wir von allen Seiten mit "Fake-News" und anderen falschen Informationen überschwemmt werden.
Das alles ging mir auch an diesem Spätsommertag im September 2017 durch den Kopf, als ich spontan beschloss, diesen Thread ins Leben zu rufen. Einerseits hilft diese Art der Aufarbeitung mir bei meinem Bestreben die Dinge besser zu verstehen, und andererseits hoffe ich auch darauf, bei anderen das Interesse für die Naturwissenschaften zu wecken. Je mehr man selbst weiß, desto weniger muss man glauben. Wissbegier und Skepsis sind es, die einen voran bringen, ebenso wie Irrtümer, insofern man aus ihnen lernt.
Also vergesst mal eure Ängste, die Möglichkeiten sich Wissen anzueignen waren niemals zuvor so vielfältig. Einfach mal anfangen, und sehen wie es läuft .... aufgeben kann man immer noch
:D. Und die Wissenschaftsgeschichte ist nicht der schlechteste Einstieg, denn wer wissen will wohin der Weg führt, muss auch den Weg kennen, der bereits gegangen wurde. Kein geringerer als Sir Isaac Newton hat dies einmal mit einem seiner berühmten Zitate zum Ausdruck gebracht:
"Wenn ich weiter sehen konnte, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand."
Einige "Riesen" haben wir im letzten Jahr bereits mehr oder weniger kennengelernt:
Hans Peter Dürr
Alfred Nobel
Alexander Fleming
Jocelyn Bell
Harald Lesch
Otto Hahn
Lise Meitner
Ida Noddack
Rosalind Franklin
Mileva Maric
Ernest Rutherford
David Bohm
Marie Curie
Pierre Curie
Irene und Eve Curie
Fritz Straßmann
Henri Becquerel
Michael Faraday
Wilhelm Eduard Weber
Paul Nipkow
Alexander Graham Bell
Peter Grünberg
Emmy Noether
Joseph Louis Lagrange
Louis Pasteur
Ferdinand Braun
Max Planck
Carl Friedrich Gauß
Richard Feynman
Albert Einstein
Hedy Lamarr
Willis Eugene Lamb
Hermann von Helmholtz
Neil Armstrong
David Hilbert
Wolfgang Paul
Charles Augustin de Coulomb
... aber auch Institutionen und Projekte wie ESOC, die ISS, Skylab und das Alfred Wegener Institut waren Themen des letzten Jahres. Bisher haben 22 Mitglieder 159 Beiträge verfasst, die von 256 Mitgliedern gelesen wurden. Das ist schon mal ne Hausnummer, aber da sehe ich noch Luft nach oben. Ab heute laufen wir zudem Gefahr, uns zu wiederholen, daher bitte die Suchfunktion benutzen
:D. Aber letztlich spielt das auch keine Rolle, denn zum Erinnern gehören nun mal auch die Wiederholungen.
Und das soll es auch schon gewesen sein mit der Thread-Bilanz zum ersten Jahrestag des Jahrestag-Threads. Auch wenn es etwas länger als geplant geworden ist, so glaube ich, das musste mal gesagt werden. Ich wünsche allen Allmyanern weiterhin viel Spass mit dem Thread, und wenn zudem noch was von dem Gesagten hängenbleibt, dann hat er seinen Zweck erfüllt.