Nobby_Nobbs schrieb:Aber die Leute vertrauen ihrem Arzt nunmal, wie ihrem Steuerberater zum Beispiel auch.
Dies soll auch so sein und muss so sein. Was wäre selbstverständlicher.
Nun gehen aber Leute hin, wie im von
@geisterfrei geposteten Bericht, und finden den Arzt irgendwie nicht sympathisch. Dann ein Architekt, Bildungsgrad, berufliche Qualifikation und damit verbundene Verantwortung nicht weit unter Arzt, und sucht sich aktiv im Internet die Alternativ-Therapie heraus, die ihm gerade gelegen erscheint. Die landen bei irgendeinem Arsch von Heilpraktiker, der ihnen den kürzesten Weg aus dieser Welt weist, den er so drauf hat. Ein Fleischerei-Geselle hätte es ehrlicher, schmerzloser und preisgünstiger hinbekommen. Ehre, wem Ehre gebührt.
Es gibt Lebenslagen der Verzweiflung usw. usf. müssen wir nicht weiter ausbreiten. Aber wer selbst aktiv daran mitarbeitet, sein Schicksal in diese Richtung zu lenken, hat "es nicht anders verdient", wäre eine zu zynische Formulierung. Doch kann man sie stehenlassen, weil sie sehr drastisch klar macht, dass man letzten Endes sein eigenes Schicksal selbst bestimmen muss. Und den Preis bezahlen muss, wenn man dumm ist. (Man hätte nicht gleichzeitig klug sein können und einem HP sein Schicksal anvertrauen - das ist leider mal so.)
Aber: Es darf verdammt nochmal nicht davon abhängen, ob jemand intelligent, gut ausgebildet, gut informiert - oder auf welche Weise auch immer "gut drauf ist", um höhere Überlebenschancen zu haben als der Normalbürger, der einfach zum Arzt geht, weil der dafür da ist, wenn es ernsthafte Probleme gibt (die Grauzone indifferenter Befindlichkeitswahrnehumgen können wir an dieser Stelle mal ausblenden und damit das Thema unnötiger Artzbesuche).
Ist hier jemand, kurze Zwischenfrage, anderer Meinung?
Dann führt dieses zutreffende Statement:
off-peak schrieb:Ehrlich gesagt, an Dramen dieser Art sind Regierungen nicht unschuldig. Solange man medizinischen Laien erlaubt, Patienten nach Lust und Laune ungeprüfte Mittel zu verabreichen, fördert man diese Art von Wahnsinn geradezu.
...zu der logischen Konsequenz, dass die Möglichkeit ausgeschlossen werden muss, dass (selbstherrliche) Scharlatane über Leben und Tod entscheiden. Nicht im Europa des 21. Jahrhunderts. Und sonstwo auch nicht. Dies führt weiter dazu, dass dem Heilpraktikertum in der Form, wie es zugelassen ist, die Basis entzogen werden muss. (Was, liebe Kita-Rhetotiker keine Aussage darüber ist und in keinem argumentativ-logischen Zusammenhang damit steht, dass auch unter der Betreuung fachlich qualifizierter Ärzte Menschen sterben und/oder Behandlungsfehler möglich sind. Oder die Pharma-Industrie Studien in Auftrag gibt. Auf entsprechende Gegenargumente ist daher bitte zu verzichten, um Anstand, Sitte und Niveau zu bewahren.)
Juristisch stringent wäre an dieser Stelle die Forderung nach einem "Verbot" wohl kaum, implizierte ein solches doch, dass es eine Genehmigung gegeben habe. Diese würde ferner einen Genehmigungsantrag voraussetzen. Bezüglich etwas in diesem Falle noch zu Definierendem. Denn kein HP-Anwärter stellt sich, jedenfalls nicht zu erwarten bei der Zulassungsprüfung, mit einer eigenen Heilmethode vor. Und wenn er es täte, liefe er beim stempelgebenden Amtsarzt ins Leere mit seiner Initiative. De facto (alles einschlägig nachzusehen bei Bedarf) handelt es sich bei der HP-Zulassung aber nicht um eine ausdrückliche Genehmigung, etwas auszuüben, sondern um den - viel zu oft gescheiterten - Versuch, das Schlimmste zu verhindern.
Kurz: Das Heilpraktikertum gehört abgeschafft. Auf der Stelle. Sollte es Interessengruppen geben, die den Bedarf anmelden, dieses obsolete "Berufsbild" des Heilpraktikers durch ein staatlich anerkanntes und fachlich geprüftes zu ersetzen, wäre an erster Stelle wohl die Frage zu beantworten, welche Qualifikation, wenn nicht die des Arztes, geeignet ist, die in der Behandlung jeglicher Patienten weichenstellende Anamnese durchzuführen.
Sollten Interessensgruppen oder andere Bedenkenträger anmelden, das in der gelebten Berufspraxis - im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ausgeübt - Handeln der Ärzteschaft sei unzufriedenstellend, wäre es nur folgerichtig, an diesem Punkt anzusetzen und Verbesserungen anzustreben, anstatt zusätzlich eine per Definition minderqualifizerte Alternative etablieren zu wollen. Berufsbilder für untergeordnete, z. T. ausführende Tätigkeiten (MTA, div. Therapeuten) sind in staatlich anerkannter Form bekanntlich längst eingeführt.
Kurz: Den "Arzt light" kann es nicht geben - die untergeordneten Berufe gibt es längst. Leider aber nur mit Qualifikation und so Elite-KramHeilungsversprechen wider besseres Wissen und Gewissen: Hier kommen wir endlich noch mal kurz auf Homöopathie & Co. zu sprechen. Je höher der Ausbildungsgrad des fürsprechenden Therapeuten, desto höher die Mitschuld an der Nicht-Heilung in jedem Fall. Einen Hauptschul-Absolventen, der der die Heilpraktiker-Zulassung erlangt und es dennoch versäumt, Patienten an einen Arzt zu verweisen, sofern dies erfolderlich wäre, trifft eine geringere Schuld als den Arzt, der es versäumt, sein besseres Wissen zu verleugnen und Homöopathie et al. anzuwenden und dem Patienten auf diesem Wege die Behandlung zu verweigern, sollte sie seinem per Medizinstudium erworbenen Fachkenntnissen zufolge erforderlich sein.
In beiden Fällen ist indessen die Schuldlast gleich. Im Falle des unqualifizierten Heilpraktikers läuft der Differenzbetrag in anteilig höherer Summe beim Gesetzgeber auf; im zweiten Fall ist ein höherer Grad an persönlicher Verantwortung beim nicht behandelnden Arzt in Rechnung zu stellen; was den Gesetzgeber nicht von der moralischen Pflicht entbindet, die obsoltete und trügerische "Zusatzqualifikation Homöopath" explizit zu verbieten und damit in Unrecht zu stellen.
Gute Nacht. Im Zweifel nur das Fettgedruckte lesen
;)