behind_eyes schrieb:Aber in der Position eines Menschen, der niemanden vertraut, ist die Bewältigung dieser herleitenden Erkenntnisse nur durch praktische Versuchsreihen zu machen - das setzt ein gewisses Maß an akademischen Verständnis vorraus was natürlich nicht jedem gegeben ist.
Da stimm ich Dir zu. Nur "akademisch" ist schon arg gedehnt. Simple Schulgeometrie reicht aus.
Und man muß auch nicht weit reisen oder ein halbes Jahr warten. Ein einzelner Tag reicht, und ein freies Fleckchen Erde, womöglich schon der eigene Vorgarten. Irgendetwas, wo man ne Sonnenuhr nutzen könnte.
1) Man suche im Net eine equidistante Azimutalprojektion der Erde. Also so ne Erddarstellung wie die Flacherdler meinen, daß die Erde so aussieht. Kreisrunde Scheibe, in der Mitte der Nordpol.
2) Diese Darstellung wird größtmöglich auf einem A4-Blatt ausgedruckt. Dann zeichnet man noch einen Kreis ein, und zwar den der Sonnenbahn. OK, wenn man den nicht bestimmen kann, dann muß man doch etwas Zeit aufbringen und auf die nächste Tag-und-Nacht-Gleiche ode eine der Sonnenwenden warten. Dann nimmt man eben bei den Equinoktien den Äquator oder bei den Sonnenwenden den nördlichen bzw. südlichen Wendekreis; die Dinger sind ja meist auf den Karten mit eingezeichnet (muß man beim Auswählen drauf achten).
3) Dieses Blatt auf ne Unterlage gelegt / befestigt und in den Vorgarten flach abgelegt.
4) Nun piekt man dort, wo man sich selbst befindet, auf der Karte eine lange dünne Nadel rein.
5) Als nächstes dreht man die Karte so lange, bis der Nordpol auf der Karte gegenüber dem eigenen Aufenthaltspunkt auf der Karte auch im echten Norden liegt. Braucht man nen Kompaß für, is aber billiger als ne halbe Weltreise.
6) Dann trägt man einen Tag lang zur vollen Stunde ein, wo der von der Sonne erzeugte Schatten der Nadel den Kreis der Sonnenbahn auf dem Bild berührt.
7) Am Ende nimmt man das Bild an sich und entfernt die Nadel. Nun faltet man das Blatt entlang der Linie Nordpol-Aufenthaltsort. Und sticht mit der Nadel durch alle eingezeichneten Punkte.
8) Blatt wieder ausbreiten und die Löcher ohne Markierungspunkte mit einer anderen Farbe als Punkte markieren.
Man kann auch mit nem Kompaß den Stand der Sonne direkt bestimmen und das dann auf die Karte übertragen, indem man z.B. eine 360°-Schablone verwendet, deren Zentrum allerdings auf der Karte auf dem eigenen Wohnort liegen muß.
Nun haben wir ein Modell der Flachen Erde, und die jüngst eingetragenen Punkte stehen für die Positionen der Sonne auf ihrer Bahn über die Flacherde.
Ganz schnell kann man dann erkennen, daß die Sonne innerhalb eines halben Tages (also von 6 bis 18 Uhr) nicht einen halben Umkreis geschafft hat, sondern deutlich weniger.
Das ergebnis sähe dann ungefähr so aus (Sonnenstände für 6, 8, 10, 12, 14, 16 und 18 Uhr):
Im Winterhalbjahr fehlt natürlich der Sonnenstand für 6 und 18 Uhr...
Aus diesem Bild kann man schon mal dies folgern: Wenn die Erde flach ist, und wenn ich die Sonne exakt 12 Stunden lang sehe, von 6 bis 18 Uhr, dann hat die Sonne in dieser Zeit weniger als eine halbe Bahn zurückgelegt. Also muß sie in den nächsten 12 Stunden schneller über ihre Bahn entlangwandern.
Daraus folgern noch diverse andere Unmöglichkeiten. Etwa, daß Menschen in China oder den USA die Sonne schneller über den Himmel wandern sehen müssen, daß die Sonne bei ihnen nicht so lange am Himmel stehen kann. Oder daß Menschen nördlich meiner Stadt in Skandinavien oder südlich meiner Stadt am Mittelmeer die Sonne um 6 Uhr nicht exakt im Ossten sehhen können bzw. um 18 Uhr nicht exakt im Westen. Und vor allem: da wo ich wohne, da ist der
absolute Nabel der Welt, denn hier verhält sich die Sonne so hübsch regelmäßig, daß sie *exakt um 6 exakt im Osten steht, um 12 im Süden, um 18 im Westen, und zu allen Stunden dazwischen stets um exakt 15° versetzt zur benachbarten Stunde. Überall woanders
kann es gar nicht so sein.
(* Natürlich muß man noch Sommer- und Winterzeit berücksichtigen, ebenfalls, daß nur auf dem Längengrad von Görlitz die Sonnenzeit unserer Tageszeit entspricht (MEZ), und daß es noch kleinere Schwankungen übers Jahr verteilt gibt, die aber mit der nichtelliptischen Umlaufbahn der Kugelerde um die Sonne im Zentrum eines 3D-Alls zusammenhängen.)
Ein einziger Tag, "akademischer" Wissensstand der Mittelstufe, Geldaufwand in Taschengeldhöhe!