@libertarianlibertarian schrieb:Wenn mein Ich Bewusstsein ist oder ich sage, ich sei Bewusstsein, hat sich das, was vor allem Bewussten ist, schlicht etwas Bewusstes aus sich erschaffen, das als Ich bezeichnet wird.
Touchdown - frenetischer Jubel der Menge - muss ich sagen
:) Doch es wird nur einer jubeln, und der bin ich.
Ich bin beeindruckt. Das ist ein höchst bemerkenswerter Satz von dir. Denn hier sagst du nichts anderes, was ich seit vielen Beiträgen immer wieder aufzeige, dass es nämlich etwas gibt, was KEIN Bewusstsein ist, sondern dass VOR dem Zustandekommen eines Bewusstseins bereits gegeben sein muss. Du formulierst es zwar so, dass es aus sich heraus etwas erschafft, aber du wirst gleich lesen, warum es kein Bewusstsein sein kann, das etwas aus sich heraus erschaffen könnte. Und genau das, was KEIN Bewusstsein ist, ist Aufmerksamkeit.
:)Schon viele Male habe ich Bewusstsein mit den Beispielen eines Steins oder eines Kühlschranks zu erklären versucht. Doch es wird offensichtlich nicht präzise genug gelesen, geschweige denn ausreichend analytisch durchdacht und daher nicht verstanden. Man muss es jedoch so präzise wie möglich beschreiben, anstatt so allumfassend wie möglich.
Wir alle wissen, dass ein Stein etwas ist, der uns bewusst sein kann. Der Stein ist ohne den geringsten Zweifel ein Bewusstseinsinhalt. Bringt man nun ein Gedankenexperiment, um auf das Wesentliche aufmerksam zu machen, indem man annimmt, es gäbe nur mich und einen Stein und sonst nichts weiter, dann gelangt man bei den Überlegungen an eine Stelle, an der man fragt: "Woraus besteht hier das Bewusstsein?" Man wird dokumentieren müssen, dass die einzig mögliche Antwort darauf lautet: "Aus einem Stein".
Und genau hier beginnt gleichzeitig der Punkt, an dem das Unverständnis die soeben gewonnene Erkenntnis einfach wieder aus dem Weg räumt, ja, sie einfach geradewegs aus dem Fenster hinauswirft. Weg damit. Wir wollen nichts davon hören ...
Einerseits bestreitet niemand, dass der Stein einem bewusst sein kann. Doch im selben Atemzug leugnet man, dass das Bewusstsein-Ausmachende u.a. aus eben diesem Stein besteht. Das ist mir völlig unverständlich, wie man so etwas leugnen, abstreiten oder sonst wie aus der Welt schaffen könnte. Es scheint für sehr viele Menschen einfach unmöglich, um es mal anschaulich zu sagen, mit der Faust in bestätigender Weise auf den Tisch zu hauen und laut auszusprechen: "Jawohl, der Stein ist mir bewusst. Er ist Teil meines Bewusstseins".
Denn genau hier setzt die Denkblockade ein, und sie wird von allen bisherigen Definitionen über das Bewusstsein aufrecht erhalten. Es scheint so, als wären bestehende Definitionen geradezu unantastbar, unanfechtbar und nichts und niemand darf an innen rütteln oder sie auch nur minimal verändern. Ja, mehr noch. Es ist nicht mal erlaubt, bestehende Definitionen in Frage zu stellen. Es ist verboten, sie in einem anderen Zusammenhang zu bringen, um damit ihre mögliche Falschheit zu entlarven. Ein solches Verhalten kann man unmöglich durchdringen, egal wie oft man auch etwas wiederholt. Und ich treffe hier fast ausschließlich auf solche hartnäckigen Denkweisen.
:)Wenn nun, gemäß dem Gedankenexperiment, der Stein das im Bewusstsein Befindliche ist, dann muss es etwas geben, was KEIN Stein ist. Denn der Stein muss einen Unterschied zu etwas anderem aufweisen, damit er überhaupt als solcher erkennbar ist. Doch was könnte das sein? Es ist ja in dem Gedankenexperiment kein anderer Gegenstand vorhanden, kein anderes Ding, von dem der Stein sich unterscheiden könnte. Wir brauchen aber einen Unterschied. Genau das ist der Moment, an dem das "Ich" die Bühne betritt.
Dieses "Ich" erfüllt zwei Funktionalitäten. Zum einen erlangt es durch seine Erschaffung zunächst sein Vorhandensein. Damit haben wir die Voraussetzung für den benötigten Unterschied zum Stein. Doch ab jetzt haben wir es nicht mehr nur mit dem Stein als einzigen Bewusstseinsinhalt zu tun, sondern ab jetzt haben wir zwei Bewusstseinsinhalte, den Stein (1) und das Ich (1), macht zusammen zwei. Diese beiden sind deutlich voneinander unterscheidbar. Erst jetzt ist es mir möglich zu sagen: "Es gibt mich und zusätzlich einen Stein, den ich bemerken kann und er mir bewusst wird."
Zu der ersten Funktionalität des Vorhandenseins kommt nun die zweite Funktionalität des Ichs hinzu, nämlich die Erfahrbarkeit. Auf die will ich hier aber nicht eingehen, weil zuerst die Thematik der Unterschiedlichkeit verstanden werden muss, bevor man sich anderen Fragen widmet.
Denn das ist noch längst nicht alles. Jetzt erst würde das wirklich Interessante folgen, das den Zusammenhang und die Beteiligten auf der Bühne richtig platziert. Denn bislang habe ich in dem Gedankenexperiment nur davon gesprochen, was das Bewusstsein-Ausmachende ist, habe erklärt, warum es eine Unterscheidbarkeit geben muss und diese sich als zählbare Bewusstseinsinhalte darstellen. Die darüber hinausgehenden Erklärungen, wie die Bewusstseinsinhalte überhaupt zustande kommen, sind um ein Vielfaches umfangreicher, als lediglich die eben dargestellte Unterscheidbarkeit aufzuzeigen.
Wer das bisher Gesagte verstehen und nachvollziehen kann, der wird sich in Bezug auf das Gedankenexperiment die Fragen stellen müssen: Warum habe ich niemals einen Stein als das Bewusstsein-Ausmachende verstanden? Warum habe ich stattdessen NUR MICH als das Bewusstsein verstanden?
Was du, lieber
@libertarian mit deinem lobenswerten Satz formuliert hast, geht in Richtung der eben erwähnten Fortsetzung und hinterfragt die Erschaffung der Bewusstseinsinhalte. Ein Thema, das jeden Einzelnen von uns etwas angeht, das jeden Einzelnen von uns betrifft. Wir müssen uns nicht ständig und rund um die Uhr mit diesen Themen befassen. Aber wir müssen die Irrtümer, die wie ein undurchdringlicher Vorhang die Wahrheit verhüllen, Stück für Stück beiseite schieben, wenn wir verstehen wollen, was und wer wir sind.
Es gibt mehr als nur das Bewusstsein-Ausmachende. Viel mehr.
Ich möchte noch kurz auf deine beiden Fragen eingehen:
libertarian schrieb:Wenn jetzt aber dies so ist und das Ich bzw. Selbst etwas Bewusstes, würden wir dann, bis wir uns selbst nicht erkannten, in Wahrheit nie vorhanden gewesen sein all die Zeit über?
Nein, im Gegenteil. Begründung: Wenn nichts Erkennbares da ist, bedeutet, dass es keine Unterschiede gibt. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass es niemanden gibt, der in der Lage wäre, Unterschiede erkennen zu können.
Mit dem Auftauchen von Unterschieden entsteht die Zeit. Ohne Unterschiede, keine Zeit. Das Bewegen der Aufmerksamkeit über Bewusstseinsinhalte, erzeugt den Eindruck einer Kontinuität, die wir als Zeit bezeichnen.
libertarian schrieb:Und wer soll dann der sein, der nach diesem wahren Selbst sucht?
Dieser "wer" ist Derjenige, der etwas benötigt, was er als "Selbst" bezeichnet. Er hat jedoch noch nicht verstanden, dass es ihn bereits gibt, denn sonst könnte er ja nicht suchen. Er hat ebenfalls noch nicht verstanden, dass alles, was er finden wird, niemals er sein kann.