Vomü62 schrieb:Dein "Weltei" ist womöglich deswegen so weit verbreitet, weil es auf eine kleine Gruppe von Stämmen zurückgeht, die sich in der letzten Eiszeit dann aufgespalten und sehr weit verbreitet haben und diesen Mythos bis weit in die Jungsteinzeit und Antike beibehalten und nach Bedarf abgeändert haben.
Oder auch nicht. Schließlich ist das Ei geradezu archetypisch als Symbol des Beherbergens und Hervorbringens von Neuem, von Anfang und Neubeginn. Wie schwer muß es schon sein, bei ner Überlegung zum Ursprung von Allem auf den Gedanken eines Eies zu kommen?! Als ich klein war, wahrscheinlich schon Schulkind, faszinierten mich zum ersten Mal Sendungen über Evolution, Planetenentstehung und so'n Kram. Ich kann mich noch erinnern, wie ich meinem Vater meine Gedanken vorlegte. Wie wäre es, wenn es am Anfang zwei Samen gegeben habe. Einer wuchs immer größer und größer, aber dann starb er ab und zerfiel zu Erde. Das war dann die Erde, der Planet. Der andere Same wuchs nun in dieser Erde und brachte die erste Pflanze hervor, und daraus entstanden dann alle anderen Pflanzen, Tiere und schließlich wir Menschen. Ich war stolz wie Bolle, bis mein Vater sagte, daß es doch anders gewesen wäre. OK, kam kein Ei vor, aber Schöpfung aus Ur-Samen, Schöpfung aus Ur-Ei, wo is da jetzt der wesentliche Unterschied?
Vomü62 schrieb:Oder es liegt ein psychologischer Grund vor, weil es nahe liegt, das alles Neue und Lebendige aus einem "Ei" kommt, was ja auch irgendwie stimmt, wenn man z.B. auch ein Samenkorn bei Pflanzen als eine Art Ei ansieht.
Yepp, das eher.
Ninurta hatte mal ne PDF verlinkt, in der verschiedene Schöpfungserzählungen aus aller Welt zusammengestellt wurden. Habs mal durchforstet, und yepp, da kommen Eier vor. Zum Beispiel wird die chaosentsprungene Eurynome vom aus dem Wind gemachten Ophion schwanger, gebiert ein Ei, aus dem dann die ganze Welt und alles darin wird. Bei den niger-kongolesischen Mande wird ein Weltei mit Saaten gefüllt, woraus dann alles entsteht. Und im finnischen Schöpfungsmythos liegt ne Jungfrau im Weltenmeer, steckt ihr Knie ausm Wasser, worauf ein Vogel da landet, sieben eier legt und zu brüten anfängt. Der Lady wirds zu warm, die Eier fallen runter und gehen kaputt, woraufhin daraus dann alles Mögliche wird. Bei den Batak auf Sumatra schließlich legt ein Vogel im Weltenbaum ein Ei, aus dem drei Götter schlüpfen, die Kinder kriegen, und aus denen dann alles wird.
In anderen Schöpfungsmythen kommt zwar kein Ei direkt vor, aber es wird dennoch deutlich drauf angespielt. In einem japanischen Schöpfungsbericht soll das Chaos, aus dem alles wurde, eiförmig gewesen sein. Die mikronesischen Hachamori erzählen, daß es anfangs nichts gab, nur Na Arean allein. Der machte Wasser und Erde, vermengte es, formte einen Klumpen und setzte sich darauf. Dann wuchs in seinem Kopf ein zweiter Na Arean (der Jüngere), welchen der erste in den Mittelpunkt des Schlammklumpens schickte. Dieser fand hierdrin Sachen, die stark zusammengepreßt waren. Er nahm alles auseinander und bildete so alle Dinge. In einem laotischen Mythos gibts ne Sintflut, und alles was übrig bleibt, sind drei ans Land gespülte Flaschenkürbisse. Die Götter brechen diese auf, und heraus kommt alles Mögliche und besiedelt die Welt. Hier könnten die Flaschenkürbisse freilich nicht für Schöpfungseier, sondern für die Sintflutarche stehen. Is also fraglich, ob diese Story dazugerechnet werden kann.
Dann gibts noch Stories mit Eiern, bei denen allerdings nicht alles ausm Ei entsteht, sondern nur Einzelnes. Andere Sachen / Wesen werden anders hervorgebracht. In einem griechischen Hymnus entsteht Eros aus einem Ei. In nem anderen Mythos entstehen aus einem Ei alle Vögel, aber eben nur diese aus nem Ei. Woanders schlüpft eine einzelne Frau aus nem Ei, während es schon andere, anders entstandene Menschen gibt (und später noch andere werden, ebenfalls eifrei). Bei den Bambara aus Mali wollen ein Küken und ein Ei auf nen Baum, Zitronen pflücken. Das Küken legt weiche Erde unten hin, falls das Ei runterfällt. Leider ist ein Kiesel darin, und das Ei fällt prompt darauf und geht kaputt. Das Küken findt's lustig. Daraufhin findet der Zweig es lustig, dem Küken den Kopf abzuschlagen. Daraufhin beömmelt sich das Feuer, wie es den Zweig verbrennt, das Wasser kichert beim Löschen des Feuers, und die Erde trinkt grinsend das Wasser. Allerdings hatte die Erde dann Zoff mit Gott, und der warf die Erde ins All an ihren heutigen Platz. Mit nem Weltenei hat das ja nu nix zu tun.
Wir haben also vier Weltenei-Mythen, sowie zwei, in denen zwar kein Ei, wohl aber die Weltenei-Vorstellung zu finden ist, womöglich sogar drei. Noch drei weitere, in denen wenigstens irgendwas mal aus nem Ei schlüpft. Und eines, in dem ein Ei, aber kein Daraus-Werden vorkommt. Zehn, eher neun Mythen also. In der PDF aber stehen 123 Schöpfungserzählungen. OK, dieses Verhältnis 10:113 / 9:114 gilt erst mal nur für diese Mythensammlung. Aber das Verhältnis eihaltig - eifrei wird bei der Gesamtheit aller Schöpfungsmythen weltweit gewiß nicht ein
völlig anderes sein. Insofern bleibt dem Weltenei nur ein mäßiger Anteil an menschlicher Schöpfungsvorstellung.
kuno7 schrieb:Ninurta schrieb:
Wenn es also jemanden wie Marduk gab, der das konnte, dann wollte er sicher nicht Jahrtausende auf den erhofften Nutzen warten. Der sollte sich eben sofort einstellen und nach den Mythen war das auch so. Sobald die ersten Menschengruppen ihre Schöpfungsorte verließen, waren sie sofort verwendungsfähig.
Auch hier die Frage, bei welchen Mythologien wird das so dargestellt?
Meine Frage wäre ja eher, wieso der Fossilbefund nur ne sechs Millionen Jahre währende allmähliche Umbildung bei der Homininen-Evolution zeigt. Der hauptsächliche aufrechte Gang, dann der aufrechte Bodengang, Umbildung von Fuß, Bein, Becken, Hüfte für Vielgang, Handumbildung für feinmotorische Fingerkoordination, Hirnvergrößerung über rund 2 Million Jahre hinweg, Umbildung von Rachen und Kehle für die Sprache... Nix davon erfolgte punktuell, vieles in unterschiedlichen Zeitabschnitten.