Palio schrieb:sehe durchaus eine gewisse Qualität im Argument der ubiquitären Wiederholung
Kann ich nicht erkennen. Denn es geht ja nicht um eine grundsätzliche Wiederholbarkeit, sondern um eine zwingende Wiederholung. Und da werden bestimmte Sachen einfach mal im Vorfeld ausgeschlossen, wie Dein "Fingerabdruck". Aus welchem Grund denn? Jacques Monod jedenfalls hats in seinem "Zufall und Notwendigkeit" mal so ausgedrückt: es gibt Spiralgalaxien, und die wiederholen sich allenthalben, aber es gibt auch die konkrete Andromeda-Galaxie, und die wiederholt sich nicht. Ebenso sind Kieselsteine zwingend wiedrholt, aber der Kieselstein in seiner Hand, der ist auf der Erde einmalig in seiner Konfiguration. Und Monod legt in seinem Werk dar, daß und wieso er Leben nicht für "Spiralgalaxie" hält, sondern für "Andromeda-Galaxie".
Richtig ist, es gibt Wiederholungen, und ebenso richtig ist, es gibt Singuläres, das nur durch unsere begrenzte Wahrnehmung als singulär erscheinen mag. Doch ist es keine "Qualität", aus diesem Ungleichverhältnis weitreichende Folgerungen zu ziehen. Das ist ne Lückenbüßer-"Theorie" oder schlimmer noch das Galileo-Gambit. Einzig gefolgert werden kann, daß sicher einiges des als singulär Wahrgenommenen sich noch als Wiederholtes erweisen wird - aber doch nicht alles. Das zu behaupten ist mitnichten "Qualität".
Nicht ohne Grund hatte ich z.B. auf das Infinite-Monkey-Theorem hingewiesen. Allein schon der Wiki-Artikel zeigt deutlich, wie schlecht sich mit den zahllosen schreibmaschineschreibenden Affen eine Wiederholung des Shakespeare-Gesamtwerkes (oder auch nur eines Einzelwerkes) "begründen" läßt. Aber das Hauptproblem, wieso eine Wiederholung dabei praktisch ausgeschlossen ist (obwohl doch eigentlich möglich), wird dabei noch gar nicht einmal angedeutet: die sich einschleifenden Routinen bzw. die Entropie.
Klimpere mal wahllos auf Deiner Tastatur. Und achte dabei auf Deine Finger. Du wirst feststellen, daß Deine Finger sich überhaupt nicht so wahllos bewegen. Schnell schleifen sich Routinen ein. Zum einen werden sich die Anschläge mit der linken und der rechten Hand leidlich regelmäßig abwechseln, zum anderen werden die Finger jeder Hand in einer bestimmten Reihenfolge "wahllos" tippen, und zwar erst der kleine Finger, dann der Ring-, Mittel- und schließlich Zeigefinger, dann wieder der Kleine. Je länger Du "wahllos" tippst, desto stärker wird Deine Textproduktion von diesen "anatomischen Routinen" bestimmt. Damit aber werden bestimmte Buchstabenkombinationen extrem häufig, andere extrem selten. Und diese Häufigkeit der Buchstabenkombinationen richtet sich nicht nach einer Verteilung und Häufung in einer Sprache, sondern nach der Tastaturanordnung. Je stärker die Routine zuschlägt, je größer die Entropie, desto weiter bewegt sich ein "ewiges wahlloses Tastaturklimpern" weg von der Produktion auch nur eines einzigen Shakespeare-Satzes, statt sich daraufhinzubewegen, via Wahrscheinlichkeit einen solchen hervorzubringen.
Auch in einem reichhaltigen Chemomix mit reaktionsfreudigem Milieu schlagen Routinen bzw. Entropie zu. Etwa dies, daß Moleküle nichtkovalenter Bindung mit zunehmender Größe immer kurzlebiger werden. Auf diese Weise eine Mixtur aus langkettigen Verbindungen zu erhalten, welche als just diese Mixtur ein systemisches Koazervat (genannt "Protozelle") bilden, ist ein ziemliches Unding. Möglich, klar, aber nicht notwendig zu erwarten, gar in Wiederholung.
In physikalischer Theoriebildung und mathematischer Ausformulierung sind sehr viele Prozesse von B nach A genauso möglich wie von A nach B. Aber bestimmte Routinen (Entropie) verhindern genau das und machen aus den Prozessen Einbahnstraßen, ohne daß es der Physik gelingt, dies in den Formeln abzubilden. Sollte eigentlich sattsam bekannt sein. Wenn also ne Kristallvase vom Tisch fällt und am Boden mit lautem Klirren in tausend Stücke zerspringt, dann sollte der umgekehrte Weg genauso möglich sein, durch Bewegungsenergie, gerne auch noch durch Beifügen von Schallwellen, müßte man tausend Scherben so auf einen Punkt hin werfen können, daß die sich zusammensetzen, hochspringen und als Kristallvase auf dem Tisch enden. Kein Naturgesetz verbietet das. Aber passiert das? Könnte. Und wenns passiert - wiederholt es sich dann zwingend?