Screet schrieb:Ich frage mich aber, ob es möglich ist, den Ort/Zeitpunkt des Textes genau genug zu lokalisieren um das auf einen konkreten Vulkan abzuprüfen - oder ob nicht vielleicht dabei herauskommt, das dort wohl eher doch keiner war.
Auf der Sinai-Halbinsel gibt es seit ca. 5 Millionen Jahren keinen aktiven Vulkan mehr, da muß man das Textalter wohl nicht mehr genauer eingrenzen.
Dafür aber gibt es auf der Ostseite des Roten Meeres durchaus aktiven Vulkanismus. Und in der Tat veranschlagen verschiedene Leute deswegen, den Berg Sinai dort zu suchen. Z.B. beim Hala-'l Badr
Wikipedia: Hala-'l Badr. Mindestens zwei andere Vulkane in seiner näheren Umgebung werden ebenfalls vorgeschlagen, auf deren Namen ich gerade nicht komme. Alle drei liegen sie auf der Arabischen Halbinsel, im Nordwesten, östlich des Roten Meeres, aber deutlich südlicher gelegen als das Südende der Sinaihalbinsel.
Der Gottesberg soll im Land Midian liegen. Allerdings ist Midian nicht sicher lokalisiert. Nach vielen Stellen gehört Midian in den Dunstkreis Edoms, das südlich des Toten Meeres zu lokalisieren ist, gemeinhin östlich des Jordangrabens, zumindest teil- bzw. zeitweise aber auch westlich bis auf die Ausläufer des Gebirges Juda. Manche dieser Lokalisierungen verweisen sogar in das Gebiet nördlich von Edom, in Verbindung mit Moab stehend. Hier scheint Midian sich im Ostjordanland gegenüber von Jericho am Nordrand des Toten Meeres zu befinden. Eine dritte Lokalisierung verweist auf Paran, eine Wüste, ein Gebirge und ein Ort irgendwo südlich von Beerscheba in Richtung auf die Sinaihalbinsel und westlich von Edom. Aber alle drei Lokalisierungen verweisen auf ein Gebiet nördlich vom Nordende des Golfes von Akkaba.
Da die Midianiter Nomaden waren, wäre denkbar, daß sie alle dieser Regionen durchzogen. Oder aber sie veränderten im Lauf der Geschichte ihren Wohnbereich. Die nördliche Lokalisierung findet sich in Erzählungen aus vorstaatlicher Zeit bis zum ersten Königtum, die südlöstliche in der Königszeit, und die südliche in spätvorexilischen und exilischen Texten. Die Lokalisierung Midians, die der Vulkanregion am nächsten kommt, ist also königzeitlich, und die Lokalisierung, die der Sinaihalbinsel am nächsten kommt, exilisch und wenig davor.
Mit dieser Annahme der zeitlichen Abfolge der verschiedenen Lokalisierungen Midians kommen wir, je nach dem, wo wir den Gottesberg annehmen, auf unterschiedliche Zeiten, wann der Gottesberg mit Midian in Verbindung gebracht wurde. Oder anders herum: wenn wir wüßten, in welcher Zeit der Gottesberg mit Midian verknüpft wurde, wüßten wir, in welcher Region er zu finden wäre. In 1.Könige19 wird erzählt, daß der Prophet Elia zum Gottesberg pilgert, und dafür durch Beerscheba zieht. Das klingt nach der Sinaihalbinsel. Allerdings stammt der Text aus exilischer Zeit, wo Midian eh schon hier lokalisiert wird. Womöglich wußte der Verfasser nicht mehr, wo der Gottesberg lag, und folgerte die Richtung nur noch aus dem "in Midian". Nach Südosten immerhin verweisen andere Gottesberg-Lokalisierunge,. in denen es heißt, Gott komme vom Seir her. Der Seir ist ein Berghang in Edom, am Ostende des Jordangrabens südlich des Toten Meeres. Ja, Seir ist geradezu ein Synonym für Edom. In dieser Gottesberg-Tradition ist der Berg noch nicht mit Midian verbunden, dafür aber in Edom. Und eindeutig in die Richtung, in welcher dann die nordwestarabische Vulkanregion liegt. Diese Tradition ist scheinbar recht alt, womöglich frühstatlich, wenn nicht älter. Da Midian irgendwann mit dieser Großregion verbunden war, könnte die Verknüpfung hier entstanden sein. Das Dumme daran ist aber: der Seir endet noch vor dem Golf von Akkaba, liegt also nördlich davon. Spitzfindige sagen: ja, aber Gott kommt nur vom Seir her. Wenn Gott von "dahinter" kommt, kommt er aus der Vulkanregion. Weder besagt aber die Tradition, Gott käme von dahinter, noch kann man generell sagen, die Vulkanregion läge für israelitische Betrachter hinter dem Seir. Je nach dem, wo in Israel man steht, kann die Vulkanregion sowohl links als auch rechts vom Seir "betrachtet" werden.
Aber dennoch, die ungefähre Lokalisierung im Südosten käme immerhin hin. Und läge der Vulkanregion am nächsten.
Interessanterweise denken wir, daß die Sachen Exodus (Auszug aus Ägypten in Richung Kanaan), Wüstenwanderungszeit, Gesetzesgebung, Gottesberg und Mosezeit zusammengehören, ein historisches Geschehen beschreiben (egal, ob echt oder fingiert). Dabei handelt es sich um eigenständige Themenkreise, die in Texten außerhalb der Mosebücher zwar vorkommen, aber nicht im Zusammenhang. Erst in exilischer Zeit tauchen Texte auf, die einige dieser Themenkreise als zusammengehörig erwähnen. Das würde bedeuten, daß die Komposition aller dieser Elemente, wie sie uns aus den Mosebüchern so bekannt und geläufig ist, erst spät zusammengestellt wurde. Dann aber stellt sich die Frage, was wir aus einem Text an historisch Verwertbarem entnehmen können, in dem erzählt wird, daß
der Mann Mose die
aus Ägypten Geführten an den Fuß des
Gottesberges stellt, auf den gleich der
gesetzesgebende Gott herabkommen wird. Alles erfunden, aber die physikalischen Phänomene sind wenigstens echt?
Pertti