@Hoffmann Hoffmann schrieb:Lässt der generische Plural nicht auch die Möglichkeit zu, dass die Gattung (hier: Gott) mit mehreren Personen besetzt ist?
Aber gewiß! Wie viele zu einer "Gattung" gehören, das muß man allerdings woanders in Erfahrung bringen, nicht aus der Verwendung des generischen Plurals selbst. Der Jahwist übrigens dürfte noch nicht von nur einem einzigen Gott ausgegangen sein. Ihn scheinen die anderen aber auch nicht zu interessieren.
Freilich gehören auch andere himmlische Wesenheiten zu der besagten "Gattung"; mit "Elohim" können gelegentlich auch sowas wie Engel, Cherubim odgl. bezeichnet sein. Dann ist das attributiv verwendet, am besten mit "göttlich" zu übersetzen. In diesem Gebrauch können sogar Menschen "Elohim" genannt werden, ein König etwa, wenn man ihm mit Worten in den Ar*** kriechen will. Auch die Gestalten, die in der Bibel "Mann Gottes" genannt werden: sie können zweilen Wunder wirken, oder man erwartet, wenn sie etwas ansagen, dann wird es durch die Kraft dieser Ankündigung auch zur Realität. Das "Mann Gottes" ('isch ha'älohim) könnte auch "göttlicher Mann" bedeuten.
Hoffmann schrieb:Oder so: Könnte es neben dem "Elohim", der den Plural anwendet, noch andere "Elohims" geben, die sich damit zugleich angesprochen fühlen könnten? Lässt der Text eine solche Deutung zu?
Grundsätzlich ja. Aber wie gesagt, der Jahwist schert sich nicht um fremde Götter.
Wenn DU mal einen echten polytheistischen Text lesen willst, mit positiv erwähnten Göttern neben JHWH, dem Gott Israels, dann schau mal ins fünfte Buch Mose, Kapitel 32, Verse 8-9.
Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte,
als er die Menschenkinder [voneinander] schied,
da legte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israel.
Denn der Anteil des HERRN ist sein Volk,
Jakob das Mass seines Erbteils.
Klingt noch nicht polytheistisch, aber das ändert sich gleich.
Als [der kanaanäische Göttervater El] Eljon [wörtlich: der Höchste] die Nationen als Erbe austeilte,
als er die Menschenkinder [voneinander in Volksgruppen] schied,
da legte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Els.
Ja, der Anteil JHWHs ward sein Volk [Israel],
Jakob [Synonym für Israel] das Maß seines Erbteils.
Hier kommt der kanaanäische Mythos, daß der alte Göttervater seinen Söhnen, den Göttern, das Erbe austeilte, Er teilte alle Menschen in Gruppen auf, so viel Gruppen, wie El Söhne hatte. Und jeder Gott erhielt ein Volk als sein Erbe, über das er zum Landesgott wurde. Und Israel preist seinen Gott für die Ehre, gerade diesem zugesprochen zu werden. JHWH, der Gott israels, ist hier ein Sohn von El Eljon, Bruder von Baal & co.
Dieser ursprüngliche Textbestand ist nicht mehr erhalten, aber er läßt sich durchaus rekonstruieren. Den Nationen das Erbe austeilen und Die Nationen als Erbe austeilen, da muß man nix ändern, es steht schon richtig da. Die einzige wirkliche Änderung ist "nach der Zahl der Söhne Els". In den meisten alten Handschriften steht "söhnen
Israels" da, aber in manchen steht auch "Engel Gottes". Beide Versionen sind so verschieden, daß keine sich aus der anderen herleiten läßt. Aber beide lassen sich herleiten, wenn ursprünglich dastand "Söhne Els" oder "Söhne Elohims". Die eine Version interpretierte die Söhne Gottes zu Engeln Gottes um, die andere Version schob ein "Isra" ein und verstand die Israeliten als Kinder ihres Gottes. Den Höchsten am Anfang mit JHWH zu identifizieren, war ein Leichtes. Man fragt sich dann zwar, warum Gott so viele Völker bastelt und sich nur eines nimmt. Oder warum die Menschen Erbe erhalten, und worin dieses Erbe denn besteht. Und warum es dann am Ende um das Erbteil geht, welches der Erblasser erhält.
Eben: ursprünglich war das ein kanaanäischer Mythos vom Göttererbe, in dem JHWH ein Elssohn unter vielen war.
Pertti