Trimalchio schrieb:Ein schönes Beispiel dafür, an wie dünnen Fäden die Datierung der Evangelien hängt.
Gut gewählte Überschrift für Deinen Beitrag.
Trimalchio schrieb:Dass in Lukas hier irgendetwas als geschehen beschrieben würde, bestreite nicht nur ich. Es handelt sich, wie längst nachgewiesen ist, um einen weit verbreiteten Eroberungs-Topos.
Vorhersagen 'ex eventu' pflegen zudem sehr viel genauer auszufallen.
Wer das bestreitet, ist egal. Was zählt, ist, womit es bestritten wird.
Verbreiteter Eroberungstopos? Ex eventu sonst genauer? Hier geht es darum, daß ein ganz konkreter Satz vorgelegen hat und abgewandelt wurde. Da hatte niemand freien Raum, mit ausführlichen Details statt kurzem Topos aufzufahren.
Entsprechend kurz fällt auch die alternierende lukanische Version zu den Folgesätzen der "Verwüstungs"-Ankündigung aus:
Matthäus24,16-18
dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen; wer auf dem Dach ist, soll nicht hinabsteigen, um etwas aus seinem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, soll nicht zurückkehren, um seinen Mantel zu holen.
Markus13,15-16
wer auf dem Dach ist, soll nicht hinabsteigen und nicht hineingehen, um etwas aus seinem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, soll nicht zurückkehren, um seinen Mantel zu holen.
Lukas21,21
Dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen und die in seiner [i.e. Jerusalem] Mitte sind, daraus entweichen, und die auf dem Land sind, nicht dort hineingehen.
Während die Aufforderungen, vom Dach bzw. vom Feld aus nicht erst nochmals ins/nach Haus zu gehen, eindringliche Bilder für die Eile der Flucht sind, geht es bei dem Verlassen bzw. Nichtaufsuchen der Stadt nicht um Eile, sondern um das Schicksal derer, "die in seiner Mitte sind". Nach Josephus starben bei der Belagerung Jerusalems über eine Million Menschen (die Belagerung begann um das Passahfest herum, als viele Pilger in die Stadt gekommen waren). Auch das schreit nach Angleichung an die historischen Geschehnisse. Und ist ebenfalls kurz und knapp anstatt detailreich.
Trimalchio schrieb:Mag sein, dass die Evangelien nach Markus und Matthäus noch deutlich stärker von dem schockierenden Vorhaben des Caligula im Jahr 41 geprägt waren, seine Statue im Tempel von Jerusalem aufstellen zu lassen, was durch den judenfreundlichen Petronius verzögert und letztlich nur durch die Ermordung des Cäsaren verhindert wurde. Da konnte schon mal der daniel'sche Gräuel dräuen.
So zeitnah, wie Caligula daraufhin verstarb (Januar 41), dräute hier nicht die Gefahr einer Tempelentweihung, sondern die Gewißheit, daß sowas nicht mal dem Kaiser gelingt, und wer es versucht, den Tod findet.