Rosenbund schrieb:Schon wieder werden Meinungen anderer in den Vordergrund gestellt. Wollte man das vermeiden, müsste man die Sprache studieren, in der sie geschrieben worden ist und selber Übersetzer werden.
Da stimm ich Dir zu. Die Kenntnis der Sprache des originalsprachlichen Texts ist von großer Hilfe, wenn der Text ansonsten, especially in Übersetzung, einen gewissen Spielraum an unterschiedlichen Interpretationen zuläßt.
Rosenbund schrieb:Aber da kann man sich fragen, wird im Studium denn überhaupt richtig gelehrt, macht man das denn überhaupt richtig? Habe ich überhaupt richtig übersetzt? Auf diese Weise kommt man in einen Strudel von Fragen und wird von Meinungen zerrissen.
Da geb ich Dir nur bedingt recht. Klar, wer die Sprachen nicht gelernt hat, der mag sich so komische Sachen fragen, der weiß es halt nicht besser und mag, wenn er zu solchen Genralverdächtigungen neigt, sich gerne strudeln und zerreißen lassen. Wenn ich dagegen im Theologiestudium Hebräisch (AT) und Altgriechisch (NT) lerne, dann vermag ich durchaus festzustellen, ob diese hier erlernten Sprachkenntnis nur bei biblischen Texten zu sinnvollen Eregbnissen kommt. Oder ob, wenn ich Herodot oder Homer lese, die plötzlich auch nur von Glaubensgerechtigkeit, Sohngottesschaft, Jungfrauengeburt und Kreuzeserlösung sprechen. Les ich dagegen ne geile Story von Troja oder von den Skythen, werd ich die Sprache wohl richtig können.
Klar, Althebräisches neben der Bibel gibts nicht so prickelnd viel. Aber immerhin einige Epigraphen, da kommt schon ein bisserl an Text zusammen. Dann kommt man mit Hebräisch auch noch leidlich gut durch alte aramäische, phönizische, punische Text durch. Und die Vokabelbedeutung läßt sich nochmals besser gegenprüfen, da das Hebräische selbst mit Babylonisch, Assyrisch und heutigem Arabisch verwandt ist.
Rosenbund schrieb:Deine Frage lässt sich nur beantworten, indem als selbstständiger Mensch ohne Überheblichkeit, sondern mit Ehrfurcht unabhängig und generell nach Erkenntnis gestrebt wird, wobei die Kenntnis um das Wesen der Polarität ein äußerst wichtiges Hilfsmittel dafür ist.
Wieso fehlende Überheblichkeit und dafür Ehrfurcht sowie Erkenntnisstreben einen Text richtiger verstehen läßt, versteh ich nicht. Was die Kenntnis um das Wesen von Polarität betrifft, so klingt das aber schon aktiv nach Hineinlesen einer Auffassung und damit nach echtem Nachteil, einen Text richtig zu verstehen.
Rosenbund schrieb:Deine Frage richtet sich auch danach, ob die Dinge überhaupt einen zusammenhängenden Sinn haben. Dafür muss man vieles erst einmal unter Vorbehalt zur Kenntnis nehmen, bis sie sich mit einem anderen sinnvoll ergänzen.
Und sie fragt damit auch nach dem übergeordneten Ganzen. Wir haben es mit einer mythologischen Sprache zu tun, die aus diesem Ganzen spricht
Da geh ich wieder mit.
Rosenbund schrieb:Das Ganze erklärt das Detail und nicht umgekehrt.
Nur mußt Du dafür erst mal das Ganze kennen. Das ergibt sich jedoch erst aus allen Details. Zu deutsch: die Details erklären das Ganze. Mit Deinem "Deine Frage richtet sich auch danach, ob die Dinge überhaupt einen zusammenhängenden Sinn haben. Dafür muss man vieles erst einmal unter Vorbehalt zur Kenntnis nehmen, bis sie sich mit einem anderen sinnvoll ergänzen" warst Du da schon mal weiter.
Rosenbund schrieb:Daher kommt das Sprichwort: "Der Teufel steckt im Detail" Das will sagen, teuflisch ist's, wenn das Detail zum Ganzen erhoben wird.
Das Sprichwort meint es dann doch deutlich anderser, nämlich daß das für das Ganze Gehaltene am nicht dazu passenden Detail scheitert. Auch das widerspricht mal so Deinem "und nicht andersrum".
Aber wenn wir mal dieses Sprichwort weglassen, dann gebe ich Dir recht mit Deinem "teuflisch ist's, wenn das Detail zum Ganzen erhoben wird." Es gibt keinen "Kanon im Kanon", keinen Text, der wichtiger als alle andern sei, und von dem her alle anderen Texte zu verstehen wären.
Rosenbund schrieb:Davor sollte der nach Erkenntnis Strebende sich hüten und immer das Ganze suchen, dem das Detail untergeordnet ist.
Und ich dachte, der Strebende solle erst mal die Details je für sich kennenlernen und "unter Vorbehalt" zu verstehen suchen; und dann, wenn er alle Einzelteile kennengelernt hat, soll er die Einzelteile nochmals zu verstehen versuchen, diesmal aber vor dem Hintergrund all der anderen Einzelteile, ob die zum Verständnis eines einzelnen Details was aufklären können, ob sich also ein Text anders und besser verstehen läßt, wenn ich die anderen Texte im Hinterkopf habe. Nachher ergibt alles in allen Details einen völligen Sinn - und alle Details eine Einheit.
Aber dieses "Ganze" ergibt sich aus den Details, es ist keine eigenständige Größe, die den Details gegenüberstünde und diese unter sich unterordne, wie Du es da schreibst. Das wäre dann doch wieder nur ein "Kanon im Kanon", als würdest Du ein inzelnes Detail, einen Einzeltext, für maßgeblich erklären und alle anderen dann von diesem her interpretieren.
Es kann ja auch sein, daß alle Details gar keine Einheit, kein "Ganzes" ergeben, sondern mehrere verschiedene Einheiten, die nicht alle miteinander kompatibel sind. Und manche Details sind kompatibel zu mehreren dieser Einheiten, zu anderen wieder nicht, und die Zuordnung der Einzeltexte zu den verschiedenen Einheiten bzw. ihr Nichtpassen zu weiteren Einheiten fällt jedes Mal anders aus. Da hat sich dann was mit "das Ganze [...], dem das Detail untergeordnet ist."
Rosenbund schrieb:Mythologie spricht in Bildern und der nach Erkenntnis Suchende muss zum Bilderleser werden. So ist das Bild der Schlange nicht zufällig gewählt worden. Ihr Schlängeln zu beiden Seiten ist mal in der einen Richtung und dann mal in der anderen, mal von einem Pol zum anderen Pol, aber niemals gleichzeitig an einer Stelle. Es ist ein Bild des Trugs und der Verwirrnis. Auf das Ganze übertragen, kommen wir ans Kosmische an. Wo findet sich dort das Bild des Schlängelns wider? Im Mond und seinen zeitversetzten zu- und abnehmenden Sicheln. Darum hat der Mond eine wichtige Position und Bedeutung in der geistesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen.
Dem ersten Satz pflichte ich wieder bei. Aber der Rest, der ist leider nur noch eine Bankrotterklärung. Du denkst Dir in freier Assoziation aus, was denn nun Schlängeln zu bedeuten habe, kommst gleich noch aufs Kosmische und auf irgendwelche Mondbedeutung für den Menschen. Das ist zusammengereimt, und das stülpst Du mal eben einem antiken Text als "Verstehenshintergrund" über. Statt aus den Texten selbst herauszuhören, welche Aspekte angesprochen werden.
Du deutelst gerade die in 1.Mose3,1 angesprochene Eigenschaft der Schlange "Und die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte". Das hebräische Wort, das mit "listig" wiedergegeben ist, heißt
'arum. Die Vokabel ist mal ein Eigenschaftswort, mal aber auch ine Substantivierung zur Bezeichnung einer Person(engruppe) dieser Eigenschaft. Hier mal die weiteren Belege des Wortes im AT:
Hiob5,12: Er vereitelt die Anschläge der
Klugen, und ihre Hände wirken keinen Erfolg.
Hiob15,5: Denn deine Schuld belehrt deinen Mund, und du wählst die Sprache der
Listigen.
Sprüche12,16: Der Narr - sein Unmut tut sich an demselben Tag [noch] kund, wer aber die Schmach verborgen hält, ist
klug.
Sprüche12,23: Ein
kluger Mensch hält [seine] Erkenntnis verborgen, aber das Herz der Toren schreit Narrheit hinaus.
Sprüche13,16: Jeder
Kluge handelt mit Bedacht; ein Tor aber breitet Narrheit aus.
Sprüche14,8: Die Weisheit des
Klugen ist es, seinen Weg zu begreifen, aber die Narrheit der Toren ist Täuschung.
Sprüche14,15: Der Einfältige glaubt jedem Wort, aber der
Kluge achtet auf seinen Schritt.
Sprüche14,18: Die Einfältigen erben Narrheit, die
Klugen aber werden mit Erkenntnis gekrönt.
Sprüche22,3: Der
Kluge sieht das Unglück und verbirgt sich; die Einfältigen aber gehen weiter und müssen es büssen.
Sprüche27,12: Der
Kluge sieht das Unglück [und] verbirgt sich; die Einfältigen gehen weiter [und] müssen büssen.
Wie man sehen kann, ist der Arum in den Hiobstellen ein Böser, in den Sprüchestellen ein Guter. Hilft das jetzt dem Verständnis für 1.Mose3,1? Eher hilft zum Verstehen des 'arum-Seins zu sehen, welche Aktion 'arum genannt wird. Da helfen die Sprüche-Stellen.
Seine Schmach verborgen halten, mit Bedacht handeln, seinen Weg zu begreifen, auf seine(n) Schritt(e) zu achten, das Unglück sehen und sich verbergen. Ebenso hilft zum Verständnis des Arum, wer als Gegenstück zu ihm gilt: der Narr, der Tor, der Einfältige. Oder was als Eigenschaft bzw. Aktion des Gegenstücks gilt: Narrheit, Täuschung; Unmut kundtun, Narrheit herausschreien / ausbreiten, leichtgläubig sein, sehenden Auges ins Unglück gehen. So läßt sich dann erschließen, was für ein Bedeutungsspektrum 'arum hat, was einen Arum auszeichnet und was nicht.
Etwas völlig anderes ist hingegen, daß 'arum durchaus was grundsätzlich Positives ist, aber eben auch bei Gestalten vorkommen kann, die eher negativ bewertet werden, wie in den beiden Hiobstellen. Dennoch ist auch dort 'arum das Gleiche wie in den Sprüche-Belegen. Nur je nach Konnotation, ob man den Arum nun für toll oder für doof hält, läßt sich die Vokabel mal als klug/weise oder mal als (hinter)listig übersetzen. Das ist aber ne Wertung, die der Kontext beigibt, in dem die Vokabel verwendet wird, kine Wertung, die die Vokabel selbst beinhaltet.
Das ist mal ein Weg, sich das Ganze aus den Details zu erschließen und anschließend auch jedes Detail wiederum vom Ganzen her zu begreifen. Freilich ohne daß das Detail sich irgendwie irgendner Sache unterzuordnen habe. Stell Dir mal vor, in der Bibel käme 'arum nicht in 1.Mose1,3 vor, auch nicht in Hiob15,5. Stünde irgendeine andere Eigenschaftsbeschreibung dort. "Böse" vielleicht. Dann hätten wir in den Sprüchen ne sehr einheitliche positive Bschreibung. Wäre nun auch die positive Konnotation Teil der Begriffsfüllung von 'arum? Denn so müßte man nun Hiob5,12 völlig anders "verstehen", weil es sich ja "dem Ganzen" unterordnen müsse. Also vereitelt Gott die Unternehmungen der vor Gott Guten. Wäre schlicht absurd! Nee, der Kontext der Stelle macht deutlich, daß die Arumim negativ sind, und daß diese Bewertung wie auch die positive der Sprüchestellen nicht zum Wort selbst gehört.
In 1.Mose3 nun wird die Schlange 'arum genannt. Mehr als alle anderen Tiere. Keine Wertung, einfach nur "klug" im Sinne von weise, bedacht usw. Und auf dieser Höhe gibt es auch noch keinen Kontext, der dem Leser erklärt, wie die Schlange zu bewerten sei. Höchstens darüber, daß 'arum was grundsätzlich Positives ist. Mit dem man freilich auch Schindluder treiben kann. Aber noch weiß man dazu nichts.
Erst vom Ende her, als Gott Mann, Frau und Schlange bestraft, ist klar, daß
alle drei was Falsches getan haben. Vorher ist das mal so gar nicht klar bezüglich der Schlange. Denn sie sagt ja nicht nur die Wahrheit darüber, was das Essen der Frucht bewirkt, sondern auch bezüglich des Sterbens. Denn Gott sagte (2,17) "
an dem Tag, da du davon isst,
musst du sterben." An dem Tag starb aber keiner. Sterben mußten die Menschen, aber nur, weil Gott es später dann verhinderte, daß die Menschen im Garten blieben und auch vom Baum des Lebens aßen (3,22-24). Adam jedenfalls starb laut Bibel so 930 Jahre danach. Das möcht ich auch mal als Todesurteil bekommen: zehn normale, aber satte Menschenleben Verzug!
Man
kann es so sehen, daß die Schlange ihr Gespräch mit der Frau in böswilliger Abicht geführt hat, um sie zum Übertreten des Gebotes zu bringen. Aber man
muß es nicht. Nichts im Text gibt da was Eindeutiges her, das so zu sehen. Die Schlange wird nicht als "hinterlistig" abgewertet, sie wird nicht als Lügnerin hingestellt. Und es ergibt sich auch keine Eigenschaft daheraus, daß es "eben ne Schlange" ist. Schon gar nicht, weil Schlangen
schlängeln - denn schließlich mußte die Schlange erst nach dem Urteil am Boden rumschlängeln, zuvor war das noch gar keine Eigenschaft der Schlange.
Also bitte: Text ernst nehmen, nicht eigene Phantasien hineinstecken!