@Sigalit@Fidaii@Heide_witzkahttp://www.con-spiration.de/texte/rational.html (Archiv-Version vom 21.01.2012)Auszüge aus "Rationalität im Islam"
von Joachim Valentin
"Nach dem endgültigen Zerfall des Abbasidenreiches und der Verbannung Ibn Rushds durch die spanischen Almohaden im 13. Jahrhundert folgt mit dem Ende der islamischen Klassik eine Zeit der Stagnation zumindest der sunnitischen Theologie. Damit gewannen die Ulamã, die den Rechtsschulen entstammenden Lehrer, alle geistliche Macht. Anstelle der Universitäten (bayt al-hikma, Haus der Weisheit), an denen das theologische Streitgespräch die herrschende Diskursform war, entstehen Qur'anschulen, Madrasas. Sie bilden von nun an "das religiöse und, wie sich versteht, auch das politische Lenkungsinstrument der orthodoxen Führungsschicht""
"Trotz alledem wird zumindest ein Islam, der in Europa eine Zukunft haben und der weltweit mehr und anderes sein will als Projektionsfläche in Teilen berechtigter Ängste, sich in Zukunft Denkmodellen annähern müssen, die mit der Moderne und den Menschenrechten kompatibel sind. Eine wesentliche Rolle dürfte dabei die in Europa etablierte Trennung zwischen Staat und Religion spielen, die auch der islamischen Theologie den dringend benötigten Freiraum wieder zurückgeben könnte. Diese Trennung ist aber nichts, was der Islam heute von Europa erst lernen müßte. Abdelwahab Meddeb weist darauf hin, daß die friedliche Glanzzeit des Mamluckischen Kairo im 13. Jahrhundert sich der weisen Trennung zwischen (weltlichem) Sultanat und (geistlichem) Kalifat verdankt, ja daß Friedrich Barbarossa die "Monarchie" von hierher erst nach Europa importiert und so den Investiturstreit entschieden haben könnten."
"Notwendig wäre auf islamischer Seite eine "Wiederöffnung" der im 12. Jahrhundert geschlossenen "Pforte des igtihãd". Damit würde die alte Tradition eines kontroversen theologischen Diskurses an den islamischen Universitäten wieder den ihr gebührenden Platz erhalten. Gleichzeitig aber müßte den Muslimen überall auf der Welt mit Achtung vor ihrer persönlichen Würde und ihrem alten intellektuellen und kulturellen Erbe entgegengetreten und mit ihnen auf gleicher Augenhöhe diskutiert werden. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe, die angesichts des mit der Terrorgefahr wachsenden Mißtrauens auf allen Seiten nicht leichter werden dürfte."