MarinaG. schrieb: Der Kern des Threads ist die Frage ob Gott ein Sünder ist. Da es für mich keine Sünde gibt, ergibt sich für mich die Frage, die hier, daraus resultierend, entstanden ist, nämlich, warum Gott es zulässt, dass das Leid entsteht und ob er somit auch dafür verantwortlich ist? Ich argumentiere dabei von meiner Warte aus.
Hallo zusammen,
ich finde diesen Thread sehr spannend. Ich bin mit 19 Jahren bewusst atheistisch geworden, nachdem ich mich mit dem „der Gotteswahn“ von Richard Dawkins und den Büchern von Michael Schmidt-Salomo beschäftigt habe. Sie waren für mich der Einstieg in die Welt der Philosophie, immer begleitet mit einem tiefen Misstrauen gegenüber diesen „machtbesessenen“ Religionen, die das Leben von so vielen Menschen zur wahrhaften Hölle auf Erden machten (z.B. Schwule in Islam oder konservativen Christentum, Geschiedene, Religionskriege usw.) Da ich auch Informatik studiert habe, war mir Logik und eine klare Argumentation immer wichtig. Doch vor fast zwei Jahren wurde ich bekehrt. Von einem auf den anderen Tag, so wie es das Gleichnis vom Schatz im Acker sagt. Mir ist Jesus erschienen und seitdem hat sich mein Leben verändert. Ihr solltet das wissen, damit ihr meine Warte versteht. Mein Glaube gründet sich nicht auf theologische Axiome oder überzeugenden philosophischen Argumenten oder Beweisen, sondern auf eine Begegnung mit Gott selbst. Und es gibt viele wie mich, denen Jesus selbst begegnet ist und die bekehrt wurden durch den Herrn. Youtube ist voll mit Zeugnissen solcher Menschen. Nach meiner Bekehrung hatte ich viele Erlebnisse, die ich früher für nicht möglich hielt oder als abergläubisch abgetan hätte, aber wie so oft im Leben, müssen einem die Dinge erst selbst widerfahren, bevor man sie wirklich versteht.
Ist Gott also der wahre Sünder? Habt ihr schon Sünde als Phänomen betrachtet? Habt ihr eine Definition von Sünde?
Die Sünde selbst hat nichts mit Gut oder Böse zu tun, das wird häufig in einem Topf geworfen. Sünde bedeutet zunächst sowas wie „das Ziel verfehlen“. Der Youtube-Kanal „Kernbeisser“ erklärt das sehr schön: shorturl.at/nouD8 (Sünde)? Wenn der Bogenschütze das Ziel verfehlt hat, dann hat er im hebräischen Wortsinn gesündigt. Die Kirchen haben das Wort Sünde gern genutzt, um uns zu knechten und damit das tiefe Verständnis dieses Wortes verunstaltet. Wer sündigt, der verfehlt ein Ziel. Man kann bewusst oder unbewusst das Ziel verfehlen. Man kann auch geblendet von eigenen Trugschlüssen über das Gute (!) das Ziel verfehlen. Im Buch Exodus gibt es den Pharao, der aus Sorge, über die sich rasch vermehrenden Israeliten versuchte, deren Zahl zu begrenzen und damit ein Unrecht tat, obwohl er vermutlich beste Intentionen hatte. Vielleicht ist das auch die gefährlichste aller Sünden: die Kraft die das Gute will, aber Böses schafft.
In der Bibel wird die Sünde in den Paulusbriefen auch wie eine dunkle Kraft in einem selbst beschrieben. Paulus schrieb es so schön: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“. Die Sünde betrifft also nicht nur Handlungen (die fehl gehen), sondern auch ein Zustand im Menschen. Eine Art innere Auseinandersetzung, die trotz Erkenntnis und besseren Wissen, uns immer wieder in die falschen Ecken unseres Seins treibt.
Jetzt könnte man auch sagen: Scheiß drauf, man lebt nur einmal – shit happenz every day. Und vielleicht wäre das alles auch gar nicht so tragisch, wenn die Sünde nicht gewisse weitere Eigenschaften hätte, die vor allem uns selbst schädigen. Denn über die Sünde heißt es:
Im Jakobusbrief 1,15: Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
Eine interessante Beobachtung, die auch schon Buddha hatte. Ich fasse das mal derbe in einem Beispiel zusammen: Wer zu viel frisst, der wird fett. Und wer fett ist (ich bin es übrigens), der hat mit erheblichen Einschränkungen im Leben zu kämpfen (bis hin zu chronischen Erkrankungen und sogar den Tod). Die Sünde ist eine Handlung, die wie ein Bumerang uns selbst verdirbt. Dabei entwickelt sie eine suchtartige Eigendynamik. In der Bibelsprache nennt man das „Verhärtung des Herzens“. Man leugnet die Sünde, man versteckt die Sünde, man beschimpft andere Menschen, die einem auf die Sünde aufmerksam machen und das Schlimmste: Man verliert den Zugang zu Gott. Im alten Testament spricht man auch davon, dass die Ohren der Israeliten verfettet sind und Gott nicht mehr hören (wollen). Und der letzte Zustand ist dann, dass man die Sünde frei lebt, wie eine Götze. Das ist dann der Zustand in den der Mensch auf „alles scheißt“, „Hauptsache ich“, „was gehen mir die anderen an“, „nach mir die Sintflut“. So wie König David die Ehefrau seines Soldaten vögelt und dabei noch schwängert und um das zu Vertuschen ihn auch noch umbringt. Oder die späteren König die sündigen und sogar den Zerbruch des israelitischen Königreiches in Kauf nehmen. Oder auch in der heutigen Zeit, wo die Gier eines Mannes die ganze Welt (abermals) ins Chaos stürzt. Leider wie so eine Art Krebsgeschwür, dass sich zu viel nimmt und dabei die Lebensgrundlagen anderer zerstört.
Ein weiterer Aspekt der Sünde, ist eine Art transgenerationale Verkettung. Auch das findet in verschiedenen Religionen Ausdruck, z.B. im Gedanken von Karma im Buddhismus. Oder in der Erbsünde im katholischen Sinne.
Wir alle sind mit den ersten Menschen verbunden: genetisch, kulturell und sozial. In uns ist noch der alte Adam. Unsere Erziehung und die Schäden daraus (Entwicklungstraumata) kumulieren immer wieder in Orgien der Selbstvernichtung. Statt menschliche Beziehungen zu suchen, schließen wir uns in Ideologien ein, in unseren Burgen der Gedanken (wir suchen unser Bedürfnisse nach unbedingte Liebe in den falschen Dingen!) und verpassen das eigentliche Ziel. Wir blicken den anderen nicht mehr als Mensch an, sondern als Repräsentant eines Objekts, das wir aus unseren sündigen Herzen nach außen projizieren. So wird David zum Feind von Saul, weil er neidisch auf dessen Beliebtheit ist. Die Sünde ist wie ein Gift, dass sich von Generation zu Generation weiter tröpfelt. Die Sünde hat etwas ansteckendes, etwas generationales. Darum war es Gott auch so wichtig, dass die Israeliten heiligen werden würden, d.h. dass sie sich vom Rest der Völker abkapseln. Sünde hat aus meiner Sicht erstmal nichts mit Schuld zu tun, es ist einfach ein Zustand der uns von Gott trennt, auf Basis von Handlungen die gegen Gott und seinen Zielen laufen.
Doch was ist denn nun das Ziel, wonach sich die Sünde bemisst? Aus der Bergpredigt:
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Aus meiner Sicht gibt es die Sünde, nicht aber als (direktes) Synonym zu Böse (=Folge der Sünde) oder Schuld. Aber vollumfänglich auf Sünde einzugehen, wäre bisschen viel für diesen Thread. Wo Sünde ist, da ist Finsternis und Gott nicht. Und zu Gott finden, bedeutet aus meiner Sicht genau das: die finsteren Ecken der Psyche ausleuchten und von der Sünde zu lassen, die uns von Gott trennen. Das ist schwer und die meisten wollen das nicht so richtig, daher ist es so wie Jesus (in Johannes 3,19) sagt:
Das Licht ist vom Himmel in die Welt gekommen, aber sie liebten die Dunkelheit mehr als das Licht, weil ihre Taten böse waren. Sie hassen das Licht, weil sie im Dunkeln Böses tun. Sie bleiben dem Licht fern, weil sie Angst haben, dass ihre Taten aufgedeckt werden.