off-peak schrieb:Die widersprechen sich deshalb, weil es für Ersteres Belege gibt, Zweiteres frei erfunden ist.
Das ist ne unterschiedliche Belegsituation, aber kein Widerspruch. Vor allem ist es aber keiner, weil der Schöpfungsbericht streng genommen nicht einmal den "historischen Werdegang" beschreiben will. Sonst hätten die Kompilatoren der Mosebücher auch nicht zwei einander im Schöpungsablauf widersprechende Schöpfungsberichte hintereinandergestellt (nach dem ersten werden erst die Tiere erschaffen, dann die Menschen, nach dem zweiten erst der Mensch, dann die Tiere (und dann die Teilung in Mann und Frau).
Im ersten Bericht ist die Gottebenbildlichkeit des Menschen positiv, und seine Aufgabe ist, über die Mitschöpfung zu herrschen. Im zweiten dagegen wird der Mensch erschaffen und in den Garten gesetzt, die Natur zu pflegen und zu schützen, ihr also zu dienen, und das "Sein wie Gott" gilt als etwas Negatives. Wer diese beiden Stories direkt hintereinandergesetzt hat, der hat sich ganz offensichtlich was dabei gedacht, daß die beiden Gschichtles sich ausgerechnet in diesen beiden Punkten so widersprechen. Quasi nach dem Motto: Es geht um die Beschreibung des Menschen, seiner Funktion und Stellung in der Welt, sowie um seinen Selbstwert. Und wenn beide Extremstandpunkte berücksichtigt werden, kann der Mensch sich im Spannungsfeld dazwischen verorten, beide Seiten der Medaille betrachten.
Auch das sind ja Widersprüche. Aber eben solche, die zum Nachdenken anregen können, die ein für den Menschen (damals wie heute) wichtiges Thema tangieren. Die Widersprüche in der Ereignisabfolge dagegen lassen sich nicht nutzbringend diskutieren - ein Zeichen, daß es um diese Fragestellung des historischen Herganges gar nicht geht. - in dem Fall gibt es dann auch in der Aussageabsicht der Schöpfungsberichte keinen Widerspruch zu Evolution, Urknall, Erdentstehung udgl.
Seit Jahren sag ich regelmäßig: die Bibel ist ein Glaubensbuch. Sie erzählt von Gott und von den Menschen, von den Beziehungen des Menschen zu Gott, zueinander, zur übrigen Mitschöpfung. Wer was über Physik wissen will, soll bitte in ein Physikbuch schauen, ein Biobuch würde ihm ja auch nicht dabei helfen. Die Bibel ist ebenfalls für ein anderes Themenfeld da. Natürlich gibt es sie, Bibelfundamentalisten, Kreationisten... die meinen, mit der Bibel die physische Welt erklären zu können. Aber auch das sage ich seit Jahren: die vergewaltigen die Schrift, die doch ein Buch des Glaubens ist, die von Gott handelt, aber auch vom Menschen (nicht im Sinne des Homo sapiens als historisch gewordener Spezies).
off-peak schrieb:Religion generalisiert aber keine Sachverhalte, sondern behauptet sie ohne Belege. "Es gibt einen Gott" ist kein Sachverhalt, auch kein generalisierter, sondern einfach nur eine, sehr konkrete, Behauptung, für die aber die Belege / Beweise fehlen.
Die Bibel behauptet ja so einiges. Angefangen mit Sachen wie "Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei". Gott wird streng genommen nicht behauptet, sondern vorausgesetzt. Und mit diesem dann vieles betrachtet. Behauptungen, die eines Beleges dringend bedürfen, gibt es gar nicht so viele, bzw. das sind die "Behauptungen", die eben gar nicht relevant sind. Eben wie "erst war der Mensch da, dann die Tiere, dann gabs die Aufteilung in Mann und Frau". Bei einem "es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei" liegt hingegen keine Weltbeschreibung vor, sondern mehr eine Sichtweise, keine Wissenschaft, sondern Weltanschauung, Philosophie... Und da arbeitets sich dann nicht sonderlich clever mit Belegforderung. Es ist Sache des Glaubens, daß dem so sei. Wer es anders sehen will, bitte, dann hat er eben ein anderes Menschenbild.
Wieder ein Grund, wieso die Bibel überhaupt nicht im Widerspruch zu Wissenschaft(en) steht, nicht mal stehen kann. Ganz andere Ebene.