Kybernetis schrieb:Bis jetzt sprechen alle Indizien für klassische Legendenbildung. Schau dir doch mal den Exodus der Israeliten an. Alleine über 600.000 kriegstaugliche zogen los, wenn man Frauen und Kinder mit einrechnet kommt man auf Millionen von Menschen. Das sind viel mehr Israeliten als es Ägypter gab. Die Strecke von Pi-Ramesse bis nach Kanaan kann man zu Fuß in 4 Wochen zurücklegen (schau selber bei Google Maps nach).
Es ist in der Forschung Konsens, dass Zahlenangaben in altorientalischen Schriften und auch in den Schriften anderer Völker (und bei Völkern) zu verschiedenen Zeiten spezielle Bedeutungen haben.
Aus unserer heutigen, westlichen Perspektive betrachten wir Zahlen als absolut.
Das heißt beispielsweise, wenn ich sage:,,Die Bundeswehr verfügt über 10.000 schwerbewaffnete Soldaten", dann heißt das auch konkret:,,10.000 Soldaten".
Im altorientalischen Raum kann es genauso gut unbestimmt ,,sehr viele Soldaten" bedeutet haben. Nicht einmal zur Entstehungszeit der Schriften nahm man also an, dass der Feldherr ganz genau 10.000 Soldaten zur Verfügung hatte, sondern ,,sehr viele Soldaten".
Die Menschen zu jener Zeit und in jenem Raum, also der Adressatenkreis der Schrift, wussten um diese Bedeutung.
Du musst dir vor Augen führen, dass sich unser Verständnis für Zahlen, aber auch für andere Dinge gewandelt hat.
Deshalb ist ja auch die Erforschung der Schriften wichtig (und des Drumherums), anstatt alles nur oberflächlich zu betrachten und wortwörtlich zu nehmen.
Dieses Verhalten wird der Sache sowohl dann nicht gerecht, wenn Religiöse es betreiben, als auch, wenn es Religionskritiker betreiben.
Heide_witzka schrieb:Das hiesse aber doch, dass jede andere Vorstellung genau so gut ist wie deine.
Ich weiß nicht, wie ich es anders erklären soll.
Aber es ist wirklich nicht gleichbedeutend.
Wenn ich Gott und seine Existenz glaube, dann richte ich nicht über seine Eigenschaften, sondern nehme an, was mir überliefert wird.
Ich halte seine Existenz für wahr.
Wenn ich dagegen sage, Gott müsse so und so sein, damit ich an ihn und seine Existenz glaube, dann versetze ich mich demgegenüber in die Position eines Richters. Ich urteile, ich erhebe den Anspruch, zu beurteilen, wie Gott sein MUSS. DANN schreibe ich ihm was vor und mache mich größer. Dies unterscheidet sich von Ersterem.
Heide_witzka schrieb:Jeder schafft sich halt das Bild von Gott, dass mit seinen Vorstellungen kompatibel ist.
Idealerweise schafft man sich gar kein Bild. Soll man auch nicht, denn Gott wird als unverfügbar im wörtlichen Sinne geglaubt - man kann nicht über ihn verfügen. Das Bilderverbot auf der biblischen Grundlage beruht auf der Überzeugung, dass es schon Verfügungsgewalt bedeutet, wenn ich mir ein Bild von einem Gott mache.
Gleichzeitig ist das der Ansatzpunkt für Abhängigkeit. Ich mache mich beispielsweise abhängig von der Tonfigur, meinem Götzen und muss ihm dienen, nach ,,seinen" Regeln leben usw., dann wird er mir Gutes tun.
So ist es beim christlichen Gott aber nicht gedacht. Das Bilderverbot zielt vielmehr auf die Befreiung des Menschen ab - er soll sich kein Bild von Gott machen. Er muss sich kein Bild von Gott machen und sich ihm unterwerfen oder ihn ständig besänftigen.
Heide_witzka schrieb:Ich stelle da gerne mal den Bezug zur Realität her. Wenn ich einer Menge von Menschen erklären müsste, wie sich verhalten soll um in den Genuss von XY zu kommen, dann würde ich es eindeutig und nicht mehrdeutig formulieren.
Spart eine Menge Arbeit im Nachhinein Dinge aufzuklären, die in meinen Augen falsch verstanden bzw. ausgelegt wurden.
Was soll die Mehrdeutigkeit für einen Sinn ergeben, es sei denn es gibt mehrere Möglichkeiten zu Ziel zu kommen. Dann muss aber wiederum die unterschiedlichen Wege eindeutig beschrieben sein um Missverständnisse zu vermeiden.
Was ist mit dem Argument, dass es unterschiedliche Sprachen gibt, die unterschiedlich funktionieren?
Der gleiche Inhalt muss in unterschiedlichen Sprachen präsentiert werden und unterschiedlichen Gedankengängen Ansatz bieten.
Vor allem bei einer universell an alle Menschen gerichteten Lehre.
Einfach formuliert: was uns in Deutschland völlig plausibel und logisch erscheint, erscheint dem Chinesen aus Shanghai nicht logisch und plausibel. Damit er den Inhalt versteht, muss ich ihn anders präsentieren.
Das macht den Inhalt ja nicht unwahr.
Heide_witzka schrieb:Was nicht heisst, dass man nicht trotzdem zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. H. W. Kubitza ist promovierter Theologe, wahrscheinlich sogar der gleichen Theologie, die auch du studierst, und ich glaube, dass du nicht mit ihm d'accord bist.
Das ist ja auch in Ordnung. Du sollst ja auch als Theologe oder Pastor nicht nur nachplappern, was jemand vor dir schon mal behauptet hat. Es geht um gute Argumente und Plausibilität. Gibt es handfeste Indizien für deine Behauptung? Oder sind deine vermeintlichen Erkenntnisse zu einem Vers völlig aus der Luft gegriffen?
Was überzeugt, entscheiden letztlich die Leser und Hörer.
Heide_witzka schrieb:Das muss mir entgangen sein. Götter sind doch immer Spekulationen. Noch nie wurde meines Wissens einer nachgewiesen.
Reine Spekulation liegt vor, wenn man ohne vernünftige Vorgehensweise und seriöse Grundlage redet.
Ich habe doch aber verschiedene Schritte angerissen, mit denen man sich dem Bedeutungsgehalt biblischer Verse nähern und Indizien für und gegen Interpretationen herausarbeiten kann. Also ist das keine Spekulation mehr.
Und nochmal: zumindest der christliche Gott kann sozusagen nachweislich nicht nachgewiesen werden.
Du folgerst nur vorschnell daraus, dass er deshalb nicht existiert.
Dem kann ich mich nicht anschließen, das ist unlogisch.