@Heide_witzka Unter dem Begriff ,,Gott" wird im christlichen Glauben, kurz gesagt, ein allmächtiges, unabhängiges Wesen verstanden. Das höchste Wesen überhaupt, nicht wahr?
Wenn ich mich hinstelle und sage:,,Gott muss so und so sein", dann begebe ich mich in die Position, Gott vorschreiben zu können, wie er zu sein hat, damit ich seine Existenz mit meinem Urteilsvermögen anerkenne. Damit allerdings stelle ich mich höher, als Gott, ich selbst will die Bedingungen seiner Existenz vorgeben. Dann aber entspräche
dieser Gott nicht mehr dem, was wir unter dem christlichen Gott verstehen. Er würde im Grunde zu einem kleinen Diener, der auf Befehl zu tun hat, was ich ihm sage.
Du kannst Gott nicht durch menschliche Logik beweisen, wie unter anderem der Philosoph Immanuel Kant sehr gut erläutert hat.
Ließ beispielsweise mal die § 85, 86, 87 in ,,Kritik der Urteilskraft".
Heide_witzka schrieb:Sie erlaubt also mehrere Auslegungen?
Ja. Das ist auch keine nagelneue Erkenntnis. Das hat man auch schon verstanden, als es die Bibel noch nicht gab und man hat es auch begriffen, als man sich auf einen Kanon geeinigt hatte. Menschen, die sich mit den biblischen Schriften befassen, haben seit jeher darüber diskutiert, wie diese zu verstehen sind und ob und wie dort der Wille Gottes zum Ausdruck kommt.
Das finde ich auch plausibel. Einer der Gründe hierfür, der mir logisch erscheint, besteht in der Erkenntnis, dass man sich nicht allein sklavisch an die Schriften halten darf, sondern es darüber hinaus mehr bedarf, um Christ zu sein und zu Gott zu finden.
Ein Verständnis, das ich sehr überzeugend finde, ist das lutherische: der Mensch SOLL gar nicht alle Gesetze der Bibel einhalten können.
Denn könnte er dies, würde es unter anderem bedeuten, dass er sich Ansprüche gegenüber Gott erarbeiten und diesen zu etwas zwingen kann. Das wiederum entspräche nicht den Vorstellungen vom christlichen Gott.
Heide_witzka schrieb:Welche ist die richtige?
Woran machst du das fest?
Das ist ein komplizierter Prozess.
Zunächst einmal kann ein Vers mehrere Wahrheiten gleichermaßen bieten, weshalb auch nicht?
Sodann kommt es drauf an, wie fundiert die Aussagen sind.
Ich kann einen Bibelvers einmal lesen und daraufhin verkünden:,,Achso, völlig klar, das bedeutet...".
Das ist dann aber keine qualifizierte Auslegung. Idealerweise verfüge ich über Sprachkenntnisse und kann das Althebräische oder Altgriechische übersetzen. Dies und andere Hinweise, die Theologen vor mir zusammengetragen haben und die etwa in der BHS it angegeben sind, erlauben mir, so nah wie möglich an den ursprünglichen Autor oder die Autoren der Verse heranzukommen.
Damit erhöht sich meine Chance, besser zu begreifen, was diese für eine Botschaft vermitteln wollten und was sie bewegte.
Hinzu kommen zusätzliche Informationen, wenn die verfügbar sind: stammen die Verse beispielsweise aus einer Kriegssituation? Gibt die Geschichte darüber Aufschluss?
Dann muss ich sie in einem anderen Licht lesen, als wenn ich davon ausgehen kann, dass der Autor seit 200 Jahren in einem friedlichen Tal lebte.
Meine Sprachkenntnisse erlauben mir auch, zu wissen, dass ein Wort, wie das hebräische Nefesch eine ganze Reihe möglicher Bedeutungen hat.
Weiter gucke ich mir an, wie sich der Vers in das Gesamtbild einfügt. Was steht davor und dahinter? Was steht generell in der jeweiligen Schrift? Wie fügt sich das in den gesamten Kontext der Bibel ein?
Wie haben andere Theologen vor mir und neben mir das verstanden?
Am Ende kann ich eine relativ qualifizierte Aussage über eine mögliche Auslegung des Verses treffen.
Was ich ablehne, sind vorschnelle Ergebnisse. Also einfach Bibel aufschlagen, auf einen Vers zeigen und dann die erstbeste Idee als Wahrheit darstellen.
Ich weiß, dass das Fundamentalisten gerne tun, davon halte ich 0.
Allerdings tun es nicht nur Fundis gerne, sondern auch mancher Atheist, um zu zeigen, wie blöd das alles sei
:DHeide_witzka schrieb:OK, ich hänge da nicht am Wort. Wie wäre mit einer "Sammlung von Sagen und Legenden"?
Das ist schon was anderes. Legenden sind definitiv auch in die Bibel mit eingeflossen.
Es ist aber nicht einfach Wortklauberei, wenn ich darauf bestehe, dass die Bibel kein Märchenbuch ist.
Die Begriffe Märchen, Sage, Legende etc. sind keine Synonyme, sondern bezeichnen unterschiediche Gegenstände. Wenn man genau hinsieht, kann man unterschiedliche Merkmale ausmachen.
Dass in der Bibel zweifellos legendäre Anteile enthalten sind, kann noch nicht dazu führen, ihren gesamten Inhalt als reine Erfindung abzutun. Das Buch ist ausgesprochen vielschichtig hinsichtlich seines Aufbaus, seiner Inhalte und Hintergründe.
Bibelkundliche Literatur gibt da einen guten Überblick, kann ich auch Literaturempfehlungen zu aussprechen.
@Kybernetis Die Bibel ist kein Märchenbuch, weil sie nicht die Kennzeichen eines Märchen aufweist. So einfach ist das.
Daran kannst du auch mit unsinnigen ,,Vergleichen" nichts ändern.