Mich widert an:
Ein Programm für die Wohlstandsbürger
Die AfD will einen "schlanken Staat", der sich nicht in die Wirtschaft einmischt. "Auf breiter Front deregulieren", heißt die Devise eines recht marktradikalen Programms - mit eingebauten Erleichterungen für Steuerflüchtlinge: "Steuerdaten deutscher Bürger (…) sollten vom Staat vertraulich behandelt (und) nicht mit anderen Institutionen (…) ausgetauscht" werden. Die Erbschaftsteuer und die Gewerbesteuer fallen, wenn es nach der AfD geht, weg. Die Partei bevorzugt die Vermögenden und erhöht das Risiko aller anderen, in die Armut abzurutschen. Dies widerspricht Aussagen, man stehe auf der Seite des "normalen" Bürgers.
Von wegen Solidarität
Wer auf der Schattenseite der Gesellschaft steht, hat in der Tat wenig zu lachen, sollte die Wunschliste der AfD Wirklichkeit werden: Das Arbeitslosengeld I will die Partei "privatisieren", also abschaffen zugunsten "individuell maßgeschneiderter" Lösungen "für den Fall der Arbeitslosigkeit". Viele können sich eine effiziente private Vorsorge gar nicht leisten. Das ist ein erster Schritt zur Zerschlagung des solidarischen Sozialversicherungssystems. Dieses könne zwar "Halt in schwierigen Zeiten" geben, untergrabe aber die "Selbstständigkeit des Bürgers" und unterlaufe "bewährte familiäre Strukturen".
"Nationalstaat des deutschen Volkes"
Die AfD spricht vom "Nationalstaat des deutschen Volkes", eine seltsame Formulierung, die als Einheit von Staat und Ethnie verstanden werden kann. Ein Nationalstaat mit mehreren Völkern, wie zum Beispiel Belgien einer ist, scheint für die Partei nicht vorstellbar. In die Richtung eines allein durch die Abstammung definierten Volksverständnisses weist auch die massive Ablehnung der – unterstellten – Kompensation des Geburtenrückgangs durch Zuwanderung: "Dass die Geburtenrate unter Migranten (…) deutlich höher liegt als unter deutschstämmigen Frauen, verstärkt den ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur."
Neokonservativer Roll-Back - ein Fazit
Liberales Waffenrecht, Klimaskepsis, Demontage des Sozialstaates, Aushöhlung des Rechtsstaates: Die Forderungen der AfD erinnern an den "Neokonservatismus" Margret Thatchers oder Ronald Reagans. Die Partei will eine an ultra-konservativen Leitbildern orientierte Gesellschaft schmieden, die alle Abweichungen von der gesetzten Norm verteufelt. Sie glaubt, den „gesunden Menschenverstand“ und „das politische Urteilsvermögen (…) der mündigen Bürger“ auf ihrer Seite zu haben. Die gesellschaftliche Illiberalität der AfD fällt mit einer radikalen wirtschaftlichen Liberalität zusammen. Diese Kombination fördert - entgegen aller Lippenbekenntnisse der AfD – die soziale Spaltung der Gesellschaft in Wohlstandsbürger und Abgehängte. AfD-Politiker stellen sich gerne auf die Seite des "kleinen Mannes", doch ihre Agenda spricht eine andere Sprache.
aus:
http://www.br.de/nachrichten/afd-programm-100.html (Archiv-Version vom 25.06.2016)Ganz schön ausgereift für Newcomer
Fortsetzung möglich