Hier auch mal interessante Aspekte:
http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-beschneidung-vom-richtigen-umgang-mit-recht-1.1413208 [...]
Weil man sich nicht ausmalen möchte, wie eine Anti-Beschneidungs-Polizei aussähe und welche Folgen sie für das Zusammenleben der Gesellschaft hätte, will der Gesetzgeber nun klarstellen, dass Beschneidung keine strafbare Körperverletzung darstellt. Angesichts anschwellender Aggressivität der Debatte ist das notwendig. So manche Religionskritiker scheinen das Urteil als Lizenz zur Religionsbeschimpfung misszuverstehen.
Recht schützt Minderheiten
Eine Rechtfertigung der Beschneidung per Gesetz ist keine gefühllose Bagatellisierung einer Körperverletzung. Es handelt sich auch nicht um eine gesetzlich kaschierte Weigerung, Recht durchzusetzen, sondern um den Versuch, mit Recht richtig umzugehen. Recht hat die Aufgabe, das Zusammenleben von Menschen so verträglich wie möglich zu gestalten. Recht schneidet die Gesellschaft nicht auseinander; es schützt Minderheiten. Und die Verfassung achtet die Religionen und ihre Riten.
Selbstredend gibt es Grenzen: Wenn die Würde des Menschen verletzt wird, wenn eine angeblich göttliche Leitkultur die Grundrechte negiert - dann sind die Grenzen überschritten. Aber die Beschneidung ist nicht der Einstieg in die Scharia, nicht Symbol für die Negation der Rechtsordnung, sie ist vielen nur befremdlich fremd. Eine Bestrafung des nur Befremdlichen wäre unverhältnismäßig. Das heißt: Der Schutz der Vorhaut gegen vermeintlich unverständige Eltern ist keine Angelegenheit für das Strafrecht.
Beschneidungskritiker fordern von Juden und Muslimen, über den Sinn dieses Ritus nachzudenken. Muslime und Juden dürfen aber auch von ihren Kritikern ein Nachdenken darüber verlangen, warum die Kritik einen so aggressiv-selbstgerechten Ton anschlägt. Bisweilen kann man den Eindruck haben, dass es nicht nur einen religiösen, sondern auch einen anti-religiösen Fundamentalismus gibt. Die Unversöhnlichkeit der Kopftuch-Debatte findet in der Beschneidungs-Debatte ihre Fortsetzung. Das hat mit Aufklärung nichts zu tun. Aufklärung ist nicht die Verächtlichmachung der Anderen. Eine aufgeklärte Gesellschaft ist eine, die auf respektvolles Zusammenleben achtet.