Südlicht
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"Wir sind das Volk"
13.12.2010 um 18:08Ich möchte nun einfach mal was loswerden, das mir schon seit langer Zeit unter den Nägeln brennt. Keine Ahnung, ob ich die richtige Kategorie erwischt und eine passende Überschrift gewählt habe, keine Ahnung ob ich es schaffe mich verständlich auszudrücken. Ich hoffe es. ;-)
Es ist ziemlich schwierig, genau in Worte zu fassen und differenziert zu beschreiben, was ich meine, darum bleibe ich vorerst so allgemein.
Also,
Es gibt da so einen (aus meiner subjektiven Sicht) wachsenden Trend (vielleicht war er auch schon immer da), der mir gar nicht gefällt:
Vor allem in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen begegnet man immer öfter Menschen, ich weiß nicht wie ich sie bezeichnen soll, die spielen sich regelmäßig als höchste moralische Instanz und intellektuelle Elite auf. Sie wissen, können und machen alles besser als andere, wollen scheinbar eine "neue Ära der Aufklärung" einläuten und all die vermeintlich Dummen bekehren. Sie haben die einzig richtige Wahrheit und Weisheit für sich gepachtet und lassen das nur zu gern raushängen. Dabei treten sie meist unfassbar arrogant und selbstgefällig auf, machen Andersdenkende verbal nieder. Natürlich immer subtil von Oben herab, denn plumpe Beschimpfungen und Pöbeleien sind nicht ihr Niveau. Eher beherrschen sie die Kunst der indirekten Beleidigung, die nur in intelektuellen Kreisen, zu denen sie ihre Gesprächspartner idR nicht zählen, verstanden werden soll. Damit zeigen sie, dass es für sie entgegen allen sozialen Gebärdens sehr wohl eine gesellschaftliche Hierarchie gibt, wo derjenige, der ihnen widerspricht oder ihren verqueren Gedankengängen nicht folgen kann/ will, ganz unten steht.
Fragt sich nur, ob Kalkül dahinter steckt und eine neue, uniforme, gleichgeschaltete Gesellschaft angestrebt wird, oder ob es nur der Selbstinszenierung dient und die Folgen dabei unterschätzt werden..
Das Tückische an ihnen ist ihre tatsächliche Intelligenz, durch die sie andere nur bestens zu manipulieren wissen, und die Nichtmanipulierbaren einzuschüchtern. Emotionalität ist unerwünscht, außer sie dient dazu, Debatten anzuheizen, Stimmung zu machen und zu radikalisieren. An ihre Seite gesellen sich dann Mitläufer, parolenschreiende Demagogen und Agitatoren, Leute denen dadurch ein falsches Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt wird und die sich davon nur gerne mitreißen lassen. Schließlich gibt es ja einen oder mehrere gemeinsame Feinde - die "Mächtigen, Politiker, Manager, Bänker", aber auch "die Dummen", und eigentlich alle, die nicht denken wie sie, oder ihr Denken hinterfragen.
Das ist die neue "kritische Masse". Der neue Mainstream, der sich dessen gar nicht bewusst ist oder sein will, dass er der neue Mainstream ist, da er sich "entschlossen und mutig" gegen den Mainstream von gestern stellt, oder alles was er dafür hält.
Dass Volksverdummung und Meinungsmache heute schon lange nicht mehr nur von BILD und DSDS ausgeht, sehen diese "kritischen" Leute nicht.
Aufgeklärtheit und kritisches Denken glänzen hier vor allem durch Einseitigkeit. Sich selbst, ihre Äußerungen, ihr Weltbild und den eigenen Dunstkreis kritisch betrachten, wollen oder können diese Leute, die ich meine, nicht. Stattdessen ist alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, DUMM oder FEIND. Da wird wie einstmals mit "gesundem Menschenverstand" argumentiert, der denjenigen fehle, die nicht ins "kritische" Mainstreamwolfsgeheul einstimmen oder dieses sogar zu kritisieren wagen.
"Realität" und "Realitätsverlust", "Vernunft", "Verstand", und ähnliche "aufklärerische" Begriffe werden als verbale Totschläger verwendet um andere zu diskreditieren, die nicht die eigene Meinung teilen, die ja selbstverständlich auch gar keine Meinung ist, sondern "Wahrheit" und "Tatsache".
Ideologie, Verblendung, Verbohrtheit, Scheuklappen, Dogmatismus, Fundamentalismus - und eine Menge Mitläufer. Kombiniert mit der politischen und sozialen Lage in Deutschland und Europa führt das zwangsläufig zu nichts Gutem. Die vorhandenen Missstände werden ausgenutzt und instrumentalisiert, um sich selbst und seine Weltsicht zu profilieren und Anhänger zu gewinnen.
(Hatten wir alles schon mal? Aber nicht doch! Heute funktioniert das viel subtiler, so subtil, dass dieser Vergleich von vielen nicht akzeptiert wird, da sie nie auf die Idee kämen, dass er überhaupt nahe liegen könnte.)
Und überhaupt, das "deutsche Volk" ist doch jetzt am "Aufwachen", überall werden Aufstände und Revolutionen herbeigesehnt, sinnlose Krawalle in anderen Ländern schon als solche gefeiert, "die Bürger wehren sich", und wenn es wirklich mal "knallt" in Deutschland, worauf viele ja schon hinfiebern, dann ist klar, wer danach das Sagen hat: Diejenigen, die sich anmaßen, für "das Volk" zu sprechen, als sei es ein homogener Körper, und sich Demokratie auf die Fahnen schreiben, obwohl es in ihrer Welt zu fast nichts mehr zwei Meinungen geben kann.
Ich möchte gar nicht weiter darüber nachdenken, und eigentlich war es auch schon viel zu viel an Text. Hätte das auch in "Rechtsextremismus" oder "Linksextremismus" oder in einer der zahlreichen "Kommt jetzt die Revolution?"-Threads posten können. Oder in einer der Integrationsdebatten, unter "Kapitalismus" oder in "Stuttgart 21". Es ist doch überall dasselbe. Dieser Trend zieht sich durch sämtliche Themen und diese Fundamentaldenke existiert in allen politischen Lagern. Es sind lange nicht mehr nur die "klassischen" Rechten oder Linken oder deren Extreme. Fundamentalisten und Demagogen tummeln sich schon längst in der sog. "Mitte", wähnen sich als kritische Aufklärer und Moralapostel, die mit stets erhobenem Zeigefinger ihre unerschöpfliche Weisheit und unantastbare Wahrheit unters Volk bringen wollen, indem sie alle, die anders sind und denken, diffamieren, deren Intellekt anzweifeln, etc.
Das fällt mir zunehmend auf, das beunruhigt mich, und das macht mich wütend.
Sind heutzutage überhaupt noch sachliche politische bzw gesellschaftliche Diskussionen möglich, so ganz ohne Polemik, Standardphrasen, Populismus, Hetze?
Wo ist die Toleranz und Meinungsvielfalt geblieben, wo der Respekt voreinander?
Warum sieht kaum jemand, dass eine Gesellschaft nicht ohne Kompromisse und gegenseitige Rücksichtnahme funktionieren kann?
Stattdessen sind wir ne Ellbogengesellschaft, die mit Ellbogen gegen sich selbst kämpft.
Kein Platz für Individualität, alternative Sichtweisen und Weltbilder.
Es gilt das Recht des Stärkeren und das Recht des Mainstream.
Ganz ehrlich, und wenn es dafür jetzt auch mächtig Kritik hagelt:
Wenn ich mir "das Volk" (bzw seine selbsternannten Fürsprecher) so anschaue bzw lese was es so an realen und Online-Stammtischen verzapft, wie es miteinander umgeht und oftmals Demokratie interpretiert... dann traue ich "dem Volk" kein bisschen mehr als den von ihm gewählten, korrupten und machtgierigen Vertretern. Letztendlich sind besonders die, die sich für besser halten, kein Stück besser!
Den meisten geht es nur um die eigenen Belange und die eigene Eitelkeit.
Wir sind ein Volk von Egoisten, Besserwissern, Rechthabern, Dogmatikern. Darum fällt es mir schwer, mich mit Massenprotesten und "Wir sind das Volk"-Rufern zu solidarisieren, selbst wenn die Inhalte dieser Proteste auch meine Belange und Forderungen sein sollten.
Könnt ihr gerne doof finden - oder wie heißt das heutzutage diskreditierenderweise... "obrigkeitshörig" ;-)
Für mich ist es viel simpler:
Keine Solidarität mit einem wütenden, emotional entfesselten "Mob", dessen einziger
Zusammenhalt auf einem gemeinsamen Feind basiert, und ansonsten jeder sein eigenes ideologisches Ziel verfolgt, bereit, jeden Andersdenkenden zu bekämpfen.
Ein "Volk" wie wir es sind, ist nicht in der Lage sich selbst zu regieren und zu verwalten.
Unsere derzeitigen Politiker allerdings auch nicht, das ist das Dilemma.
Es ist ziemlich schwierig, genau in Worte zu fassen und differenziert zu beschreiben, was ich meine, darum bleibe ich vorerst so allgemein.
Also,
Es gibt da so einen (aus meiner subjektiven Sicht) wachsenden Trend (vielleicht war er auch schon immer da), der mir gar nicht gefällt:
Vor allem in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen begegnet man immer öfter Menschen, ich weiß nicht wie ich sie bezeichnen soll, die spielen sich regelmäßig als höchste moralische Instanz und intellektuelle Elite auf. Sie wissen, können und machen alles besser als andere, wollen scheinbar eine "neue Ära der Aufklärung" einläuten und all die vermeintlich Dummen bekehren. Sie haben die einzig richtige Wahrheit und Weisheit für sich gepachtet und lassen das nur zu gern raushängen. Dabei treten sie meist unfassbar arrogant und selbstgefällig auf, machen Andersdenkende verbal nieder. Natürlich immer subtil von Oben herab, denn plumpe Beschimpfungen und Pöbeleien sind nicht ihr Niveau. Eher beherrschen sie die Kunst der indirekten Beleidigung, die nur in intelektuellen Kreisen, zu denen sie ihre Gesprächspartner idR nicht zählen, verstanden werden soll. Damit zeigen sie, dass es für sie entgegen allen sozialen Gebärdens sehr wohl eine gesellschaftliche Hierarchie gibt, wo derjenige, der ihnen widerspricht oder ihren verqueren Gedankengängen nicht folgen kann/ will, ganz unten steht.
Fragt sich nur, ob Kalkül dahinter steckt und eine neue, uniforme, gleichgeschaltete Gesellschaft angestrebt wird, oder ob es nur der Selbstinszenierung dient und die Folgen dabei unterschätzt werden..
Das Tückische an ihnen ist ihre tatsächliche Intelligenz, durch die sie andere nur bestens zu manipulieren wissen, und die Nichtmanipulierbaren einzuschüchtern. Emotionalität ist unerwünscht, außer sie dient dazu, Debatten anzuheizen, Stimmung zu machen und zu radikalisieren. An ihre Seite gesellen sich dann Mitläufer, parolenschreiende Demagogen und Agitatoren, Leute denen dadurch ein falsches Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt wird und die sich davon nur gerne mitreißen lassen. Schließlich gibt es ja einen oder mehrere gemeinsame Feinde - die "Mächtigen, Politiker, Manager, Bänker", aber auch "die Dummen", und eigentlich alle, die nicht denken wie sie, oder ihr Denken hinterfragen.
Das ist die neue "kritische Masse". Der neue Mainstream, der sich dessen gar nicht bewusst ist oder sein will, dass er der neue Mainstream ist, da er sich "entschlossen und mutig" gegen den Mainstream von gestern stellt, oder alles was er dafür hält.
Dass Volksverdummung und Meinungsmache heute schon lange nicht mehr nur von BILD und DSDS ausgeht, sehen diese "kritischen" Leute nicht.
Aufgeklärtheit und kritisches Denken glänzen hier vor allem durch Einseitigkeit. Sich selbst, ihre Äußerungen, ihr Weltbild und den eigenen Dunstkreis kritisch betrachten, wollen oder können diese Leute, die ich meine, nicht. Stattdessen ist alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, DUMM oder FEIND. Da wird wie einstmals mit "gesundem Menschenverstand" argumentiert, der denjenigen fehle, die nicht ins "kritische" Mainstreamwolfsgeheul einstimmen oder dieses sogar zu kritisieren wagen.
"Realität" und "Realitätsverlust", "Vernunft", "Verstand", und ähnliche "aufklärerische" Begriffe werden als verbale Totschläger verwendet um andere zu diskreditieren, die nicht die eigene Meinung teilen, die ja selbstverständlich auch gar keine Meinung ist, sondern "Wahrheit" und "Tatsache".
Ideologie, Verblendung, Verbohrtheit, Scheuklappen, Dogmatismus, Fundamentalismus - und eine Menge Mitläufer. Kombiniert mit der politischen und sozialen Lage in Deutschland und Europa führt das zwangsläufig zu nichts Gutem. Die vorhandenen Missstände werden ausgenutzt und instrumentalisiert, um sich selbst und seine Weltsicht zu profilieren und Anhänger zu gewinnen.
(Hatten wir alles schon mal? Aber nicht doch! Heute funktioniert das viel subtiler, so subtil, dass dieser Vergleich von vielen nicht akzeptiert wird, da sie nie auf die Idee kämen, dass er überhaupt nahe liegen könnte.)
Und überhaupt, das "deutsche Volk" ist doch jetzt am "Aufwachen", überall werden Aufstände und Revolutionen herbeigesehnt, sinnlose Krawalle in anderen Ländern schon als solche gefeiert, "die Bürger wehren sich", und wenn es wirklich mal "knallt" in Deutschland, worauf viele ja schon hinfiebern, dann ist klar, wer danach das Sagen hat: Diejenigen, die sich anmaßen, für "das Volk" zu sprechen, als sei es ein homogener Körper, und sich Demokratie auf die Fahnen schreiben, obwohl es in ihrer Welt zu fast nichts mehr zwei Meinungen geben kann.
Ich möchte gar nicht weiter darüber nachdenken, und eigentlich war es auch schon viel zu viel an Text. Hätte das auch in "Rechtsextremismus" oder "Linksextremismus" oder in einer der zahlreichen "Kommt jetzt die Revolution?"-Threads posten können. Oder in einer der Integrationsdebatten, unter "Kapitalismus" oder in "Stuttgart 21". Es ist doch überall dasselbe. Dieser Trend zieht sich durch sämtliche Themen und diese Fundamentaldenke existiert in allen politischen Lagern. Es sind lange nicht mehr nur die "klassischen" Rechten oder Linken oder deren Extreme. Fundamentalisten und Demagogen tummeln sich schon längst in der sog. "Mitte", wähnen sich als kritische Aufklärer und Moralapostel, die mit stets erhobenem Zeigefinger ihre unerschöpfliche Weisheit und unantastbare Wahrheit unters Volk bringen wollen, indem sie alle, die anders sind und denken, diffamieren, deren Intellekt anzweifeln, etc.
Das fällt mir zunehmend auf, das beunruhigt mich, und das macht mich wütend.
Sind heutzutage überhaupt noch sachliche politische bzw gesellschaftliche Diskussionen möglich, so ganz ohne Polemik, Standardphrasen, Populismus, Hetze?
Wo ist die Toleranz und Meinungsvielfalt geblieben, wo der Respekt voreinander?
Warum sieht kaum jemand, dass eine Gesellschaft nicht ohne Kompromisse und gegenseitige Rücksichtnahme funktionieren kann?
Stattdessen sind wir ne Ellbogengesellschaft, die mit Ellbogen gegen sich selbst kämpft.
Kein Platz für Individualität, alternative Sichtweisen und Weltbilder.
Es gilt das Recht des Stärkeren und das Recht des Mainstream.
Ganz ehrlich, und wenn es dafür jetzt auch mächtig Kritik hagelt:
Wenn ich mir "das Volk" (bzw seine selbsternannten Fürsprecher) so anschaue bzw lese was es so an realen und Online-Stammtischen verzapft, wie es miteinander umgeht und oftmals Demokratie interpretiert... dann traue ich "dem Volk" kein bisschen mehr als den von ihm gewählten, korrupten und machtgierigen Vertretern. Letztendlich sind besonders die, die sich für besser halten, kein Stück besser!
Den meisten geht es nur um die eigenen Belange und die eigene Eitelkeit.
Wir sind ein Volk von Egoisten, Besserwissern, Rechthabern, Dogmatikern. Darum fällt es mir schwer, mich mit Massenprotesten und "Wir sind das Volk"-Rufern zu solidarisieren, selbst wenn die Inhalte dieser Proteste auch meine Belange und Forderungen sein sollten.
Könnt ihr gerne doof finden - oder wie heißt das heutzutage diskreditierenderweise... "obrigkeitshörig" ;-)
Für mich ist es viel simpler:
Keine Solidarität mit einem wütenden, emotional entfesselten "Mob", dessen einziger
Zusammenhalt auf einem gemeinsamen Feind basiert, und ansonsten jeder sein eigenes ideologisches Ziel verfolgt, bereit, jeden Andersdenkenden zu bekämpfen.
Ein "Volk" wie wir es sind, ist nicht in der Lage sich selbst zu regieren und zu verwalten.
Unsere derzeitigen Politiker allerdings auch nicht, das ist das Dilemma.