Russland Terror
05.09.2004 um 11:58
Hier ein langer Text mit richtig guten Info´s !
Der Schatten des internationalen Terrorismus ist auf Beslan gefallen !
Die Islamisten kämpfen global !
Von Markus Wehner.
05. September 2004 "Das war eine ganze Internationale", sagt Aslambek Aslachanow, der ehemalige Polizeigeneral und Tschetschenien Berater Präsident Putins. Denn unter den Geiselnehmern von Beslan seien nicht nur Tschetschenen gewesen. Von den 26 Terroristen, die Hunderte Kinder in der Schule umbrachten, waren nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes FSB "neun Araber und ein Neger".
"Araber befehlen in Tschetschenien", sagt darum auch der Chef der FSB Informationsabteilung in Moskau, Sergej Ignatschenko. Ein Mann wie Separatistenführer Aslan Maschadow sei nur der symbolische Kopf der Rebellen.
Es seien die Araber, die entschieden, wann und wo große Anschläge unternommen würden. Achthundert "fanatische Islamisten" gibt es nach diesen Angaben in Tschetschenien und im Nordkaukasus, die Hälfte von ihnen seien Kämpfer aus dem Ausland. Bezahlt würden sie von islamistischen Organisationen aus dem Nahen Osten.
Der Nordkaukasus, Rußlands schwächste Stelle !
Der internationale Dschihad hat sich Rußlands schwächste Stelle, den Nordkaukasus, als Angriffsziel ausgesucht. Wird Europas Sicherheit jetzt nicht mehr nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch in Grosnyj, in Nasran, Machatschkala, Naltschik, Wladikawkas oder in Beslan? Oder ist das nur Propaganda einer Regierung, die von ihrem eigenen Versagen in Tschetschenien ablenken will? Ist der Kampf der Tschetschenen gegen die russische Oberhoheit nicht jahrhundertealt?
Das stimmt zwar. Doch richtig ist auch, daß die islamistischen Truppen den Nordkaukasus längst erreicht haben. Eine Hauptfront ihres Kampfes liegt nur drei Flugstunden von Deutschland entfernt. Längst geht es nicht mehr nur um Tschetschenien. Davon zeugen die Überfälle auf Inguschetien, Dagestan und jetzt Nordossetien. Vielleicht kommen bald auch Karatschai Tscherkessien, Karbadino Balkarien oder Adygien dazu. Der Nordkaukasus ist ein Flickenteppich von Völkern, Sprachen und Religionen. Lange hatten die kaukasischen Muslime mit der fundamentalistischen Spielart der arabischen Länder wenig gemein. Ihr Islam speiste sich aus der mystischen Tradition des Sufismus. Doch nichts ist mehr so, wie es war.
Keine Arbeit auf den Kolschosen, Dollars in den Moscheen !
Vielleicht kam der Dschihad zuerst nach Karamachi, einem kleinen Dorf in Dagestan. Dort traf Anfang der neunziger Jahre Chabib Aburrachman ein. Der jordanische Geistliche brachte eine geschlachtete Kuh mit und gab für die verarmten Dorfbewohner jede Woche ein Fest. Auf der Kolchose gab es schon keine Arbeit mehr, doch wer zu ihm in seine kleine hölzerne Moschee kam, erhielt jedesmal dreißig Dollar. Er und die anderen Araber, die ihm folgten, boten nicht nur Geld, sondern auch einen neuen Glauben. Bis zum Ende der neunziger Jahre hatte die wachsende Anhängerschaft des Jordaniers das Dorf zu einer bewaffneten, von Tunneln durchzogenen Festung gemacht: die Keimzelle für einen neuen islamischen Staat.
Hatte man am Anfang noch freundlich geworben, so hieß es nun:
Mach mit, oder wir schneiden dir den Kopf ab! So berichten die Einwohner des Dorfes. Die Extremisten hißten die grüne Flagge des Islams, vertrieben die 14 Polizisten aus dem Dorf und erklärten die russische Verfassung für ungültig.
"Das Territorium steht unter dem Gesetz der Scharia", stand auf einem Schild an der Hauptstraße.
Bassajew über Bassajew: „Kein Terrorist, sondern ein Aufständischer” !
Im September 1999 fielen Bomben auf Karamachi, russische Streitkräfte nahmen das Dorf ein. Fünfhundert islamistische Rebellen unter Führung von Emir al Chattab, einem anderen Jordanier, hatten von Tschetschenien aus Dörfer in Dagestan überfallen und zu islamistischem Gebiet erklärt. Chattab hatte schon als junger Mann mit Usama Bin Ladin in Afghanistan gekämpft. Mitte der neunziger Jahre kam er in Tschetschenien an. Damals führte Moskau gerade seinen ersten Krieg gegen die Kaukasusrepublik. Der Führer der tschetschenischen Separatisten, der ehemalige sowjetische General Dschochar Dudajew, war noch ein ziemlich säkularer Unabhängigkeitskämpfer wie so viele tschetschenische Führer. Doch Leuten wie Chattab, der auf Videos filmen ließ, wie er Ungläubigen die Kehle durchschnitt, gelang es, rasch an Einfluß zu gewinnen.
Vor allem konnte Chattab den berühmtesten der tschetschenischen Feldkommandeure, Schamil Bassajew, auf seine Seite ziehen. Bassajew hatte als Student in Moskau Computer verkauft, bevor er Führer eines Trupps tschetschenischer Freiwilliger wurde, der sich in den blutigen Konflikten der auseinanderbrechenden Sowjetunion verdingte. In der georgischen Provinz Abchasien kämpfte er, ausgebildet von russischen Offizieren, gegen die georgischen Truppen. Nach eigenen Angaben besuchte er in den frühen neunziger Jahren dreimal Trainingslager in Afghanistan. Bei der Geiselnahme in einem Krankenhaus in Budjonnowsk zeigte Bassajew 1995 dann, was er gelernt hatte: Tagelang hielten seine Leute Ärzte, Schwangere und Hunderte Patienten in ihrer Gewalt. Nach den anschließenden, im Fernsehen übertragenen Verhandlungen mit dem Moskauer Regierungschef konnte er im Triumph abziehen - zurück blieben mehr als 130 Tote. Für Rußland wurde Bassajew so zum Terroristen Nummer eins, für viele junge Tschetschenen aber avancierte er zum Volkshelden. Er sei kein Terrorist, sondern ein Aufständischer, der sich gegen Moskaus Gewalt auflehne, hatte Bassajew zunächst verkündet. Doch der angebliche Kämpfer für die Freiheit Tschetscheniens wandelte sich zum islamischen Globalisten, nahm einen arabischen Kampfnamen an und propagiert heute ein islamisches Kalifat im Kaukasus und darüber hinaus.
Zwischen 1996 und 1999 herrschte die Scharia in Tschetschenien !
In seiner Heimat liefen die Jungen derweil in Scharen zu den Islamisten über. Mit Geld und Waffen wurden sie geworben, der neue Glaube, von arabischen Predigern verbreitet, gab ihnen die Rechtfertigung für ihr gewaltsames Treiben. Söhne erschossen die Eltern, weil diese Fernsehen schauten. Schulräume gingen in Flammen auf, weil sie als Diskothek genutzt wurden. Mädchen wurden gezwungen, sich islamisch zu kleiden. Zwischen 1996 und 1999 herrschte die Scharia in Tschetschenien. Auf den Marktplätzen wurde ausgepeitscht, gehängt, erschossen. Oft führten die Verwandten eines Opfers die Todesstrafe selbst aus. Die Scharia habe für ein Mindestmaß an Ordnung gesorgt, sagen manche. Denn das Land versank damals im Chaos.
Mit Entführungen konnten Millionen Dollar verdient werden, auch die Geschäfte mit Waffen und Rauschgift, Öl und Falschgeld blühten.
Die einzige Regierung, die den Staat Itschkeria anerkannte, waren die Taliban. In Kabul zeigen heute die Kinder die Villen, in denen einst die "Tschetschenen" wohnten. Daß tatsächlich dreihundert Tschetschenen auf seiten der Taliban gekämpft haben, ist aber nie bewiesen worden. Doch die Verbindungen zwischen Al Qaida und den "Afghanen" in Tschetschenien waren eng. Chattab und Bassajew unterhielten in Tschetschenien ihr eigenes Trainingslager. Mowsar Barajew, der Anführer des Terrorkommandos, das vor zwei Jahren 900 Menschen in einem Moskauer Musical-Theater in seine Gewalt brachte, rühmte sich, dort eine Ausbildung durchlaufen zu haben.
Unterstützung kommt etwa aus Saudi-Arabien !
Auf die Solidarität der arabischen Gesinnungsgenossen konnten sich Leute wie Bassajew verlassen. So seien im Jahre 2000 monatlich bis zu sechs Millionen Dollar an die tschetschenischen Islamisten geflossen, sagt FSB Mann Ignatschenko. Und wenn zwischen der Zahl der Anschläge und ihrer Finanzierung ein Zusammenhang besteht, müssen die Gelder noch immer fließen. Unterstützung kommt etwa aus Saudi-Arabien. Die saudi arabische Stiftung al Haramain soll nach Angaben des FSB 1999 eine Million Dollar an die Tschetschenen gegeben haben. Selbst eine in Chicago sitzende Stiftung, die Benevolence International Foundation, wird von amerikanischen Ermittlern verdächtigt, Gelder an die Islamisten nach Tschetschenien transferiert zu haben. Sie bestreitet das, aber die Ermittler behaupten, sie hätten handgeschriebene Briefe von Bin Ladin im Büro der Organisation in Bosnien gefunden. In einem habe er geschrieben: "Die Zeit ist gekommen für einen Angriff auf Rußland." Dem FSB ist es gelungen, Chattab vor zwei Jahren zu töten. Doch längst hat ein anderer Araber, Abu al Walid, dessen Stelle eingenommen.
Trotz der angeblich guten Zusammenarbeit russischer und westlicher Geheimdienste gewinnen die Islamisten an Boden:
In Dagestan, mit mehr als zwei Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Republik der Region, sind sie besonders stark. An den Hochschulen der Hauptstadt Machatschkala werben sie offen für ihre Sache, verteufeln den Staat Israel und preisen die Taliban. Angriffe auf Polizeistationen gehören zur Tagesordnung, ebenso Entführungen von Polizisten. Im vergangenen Winter überfielen sechzig Bewaffnete zwei Bergdörfer im Süden der Republik.
In Inguschetien, das bis vor kurzem als stabil galt, besetzten dreihundert Kämpfer, Tschetschenen und Inguschen, am 21. Juni, dem Tag des Überfalls Hitlers auf die Sowjetunion, für eine Nacht die Stadt Nasran und zwei weitere Orte, erschossen kaltblütig alle "Kollaborateure" Moskaus, deren sie habhaft werden konnten, und zogen sich im Morgengrauen planmäßig zurück.
Präsident Putin ist alarmiert, fürchtet den Zerfall Rußlands und eine Jugoslawisierung. In Beslan sei ganz Rußland angegriffen worden, sagt er nun. Sein grausamer Krieg in Tschetschenien hat nicht geholfen, den Dschihad der Region zu bannen und zu vertreiben. Wahrscheinlich hat er ihn gar befördert. Doch in einem hat Putin recht: Der Kaukasus ist zu einem Hauptschlachtfeld des internationalen Terrorismus geworden.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.09.2004, Nr. 36 / Seite 3
Ohne Worte !
Niemals aufgeben !