@Foss Foss schrieb:Na, wenn das nicht doch schon ein Sarrazin ist?
Nein, dass ist kein Sarrazin. Das ist tatsächlich so der derzeitige Forschungsstand.
In einer Studie der Uni Mannheim heißt es sogar: "Der Anteil der in Deutschland Geborenen türkischstämmigen Mitbürger liegt unter den Erwerbspersonen bei einem Fünftel und unter der Wohnbevölkerung bei über einem Drittel. Unter letzteren macht sich die relativ hohe Zahl an Kindern und Jugendlichen bemerkbar. Das heißt, die „Zuwanderung“ bei den Türken findet überwiegend im Kreißsaal statt."
http://www.ifm.uni-mannheim.de/unter/fsb/pdf/Projektbericht_1.pdf , S.13
Ich persönlich frage mich ob man das so schreiben darf, aber vielleicht ist das Ansichtssache.
Die Studie hieß: Türkisch-stämmige Exostenzgründer und Selbständige in Mannheim und war auch eine Untersuchung für das deutsch-türkische Wirtschaftszentrum und die haben sich anscheinend nicht angegriffen gefühlt.
Du siehst also, der Anspruch dass jeder, der sowas äußert gesellschaftlich gleich rechts sein muss und die Wirklichkeit, dass man eben manchmal nicht umhinkommt sowas zu äußern gehen weit auseinander. Um Fragen von Migration und Integration zu untersuchen, muss man dem gesellschaftlichen Anspruch und Vorwurf rechts zu sein bei solchen Fragen eben gefährlich nahe kommen, um die Ergebnisse in der Wirklichkeit untersuchen zu können.
Aber ich hab glaub ich nach deinem erwähnten Zitat nochwas geschrieben und das gemeint, was dieser Autor dazu gesagt hat, denn das trifft auch meine Sichtweise:
Wenn Thilo Sarrazin sagt: Wir wollen nicht "Fremde im eigenen Land" werden, dann hat er die Einwanderungsgesellschaft als Kulturprozess nicht zureichend verstanden. "Fremd im eigenen Land zu werden" ist die Vorstellung, dass die Minderheit über die Mehrheit kommt und die Mehrheit anschließend selbst zur Minderheit wird. Das geht von der falschen Vorstellung aus, Fremde bleiben immer Fremde und Einheimische bleiben immer Einheimische - ein Gedanke, der jeder kulturhistorischen Perspektive entbehrt; denn Kultur ist kein Zustand, den man sich wie einen Spiegel an die Wand nageln kann, sondern ein Prozess. Darin findet jede Zeit ihre eigene Form.
Ein schöner Satz, aber was bedeutet er genau? Und wie könnte er jene Bürger beruhigen, die meinen, die Lage sei so düster, wie Thilo Sarrazin sie malt?
Machen wir ein fiktives Experiment und drehen wir die deutsche Geschichte um ein halbes Jahrhundert zurück: Könnte man einem Berliner aus dem Jahr 1960 einen Film aus der Berliner U-Bahn oder S-Bahn des Jahres 2010 zeigen, dann würde er das vielleicht für eine Fälschung oder für einen Filmbericht aus New York oder San Francisco halten und sagen: "In einer solchen Zukunft würde ich nicht leben wollen, da wäre ich ja ein Fremder im eigenen Land!" Aber wir leben in diesem Deutschland des Jahres 2010 und wir kommen, glaube ich, doch ganz gut klar. Ebenso klar ist, dass es desintegrative Problemzonen und Spannungsfelder gibt, vor deren Wachstum ich, pardon, viele Jahre vor Thilo Sarrazin immer wieder nachdrücklich, aber folgenlos öffentlich gewarnt habe. Sie erfordern endlich nachdrückliches Handeln, aber sie bestätigen doch als Ausnahmen nur die Regel der friedvollen Integration insgesamt. Erfolgreiche Integration bleibt eben meist unauffällig. Auffällig sind die sozialen Betriebsunfälle. Aber niemand käme auf den absurden Gedanken, aus einer Statistik der Verkehrsunfälle das Geheimnis des ruhig fließenden Verkehrs ableiten zu wollen.
http://www.bpb.de/apuz/32378/teilhabe-in-der-einwanderungsgesellschaft