Der Mann mit der eisernen Maske
06.01.2008 um 22:38"Ein Mensch ist lange Jahre in der Bastille gewesen, der ist maskiert darin gestorben; er
hatte zwei Musketiere auf beiden Seiten, im Falle, dass er die Maske abtät, ihn gleich
niederzuschiessen. Er hat maskiert gegessen und geschlafen. Es muss doch etwas
Wichtiges gewesen sein, denn man hat ihn sonst sehr gut behandelt, gut untergebracht
und ihm alles gegeben, was er begehrt hat. Er hat maskiert kommuniziert, war sehr
fromm und hat beständig gelesen. Man hat sein Leben nicht erfahren können, wer der
Mensch gewesen."
Liselotte von der Pfalz, die das am 10.Oktober 1711 an ihre Tante Sophie von Hannover schreibt, ist so etwas wie die Klatschkolumnistin des Französischen Hofes. Sie berichtet von dem geheimnisvollen Mann, über den man(n) und frau schon lange in Versailles munkeln und um den sich die seltsamsten Gerüchte ranken. Knapp zwei Wochen später will sie erfahren haben: "Es war ein englischer Lord, der in die Affäre des Herzogs von Berwick gegen König
Wilhelm II. verwickelt war."
Viel spricht beim ersten Lesen dieser Zeilen dafür, dass es sich um ein faszinierendes Gerücht handelt, dass oft und gerne weitererzählt und aufgebläht wird und so ein Eigenleben entwickelt. Aber die Geschichte um den Mann, der 34 Jahre lang mit einer Maske vor dem Gesicht in den verschiedensten Staatsgefängnissen Frankreichs verbringen muss, beschäftigte von nun an zahlreiche Schriftsteller und Historiker. Und die fanden Fakten, die doch darauf schliessen lassen, dass es sich um mehr als eine Falschmeldung handelte.
Die Fakten:
1669 wird in Dünkirchen ein Mann namens Eustache Dauger (oder Danger) verhaftet. Der Kerkermeister des Staatsgefängnisses Pignerol, einer Festung im Piemont am Fuss der Alpen, Saint-Mars, erhält von seinem Dienstherren, dem Kriegsminister Louvois, den Auftrag, ihn in einer Zelle unterzubringen,
"wo irgendjemand ihm nahe kommen könnte und dass mehrere hintereinander zu verschliessende Türen da sein werden, damit Eure Wachen nichts von ihm hören. Es ist erforderlich, dass Ihr persönlich diesem Elenden einmal am Tag alles bringt, was er zum täglichen Leben braucht, dass ihr Euch niemals anhört, was er – unter welchem Vorwand auch immer – zu sagen wünscht, indem ihr ihn mit dem Tode bedroht, falls er je den Mund öffnen sollte um etwas andres zu sagen als das eine täglichen Bedürfnisse Betreffende."
Immer, wenn Saint-Mars versetzt wurde, kam der Gefangene mit, wobei sorgsam darauf geachtet wurde, dass ihn niemand zu Gesicht bekam. Letzte Station der beiden ist die Bastille, wo er stirbt. Ein Mitgefangener notiert in seinem Tagebuch:
"Am Montag, den 19.November 1703 ist dieser unbekannte Gefangene, der immer eine Maske aus schwarzem Samt trug …und den Monsieur de Saint-Mars seit langem gefangen hielt, gegen zehn Uhr abends gestorben."
Die Erinnerungen und Hinweise auf den Mann mit der (damals noch nicht
eisernen) Maske sind so vielfältig, dass es ihn wohl gegeben hat. Aber wer war er ?
Die Legende:
Der faszinierenden Geschichte nahm sich nun einer an, der selbst fast ein Jahr zwischen 1717 und 1718 in der Bastille sass. Voltaire, Philosoph und Kämpfer gegen die Despotie, liess es sich nicht nehmen, diese Leiche aus dem Keller des französischen Königshauses auszugraben.
Geschickt, wie er war, enthüllte er das Geheimnis nur in Andeutungen und Fragen. Da war ein Gefangener, den man gut behandelte, dessen Gesicht niemand sehen und mit dem niemand sprechen durfte. Es musste sich also um jemanden handeln, dessen Gesicht fast jeder sofort erkannt hätte, den aber der sonst nicht zimperliche König auch nicht einfach umbringen lassen wollte.
Aber eine so prominente Persönlichkeit wurde nirgends vermisst… Und wessen Gesicht erkannte jedes Kind in Frankreich ? Vielleicht, weil es auf den Münzen abgebildet
war ? Alexandre Dumas verhalf im Dritten Band seiner Musketier-Trilogie der nunmehr "Eisernen Maske" zu literarischen Ehren. Der geheimnisvolle Gefangene wurde darin der heimlich versteckt gehaltene Zwillingsbruder des Sonnenkönigs. Inzwischen wurde die Geschichte mehr als 20mal verfilmt, zuletzt 1998 mit Leonardo di Caprio in der Titel-Doppelrolle. Für Hobbyhistoriker und "seriöse" Wissenschaftler – sofern sie sich überhaupt mit solchen Geschichten beschäftigen – sind eine Reihe von Varianten denkbar, wovon drei mit einiger Plausibilität von Fakten untermauert werden können.
Variante 1:
Der Mann mit der Maske war ein eigentlich unbedeutender Mann, vielleicht Kammerdiener eines großen Herrn. Er hatte aber Kenntnis von einem Komplott, vielleicht von einem großen Betrug, an dem auch der Kriegsminister beteiligt war, und wurde deshalb von ihm verwahrt.
Deshalb ist am Anfang auch nur die Rede davon, dass er keinen Kontakt zur Aussenwelt haben dürfe. Die Maske kommt erst später hinzu und ist eine Erfindung seines Kerkermeisters, mit dem dieser auf seine Tätigkeit aufmerksam machen will. (Diese Theorie ist ausführlich dargestellt bei John Noone: Der Mann hinter der eisernen Maske.)
Variante 2:
Der Mann mit der Maske war der leibliche Vater Ludwigs XIV. 14 Jahre lang blieb die Ehe Ludwigs XIII. und seiner Frau Anna von Spanien kinderlos, bis sie plötzlich einen Erben gebar. Sie hatten auch lange getrennt gelebt, bis Kardinal Richelieu eine Versöhnung inszenierte. Könnte nicht der Kardinal die Königin überzeugt haben, mit einem anderen Mann aus dem hohen Adel ein Kind zu haben, wenn es mit dem König nicht klappte ? Auf jeden Fall sahen sich Ludwig XIII. und sein Sohn wenig ähnlich. Man musste dann den Erzeuger des Sonnenkönigs – der möglicherweise noch Ansprüche stellte – wegsperren, vor allem, wenn sich die Gesichter zu sehr glichen.
Variante 3:
Der Mann mit der Maske war tatsächlich der Zwillingsbruder Ludwigs XIV, der von einem unbekannten Landedelmann aufgezogen wurde und als junger Mann nach England geschickt wurde. Von seinem Adoptivvater erfährt er die Wahrheit und lässt sich in eine Verschwörung verwickeln, die ihn statt seines Bruders auf den französischen Thron bringen will. Bei seiner Landung in Frankreich wird er in Dünkirchen verhaftet, verhört und dann für immer weggebracht.
Die übrigen Verdächtigen:
Der Mann mit der Maske war nach weiteren Theorien
- ein Kammerdiener aus Nordafrika, der angebliche Vater einer schwarzen Tochter von
Maria Theresia, der Gemahlin Ludwigs XIV.
- ein Kammerdiener Colberts, der in ein gescheitertes Giftattentat auf seinen Herrn
verwickelt war und von dem Anstifter, Kriegsminister Louvois, im Gefängnis versteckt wurde.
- Ein illegitimer Sohn Ludwigs XIV.
- Ein Verschwörer, der die Erben Karls des Großen anstelle der von Hugo Capet auf den Thron bringen wollten.
- Ein unehelicher Sohn Karls II., der gegen seinen Vater rebellierte und nach einer
vorgetäuschten Hinrichtung in Frankreich verwahrt wurde.
- Der italienische Graf Matthioli, der als Doppelagent Ludwig XVI. verraten hatte.
Ich finde dieses Rätsel der Geschichte sehr interssant, vorallem weil es viele Theorien zu diesem Ereignis gibt.
Ich habe diesen Thread eröffnet, um Fakten zu sammeln, vielleicht kann man ja mit der Hilfe von einigen Geschichtsfreaks auf diesem Forum, Licht in diese "Verschwörung" bringen.
Gruß
Chris
hatte zwei Musketiere auf beiden Seiten, im Falle, dass er die Maske abtät, ihn gleich
niederzuschiessen. Er hat maskiert gegessen und geschlafen. Es muss doch etwas
Wichtiges gewesen sein, denn man hat ihn sonst sehr gut behandelt, gut untergebracht
und ihm alles gegeben, was er begehrt hat. Er hat maskiert kommuniziert, war sehr
fromm und hat beständig gelesen. Man hat sein Leben nicht erfahren können, wer der
Mensch gewesen."
Liselotte von der Pfalz, die das am 10.Oktober 1711 an ihre Tante Sophie von Hannover schreibt, ist so etwas wie die Klatschkolumnistin des Französischen Hofes. Sie berichtet von dem geheimnisvollen Mann, über den man(n) und frau schon lange in Versailles munkeln und um den sich die seltsamsten Gerüchte ranken. Knapp zwei Wochen später will sie erfahren haben: "Es war ein englischer Lord, der in die Affäre des Herzogs von Berwick gegen König
Wilhelm II. verwickelt war."
Viel spricht beim ersten Lesen dieser Zeilen dafür, dass es sich um ein faszinierendes Gerücht handelt, dass oft und gerne weitererzählt und aufgebläht wird und so ein Eigenleben entwickelt. Aber die Geschichte um den Mann, der 34 Jahre lang mit einer Maske vor dem Gesicht in den verschiedensten Staatsgefängnissen Frankreichs verbringen muss, beschäftigte von nun an zahlreiche Schriftsteller und Historiker. Und die fanden Fakten, die doch darauf schliessen lassen, dass es sich um mehr als eine Falschmeldung handelte.
Die Fakten:
1669 wird in Dünkirchen ein Mann namens Eustache Dauger (oder Danger) verhaftet. Der Kerkermeister des Staatsgefängnisses Pignerol, einer Festung im Piemont am Fuss der Alpen, Saint-Mars, erhält von seinem Dienstherren, dem Kriegsminister Louvois, den Auftrag, ihn in einer Zelle unterzubringen,
"wo irgendjemand ihm nahe kommen könnte und dass mehrere hintereinander zu verschliessende Türen da sein werden, damit Eure Wachen nichts von ihm hören. Es ist erforderlich, dass Ihr persönlich diesem Elenden einmal am Tag alles bringt, was er zum täglichen Leben braucht, dass ihr Euch niemals anhört, was er – unter welchem Vorwand auch immer – zu sagen wünscht, indem ihr ihn mit dem Tode bedroht, falls er je den Mund öffnen sollte um etwas andres zu sagen als das eine täglichen Bedürfnisse Betreffende."
Immer, wenn Saint-Mars versetzt wurde, kam der Gefangene mit, wobei sorgsam darauf geachtet wurde, dass ihn niemand zu Gesicht bekam. Letzte Station der beiden ist die Bastille, wo er stirbt. Ein Mitgefangener notiert in seinem Tagebuch:
"Am Montag, den 19.November 1703 ist dieser unbekannte Gefangene, der immer eine Maske aus schwarzem Samt trug …und den Monsieur de Saint-Mars seit langem gefangen hielt, gegen zehn Uhr abends gestorben."
Die Erinnerungen und Hinweise auf den Mann mit der (damals noch nicht
eisernen) Maske sind so vielfältig, dass es ihn wohl gegeben hat. Aber wer war er ?
Die Legende:
Der faszinierenden Geschichte nahm sich nun einer an, der selbst fast ein Jahr zwischen 1717 und 1718 in der Bastille sass. Voltaire, Philosoph und Kämpfer gegen die Despotie, liess es sich nicht nehmen, diese Leiche aus dem Keller des französischen Königshauses auszugraben.
Geschickt, wie er war, enthüllte er das Geheimnis nur in Andeutungen und Fragen. Da war ein Gefangener, den man gut behandelte, dessen Gesicht niemand sehen und mit dem niemand sprechen durfte. Es musste sich also um jemanden handeln, dessen Gesicht fast jeder sofort erkannt hätte, den aber der sonst nicht zimperliche König auch nicht einfach umbringen lassen wollte.
Aber eine so prominente Persönlichkeit wurde nirgends vermisst… Und wessen Gesicht erkannte jedes Kind in Frankreich ? Vielleicht, weil es auf den Münzen abgebildet
war ? Alexandre Dumas verhalf im Dritten Band seiner Musketier-Trilogie der nunmehr "Eisernen Maske" zu literarischen Ehren. Der geheimnisvolle Gefangene wurde darin der heimlich versteckt gehaltene Zwillingsbruder des Sonnenkönigs. Inzwischen wurde die Geschichte mehr als 20mal verfilmt, zuletzt 1998 mit Leonardo di Caprio in der Titel-Doppelrolle. Für Hobbyhistoriker und "seriöse" Wissenschaftler – sofern sie sich überhaupt mit solchen Geschichten beschäftigen – sind eine Reihe von Varianten denkbar, wovon drei mit einiger Plausibilität von Fakten untermauert werden können.
Variante 1:
Der Mann mit der Maske war ein eigentlich unbedeutender Mann, vielleicht Kammerdiener eines großen Herrn. Er hatte aber Kenntnis von einem Komplott, vielleicht von einem großen Betrug, an dem auch der Kriegsminister beteiligt war, und wurde deshalb von ihm verwahrt.
Deshalb ist am Anfang auch nur die Rede davon, dass er keinen Kontakt zur Aussenwelt haben dürfe. Die Maske kommt erst später hinzu und ist eine Erfindung seines Kerkermeisters, mit dem dieser auf seine Tätigkeit aufmerksam machen will. (Diese Theorie ist ausführlich dargestellt bei John Noone: Der Mann hinter der eisernen Maske.)
Variante 2:
Der Mann mit der Maske war der leibliche Vater Ludwigs XIV. 14 Jahre lang blieb die Ehe Ludwigs XIII. und seiner Frau Anna von Spanien kinderlos, bis sie plötzlich einen Erben gebar. Sie hatten auch lange getrennt gelebt, bis Kardinal Richelieu eine Versöhnung inszenierte. Könnte nicht der Kardinal die Königin überzeugt haben, mit einem anderen Mann aus dem hohen Adel ein Kind zu haben, wenn es mit dem König nicht klappte ? Auf jeden Fall sahen sich Ludwig XIII. und sein Sohn wenig ähnlich. Man musste dann den Erzeuger des Sonnenkönigs – der möglicherweise noch Ansprüche stellte – wegsperren, vor allem, wenn sich die Gesichter zu sehr glichen.
Variante 3:
Der Mann mit der Maske war tatsächlich der Zwillingsbruder Ludwigs XIV, der von einem unbekannten Landedelmann aufgezogen wurde und als junger Mann nach England geschickt wurde. Von seinem Adoptivvater erfährt er die Wahrheit und lässt sich in eine Verschwörung verwickeln, die ihn statt seines Bruders auf den französischen Thron bringen will. Bei seiner Landung in Frankreich wird er in Dünkirchen verhaftet, verhört und dann für immer weggebracht.
Die übrigen Verdächtigen:
Der Mann mit der Maske war nach weiteren Theorien
- ein Kammerdiener aus Nordafrika, der angebliche Vater einer schwarzen Tochter von
Maria Theresia, der Gemahlin Ludwigs XIV.
- ein Kammerdiener Colberts, der in ein gescheitertes Giftattentat auf seinen Herrn
verwickelt war und von dem Anstifter, Kriegsminister Louvois, im Gefängnis versteckt wurde.
- Ein illegitimer Sohn Ludwigs XIV.
- Ein Verschwörer, der die Erben Karls des Großen anstelle der von Hugo Capet auf den Thron bringen wollten.
- Ein unehelicher Sohn Karls II., der gegen seinen Vater rebellierte und nach einer
vorgetäuschten Hinrichtung in Frankreich verwahrt wurde.
- Der italienische Graf Matthioli, der als Doppelagent Ludwig XVI. verraten hatte.
Ich finde dieses Rätsel der Geschichte sehr interssant, vorallem weil es viele Theorien zu diesem Ereignis gibt.
Ich habe diesen Thread eröffnet, um Fakten zu sammeln, vielleicht kann man ja mit der Hilfe von einigen Geschichtsfreaks auf diesem Forum, Licht in diese "Verschwörung" bringen.
Gruß
Chris