Polizeigewalt in Deutschland
21.07.2013 um 18:33Wolfsrocker schrieb:Dir ist natürlich klar, das ich mich jetzt fragen muß, was du beruflich so machst....und ich trotz einer Vermutung nicht einschätzen kann ob du wirklich kompetent bist.Klar kannst du fragen - allerdings wäre meine Antwort darauf doch eh sinnlos. Wie du richtigerweise sagst, könnte ich dir meine "Kompetenz" doch eh nicht beweisen. Da reichen auch die 200 Psychotiker nicht, von denen ich um die 120 in akutem Zustand angetroffen habe. Selbst die tätlichen Angriffe, die ich durch akut-psychotische, körperlich aggressive Personen mit der Vorerkrankung paranoider Schizophrenie erlebte, würden dir berechtigterweise noch nichts über meine Kompetenz sagen. Ich kann lediglich von meinen beruflichen Erfahrungen sprechen, die ein Kollege vielleicht ganz anders einschätzen würde. Und nun?
Wolfsrocker schrieb:In der Hoffnung, das du wirklich Ahnung hast, würde es mich noch interessieren ob die Sanitäter vor Ort nicht auch eine Indikation einer Sedierung, hätten durchführen können?Eine Indikation "führt" man nicht "durch" - man "stellt" sie. Eine "Indikationsstellung" ist eine
Feststellung über die Notwendigkeit einer zu ergreifenden Maßnahme. Auch einem Sanitäter wäre wahrscheinlich klargewesen, dass der Mann medizinische Versorgung benötigt. Und sobald der Sanitäter festgestellt hätte, dass der Mann wehrhaft bzw. renitent ist, wäre er wahrscheinlich auch auf die Idee gekommen, eine Sedierung durchzuführen, um dessen körperliche Verletzungen überhaupt erst versorgen zu können.
Wolfsrocker schrieb:Gut, du hast die gesammte Situation nicht verstanden.Okay. Ich gehe mal von deinem Szenario aus, mit der bekannten Bedingung, dass der Mann im Brunnen akut-psychotisch, nicht steuerbar und aggressiv ist. Mann reagiert nicht auf Kontaktaufnahmeversuche, sondern zeigt weiterhin fahriges, ungerichtetes, aggressives, vielleicht auch drohendes Verhalten.
Wir reden hier nicht von der realen Situation, sondern von einem hypothetischen Szenario....und zwar seit mich @LivingElvis gefragt hat was ich anders gemacht hätte.
In meinem Szenario, wäre der Beamte nicht in den Brunnen gestiegen, der Psychologe dementsprechend auch nicht.Dieser wäre durch die Beamte vor Ort ausreichend geschützt worden. Es hätte einen Schutzring um den Mann gegeben, so das er keine Passanten hätte angreifen können, es wäre auf Zeit gespielt worden usw.
Jetzt sagt ihr, das der Psychologe nix hätte machen können um das Opfer zu beruhigen. Gut, glaube ich. Ich sage jedoch, das der Psychologe eine Wirkung auf die gesammte Situation gehabt hätte, indem er den Beamten den Druck genommen hätte eine Entscheidung zu treffen, welche nicht ihr Fachgebiet wiederspiegelt. Denn er ist Spezialist für die Psyche während die Polizisten Spezialisten für die Verbrechensbekämpfung sind.
Ich konstruiere jetzt einfach mal Idealempfehlungen (wie sie unter Laborbedingungen ganz toll wären) und wie ICH sie mir gewünscht hätte (die Ziffern folgen keiner Chronologie, sondern stellen mögliche wünschenswerte Maßnahmen dar):
a) für ausreichend Ruhe und so wenig wie möglich Irritationen sorgen:
(1) kompletten Platz räumen lassen
(2) Bauarbeiten, die gerade zwischen Neptunbrunnen und Rathaus stattfinden, stilllegen lassen
(3) die beiden Hauptverkehrsstraßen, die am Brunnen vorbeiführen, für den Verkehr sperren lassen
(4) Brunnen abstellen
(5) ausreichenden Abstand zum Brunnen einhalten
(6) keine Ringbildung durch Beamte um den Mann herum
bis das alles passiert ist, hat sich der Typ wahrscheinlich selbst schon gekillt, aber gut, weiter geht's im Text
b) Da sich nach erfolgtem Gesprächsversuch zeigt, dass der Mann weiterhin oder verstärkt aggressiv reagiert und sich weiterhin verletzt, Information an den leitenden Beamten, dass Zwangsmaßnahmen erforderlich erscheinen
(1) der Mann sollte entwaffnet werden, um ihn an weiterer Selbstverletzung zu hindern
(2) der Mann sollte einer Unterbringung zugeführt werden
c) möglicherweise noch Empfehlungen, worauf angesichts der wahrscheinlich vorliegenden psychischen Erkrankung zu achten ist
(1) Zugriff sollte schnell und ohne ausgedehnte Verzögerungen erfolgen
(2) möglichst ohne massive Geräuschkulisse, wie z.B. plötzliches Anschreien
(3) möglichst mehrere Beamte sollten dabei beteiligt sein, da mit massiver Gegenwehr beim Überwältigen des Mannes gerechnet werden sollte
(4) ein Notarztwagen sollte bereit stehen
(5) eine antipsychotische bzw. sedierende Medikation sollte einsatzbereit zur Verfügung stehen
Das alles stellen Empfehlungen dar. Ob und inwieweit diese Empfehlungen umgesetzt werden können, ist nicht mehr Gegenstand psychologischer Aufgaben. Sondern ist Aufgabe der Polizei.