was britische wissenschaftler zum Wiedereinstieg in die Kerntechnologiesagen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,492335,00.htmlBritische Experten warnen vor Bombenstoff für alle
Absage an die Kernenergie:Britischen Forschern zufolge müsste in den kommenden Jahrzehnten wöchentlich ein Reaktorgebaut werden, um den CO2-Ausstoß zu bändigen. Für Terroristen würde es dann sehr vielleichter, an Stoff für eine Atombombe zu gelangen.
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Verbrennt sich dieMenschheit an der Kernkraft die Finger? Das glauben zumindest die Autoren einer neuenbritischen Studie zur zivilen Nutzung von Atomenergie: "Too hot to handle" - zu heiß, umdamit umzugehen, heißt das Papier der Oxford Research Group, das auch online verfügbarist. Darin wird erklärt, dass auch eine massive weltweite Ausweitung derKernkraft-Nutzung keinen wesentlichen Effekt auf den Kohlendioxid-Ausstoß haben würde -und damit auf den Klimaschutz. Allerdings erhöhe der Neubau von Kernreaktorenzwangsläufig das Risiko der Weitergabe spaltbarer Materialien - aus denen auchTerroristen Atombomben bauen könnten.
ENERGIE-ZUKUNFT: GEWISSENSFRAGEKERNKRAFT
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Die Autoren Frank Barnaby und James Kemp haben im Auftrag vonDavid Howarth, Abgeordneter für den Wahlkreis Cambridge, durchgespielt, was ein starkerglobaler Ausbau der Kernkraft im Laufe dieses Jahrhunderts bedeuten würde. Howarthvertritt im britischen Unterhaus die oppositionellen Liberaldemokraten - und gilt alsKernkraftkritiker. Die britische Regierung hatte hingegen im Mai angekündigt, dass eineneue Generation Atomreaktoren zum klimafreundlichen Energiemix auf der Insel dazugehörenmüsse.
Dem widerspricht nun die Too-hot-Studie der Oxford Research Group, einerunabhängigen, nicht-staatlichen Denkfabrik. Um einen signifikanten Einfluss auf denCO2-Ausstoß zu haben, müssten in unglaublicher Geschwindigkeit neue Meiler gebaut werden,so die Autoren:
* Binnen des nächsten Vierteljahrhunderts werde der weltweiteElektrizitätsbedarf um 50 Prozent steigen, gleichzeitig seien zurzeit aber nur 25 neueAtomreaktoren im Bau. 76 seien geplant, für 162 weitere gebe es Vorschläge. Dem stündenaktuell 429 Reaktoren im Betrieb gegenüber, von denen sich bereits viele dem Ende ihrerLaufzeit näherten.
* Angesichts dieser Zahlen müsse bis zum Jahr 2075 fast imWochenrhythmus ein neuer Reaktor ans Netz gehen, um einen maßgeblichen Beitrag zurCO2-Reduktion zu leisten. "Ein ziviles Kernkraftprogramm in diesem Maßstab ist einWunschtraum", urteilen Barnaby und Kemp. Die höchste historische Rate für denReaktorneubau liege bei etwa 3,5 Meilern pro Jahr.
* Vor allem aber eröffne eineAusweitung des AKW-Parks ein gefährliches Brennstoffdilemma: Die weltweit verfügbareUranmenge würde nicht ausreichen. Bald würde der Einstieg in die Plutoniumwirtschaft mitBrutreaktoren als Ausweg herhalten müssen.
* Doch "gegenwärtige nationale undinternationale Sicherungssysteme können die Bewegung nuklearen Materials durchWiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen schon nicht angemessen überwachen",urteilen die Autoren. Die Weiterverbreitung spaltbaren Materials im Laufe des kommendenJahrzehnts sei unvermeidbar. Jede Ausweitung der zivilen Nutzung würde so auch deratomaren Bewaffnung einer immer größeren Zahl von Staaten Vorschub leisten.
DieOxforder Friedens- und Konfliktforscher sind nicht die ersten Kernkraftkritiker, die aufdieses Dilemma hinweisen. Als Anfang des Jahres EU-Kommissionspräsident José ManuelBarroso die Kernkraft als Klima-Therapie ins Spiel bringen wollte, erntete er bereitsentsprechende Gegenrede (mehr...).
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