peterlee schrieb:Auch wenn ich nicht angesprochen wurde, es interessiert mich aber doch sehr.
Hätte der Staat Amri rechtzeitig abgeschoben wäre der weihnachtsmarktanschlag doch nicht passiert. Natürlich hätte dann auch keiner gewusst dass es sonst passiert wäre.
Aber wäre es nicht auch ohne Wissen darum ein weniger an Kriminalität gewesen?
Nein, denn da betrachtest du eine Zufallsvariable isoliert, obwohl sie Teil eines Systems ist.
Das ist, als würdest du sagen "wenn mein wettsystem wäre, dass ich immer auf 6 tippe, würde ich öfter gewinnen", weil du das eine Würfelspiel gewonnen hättest, wo nunmal oft 6 kam.
Es ist nur rückblickend richtig, aber nicht statistisch. Statistisch ist es natürlich falsch, jeder Ausgang ist gleich wahrscheinlich.
Wenn du eine politische Reform einführst, musst du ihre wirkung in ihrer gesamtheit beurteilen. Denn es werden nicht nur die Anis Amris abgeschoben bzw müssen angst vor abschiebung haben, sondern alle Menschen ohne deutschen pass.
Wenn man wirklich (wie hier vorgeschlagen), danach ginge, dass jeder Flüchtling, der ein Jahr Gefängnis oder mehr bekommt (also sogar noch unter bewährung) sofort abgeschoben werden muss, würde das bedeuten, dass jeder Flüchtling (und auch dessen Familie und Freunde), der irgendwas auf dem Kerbholz hat, Abschiebung fürchten muss.
Das heißt, wenn z.b. dein Bruder oder dein Sohn sich in einer Kneipe geprügelt haben, Kleindealer sind, was geklaut haben oder sonstwie mit dem gesetz einmal oder mehrach in Konflikt gerieten, musst du davon ausgehen, dass sie abgeschoben werden könnten.
Wir wissen, dass die meisten Taten von Flüchtlingen untereinander passieren. Also schlagen sich gegenseitig, mann schlägt frau, betrügen sich gegenseitig usw.
Das heißt, du führst hier zu gewissenskonflikten. Kann eine Frau ihren Mann wirklich anzeigen, wenn sie weiß, er wird dann möglicherweise abgeschoben?
Wie werden täter reagieren, die vllt nur kleinkriminelle sind, aber wissen, bereits ein Diebstahl und eine Schlägerei könnten sie zurück nach Afghanistan verfrachten? Werden sie dann nicht viel eher alles tun, damit das nicht passiert und ggf. mehr gewalt anwenden oder untertauchen? Wir wird das auf die Anzeigebereitschaft auswirken?
Wie gehen wir da mit fehlurteilen um, die ja nicht allzu selten sind? Wie damit, wenn z.b. ein 16 jähriger sohn abgeschoben werden soll und die ganze, eigentlich integrierte familie zurück in ein land gehen soll, wo sie verfolgt werden?
Das sind alles fragen, die du nicht einfach ignorieren kannst, nur, weil es bei einzelnen täter möglicherweise sinnvoll gewesen wäre.
Außerdem kommt hinzu, dass natürlich eine abschiebung nicht bedeutet, dass ein täter keine taten mehr begeht. Nur eben woanders. Auch das dürfen wir eigentlich nicht ignorieren.
Außerdem darfst du nciht vergessen, was eine ausweitung der abschiebung psychologisch macht. Migranten sehen eine weitere abgrenzungsbewegung von deutschland gegen sie.
Wenn der deutsche Anwaltssohn sich prügelt, kriegt er irgendwelche bewährungsstrafen. Der Flüchtlingsjunge wird abgeschoben und die deutschen klatschen beifall. Das ist eine ernsthaftes integrationshemmnis und auch das hat auswirkungen auf straftaten.
Das musst du alles zusammenrechen und da kommen wir schnell darauf, dass einzelfälle wo man eventuell gern im nachhinein abgeschoben hätte diesen großen gesellschaftlichen Effekt nicht aufwiegen können.