Warden schrieb:Das ist halt leicht widersprüchlich - es gibt Faktoren die (schwere) Gewalt erst durch individuelle Migrationsbiografie bzw. in spezifischen Fällen soziokulturelle Prägung begünstigen. Wenn ich demnach Gewalt in der Gesellschaft so gut es geht eindämmen und idealerweise verhindern will, muss ich auch dieses mögliche Feld beleuchten.
Ist das wirklich so? Oder würde möglicherweise nicht wesentlich sinnvoller sein, nicht nur die Migrationsbiographie sondern Kriminalitätsfördende Ansichten an sich anzuschauen?
Also ja, ich glaub auch, dass beispielsweise jemand aus einen arabischen Land warscheinlicher bestimmte Sexistische Idealer verinnerlicht hat, als jemand, der hier aufwuchs und diese sexistischen Ideale möglicherweise eine sexuelle Belästigung warscheinlicher machen.
Ich glaube auch (das weiß ich sogar), dass jemand, der schon seit der Kindheit Gewalterfahrungen, z.b. in der Erziehung, gemacht hat, warscheinlicher auch in seinem späteren Leben gewalttätig ist.
Allerdings ist da die Frage, ob wir wirklich deutlich besser etwas an diesem Umstand ändern können, wenn wir uns dabei auf Migranten fokussieren. Mit welcher Begründung?
Auch ein Deutscher, der sexistische Ideale verinnerlicht hat, belästigt eher eine Frau. Auch ein Deutscher, der als Kind geschlagen wurde, schlägt später eher zu.
Da müssten wir doch eher gesamtgesellschaftliche Konzepte erarbeiten, wie wir, z.B. in Schulen, gegen solche Sichtweisen ankommen können und wie wir im Allgemeinen gegen Gewalt vorgehen können.
Die Ansicht: "Wir müssen genau durchleuchten, wie das bei welchen Einwanderungsgruppen ist" macht eigentlich nur dann Sinn, wenn dadurch wesentlich effektiver gegen Gewalt ausgehend von diesen Einwanderungsgruppen vorgegangen werden kann. Dazu fehlt mir aber eine gute Begründung.
Wenn ich Hans davon überzeugen kann, seine Frau nicht zu schlagen, dann wird dasselbe Konzept auch bei Sayid wirken. Mag sein, dass wir dann irgendwann noch sehen, dass da auch die Familienzwänge noch eine Rolle spiele, aber DANN wäre eher die Frage: Wie helfen wir im Allgemein Menschen, die in familiären Zwangssituationen gefangen sind, und da das dann wirklich auch wieder zu einem allgemeinen Konzept zu führen.
Sonst durchleuchten wir am Ende jede Ethnie einzeln ohne wirklichen Erkenntnisgewinn, sondern mit nur einem Zeigefinger auf die, wo es vermeintlich am Schlimmsten ist.
Warden schrieb:Man kann distanziert von einer reinen Statistik oder Sicherheitslage sprechen. Ich verweise erneut auf politisch-gesellschaftliche Wechselwirkungen hin, die dann eben umso größeren Zündstoff bieten. Die sind eigentlich seit ca. 2015 ein Dauerthema. Wäre die AfD heute da wo sie ist ohne empfundene Missstände in der Thematik (hier muss man natürlich klarerweise die Pauschalisierer und Extremisten die ohnehin, egal was passiert, auf den Zug pauschalisierend aufspringen abziehen!)? Wären z.B. linke Reaktionen darauf entsprechend ausgeprägter gewesen? Man kann spekulieren, messbar sind aber die politischen Wechselwirkungen. Wäre es zu weniger Problemfällen gekommen, wären diese sicherlich, wegen fehlendem "Anreiz", geringer ausgefallen.
Man kann nicht alles verhindern, aber eben an genau unterschiedlichen Stellschrauben drehen um die Chance zu senken. Von präventiver bis reaktiver Natur. Das fängt beim Erkennen möglicher Problemkinder an, dem realistischen Vermitteln und Erteilen gesellschaftlicher Teilhabe jedweder Art bis hin zu konsequenter Strafverfolgung und sonstiger strafrechtlicher und justizieller Konsequenz, um selbstverschuldete Problemkinder nicht als abstrakte Gefährder draußen rumlaufen zu haben.
Abkürzend: Solange die Debatte begünstigende Faktoren aufgreift, die etwa durch spezifische Migrationsbiografie entstehen und dann mögliche Lösungsansätze erarbeitet oder prüft, so bleibt die Debatte irgendwo relevant oder interessant. Präventiv oder reaktiv auf Gewalt und Problemfälle in dem Rahmen einzuwirken und das zu besprechen gehört halt auch dazu.
Gegenfrage dazu: Wäre die AfD heute schwächer, wenn es nur die Hälfte der Gewalttaten von Flüchtlingen ausgehend gegeben hätte? Das glaube ich nicht. Da geht es nicht um die Anzahl. Sobald das Thema da war, hätte es sogar gereicht, wenn Flüchtlinge weniger auffällig bei der Kriminalität als Deutsche sind, aber trotzdem ein paar Effekthascherische Taten zusammenkommen. Schließlich lügt die AfD sich ja auch gerne mal eine Statistik zusammen. Das Thema 'Erstarken der Populisten' steht für mich daher auf einem ganz anderen Blatt. Meiner Meinung nach, im Übrigen, wäre die AfD so oder so erstarkt. Vielleicht nicht so stark, wie sie jetzt ist, aber in den Bundestag hinein ganz sicher.
Warden schrieb:Und doch wirst du, hast du ja selbst erkannt, nicht jeden "retten" können - und bei denen kann (zeitnahe/konsequente) Abschiebung tatsächlich in mehr Sicherheit bzw. weniger Drama / Tragödie enden. Beispiele sind X Straftäter über die Jahre, die ich alle gar nicht aufzählen kann bzw. nicht mehr frisch in der Erinnerung habe, wo es plakativ hieß: Hätte gar nicht mehr hier sein dürfen. Gegenrechnung: Wären sie schneller abgeschoben worden, wäre es aller Voraussicht nach nicht zu Tat X gekommen.
Wenn ich von 'sicherer' spreche meine ich das qualitativ. Beispielsweise macht es unser Land definitiv einbruchssicherer, wenn wir (so wie wir das gemacht haben) einbruchssichere schlösser und fenster subventionieren, damit mehr Einbrüche verhindert werden. Das sorgt qualitativ dafür, dass die Anzahl der Einbrüche sinkt.
Einzelne schlimme gewalttaten bis hin zu terrorakten sind schreckliche verbrechen, die Menschen Angst machen, aber sie verändern die Sicherheitslage eigentlich nicht. Es ist nicht irgendwie signifikant warscheinlicher, dass mich einer verprügelt oder umbringt, seit die Flüchtlinge da sind. Es wird nicht unwarscheinlicher, dass mich einer verprügelt oder umbringt, weil ein paar hunder Flüchtlinge mehr abgeschoben werden.
Es ist sicherlich ein problem, wenn man straftäter zwar irgendwie vorbestraft, aber dann gar nicht tätig wird, um weiter gewalttaten zu verhindern. Obwohl man weiß, dass diese warscheinlich sind. Aber, und da sind wir wieder am anfang: Es ist ein allgemeines Problem, was wir auch bei nichtflüchtlingen haben. Das allgemeine Problem da ist, dass unsere Verwaltung und Justiz da einfach schlicht schlampig arbeitet und überlastet ist. Und das sollte dann auch unser Fokus sein, nicht, wo der Flüchtling herkam und wie viele Flüchtlinge prozentual was machen.