sunshinelight schrieb:Warum sollte es ein Problem der Schulen sein?
Weil Schulen dazu da sind, dass man dort etwas lernt.
Meine zwei Schwestern und ich, damals 14 und 12, und 10, mussten ein Jahr auf eine englische Schule gehen.
Die Schwestern hatten schon Englisch Unterricht an ihren Schulen, ich hatte ein paar Stunden zu Hause bekommen. Aber das half nicht viel weiter als für die Begrüßung... auf die Anforderungen an einer Schule mit Fachausdrücken in Mathe z.B. waren wir alle nicht vorbereitet.
Es hat 3 Monate gedauert, dann haben wir angefangen, in Englisch zu denken und zu träumen.
Nach einem Jahr haben wir fließend gesprochen und es nie wieder ganz verlernt.
In der Schule wurde sehr streng darauf geachtet, dass nur Englisch gesprochen wird, auch in den Pausen. Selbst Dialekte und Slang wurden bei den Schülern angemahnt, ein schottischer Lehrer durfte kein Englisch unterrichten.
Aber es wurde andererseits Englisch für alle unterrichtet, als wäre es eine Fremdsprache. Satzbau, Vokabeln, Grammatik, Redewendungen... dadurch fühlten wir Neulinge uns nicht, als müssten wir fürchterlich viel aufholen.
Heute ist das Problem, dass auch die deutschen Schüler ihre Sprache nicht richtig beherrschen, dass Slang normal ist, dass Rechtschreibung (ohne die man eine Sprache nicht wirklich begreifen kann, denke ich) nicht beherrscht wird, und dass die Schüler unter einander nicht Deutsch sprechen müssen. Wie soll man da eine Sprache richtig lernen?
Eltern ziehen aus Vierteln weg, damit die Kinder nicht mit allzu vielen Migranten zur Schule gehen müssen, und verschärfen das Problem damit.
Dazu kommen die alltäglichen Diskriminierungen: Wenn schon eine Mandy schlechtere Noten bekommt als die Johanna, wie ist das dann mit Mustafa? Und können Lehrer, die schon vom normalen Schulalltag und den Eltern überfordert sind, den Kindern vermitteln, was die Grundwerte unserer Gesellschaft sind? Interessiert es sie überhaupt?
Sicher gibt es auch engagierte Lehrer, die ihr bestes versuchen. Aber viele haben schon immer sehr schnell aufgegeben, sich um Problemfälle zu kümmern. Einige habe ich erlebt (es folgten noch diverse Schulwechsel), die Befriedigung daraus zogen, ein, zwei Schülern in jedem Jahr zu "beweisen", dass sie sitzen bleiben werden. Die Betroffenen, die sich dagegen nicht wehren konnten (wenn ein Lehrer einem beweisen möchte, dass man nichts kapiert, hat er leichtes Spiel) reagierten auf den Frust regelmäßig mit Aggressionen und Trotz... und sind prompt sitzen geblieben.
So verstärkt die Schule soziale Probleme, die dort eigentlich gelöst werden sollten.
Es braucht nicht ein bissel mehr Personal oder Debatten über die Bezeichnung der Weihnachtsfeier, sondern mehr gute Pädagogik und weniger Einflussnahme durch die Eltern (wir hatten auch mal einen Schulleiter der Eltern, die ihren Kindern ausreden wollten, Abi zu machen (("Willst wohl was besseres sein???")), zu Hause besuchte). Die Schule soll die Unterschiede des Bildungshintergrundes ausgleichen, nicht verstärken.
Darum gab es auf der englischen Schule prinzipiell überhaupt keine Hausaufgaben, aber 5 Tage Ganztagsschule bis 16:00 Uhr. Alle Aufgaben wurden in der Klasse gemacht, wo die Lehrer sich um die kümmern konnten, die langsamer mitkamen.
Die Frustration von zurückgelassenen Schülern entlädt sich, stört die Klasse, führt zu weiteren Diskriminierungen. Von der Schule im Stich gelassen, wenden sie sich dem Wertesystem des Elternhauses oder der Clique zu, das dem, was in der Schule vermittelt werden soll, etwas entgegen setzt. Dann können sie wenigstens beweisen, dass die Schule auf sie keinen Einfluss hat. Ein trauriger Sieg.