@Abahatschi Abahatschi schrieb:Ich sehe das auch so.
Dennoch verstehe ich die Richtung der regressiven Linke nicht, die ja ein deutsche Kultur ablehnt (nicht Leitkultur, sondern Kultur) bzw. eine Übernahme der Wertevorstellungen:
Leute sollen integriert werden, aber bitteschön ohne keinerlei Druck, die Leute sollen am besten so bleiben wie sie sind und um Himmelswillen ja nichts von der Bäh Mentalität übernehmen...man stelle sich vor sie werden wie der deutsche Michel.
(aber Moorleichen versenken dürften die, hat man ja anno dazu mal gemacht)
Also das alles hat eben mit "verstehen" oder "verstehen wollen" zu tun.
Ein Beispiel aus meinem Leben mit meinem Vater, der aus dem nicht-europäischen Ausland ist: Er ist geboren und aufgewachsen in einer traditionell-konservativ geprägten Gesellschaft und hat eine gewisse Art und Weise zu Leben kennengelernt und verinnerlicht. Er glaubt daran, es macht ein Teil von ihm selbst aus, er hat wahrscheinlich nie gedacht, dass es grundsätzliche Alternativen in der oder einer Art und Weise zu Leben gibt.
Zum Beispiel, dass ein Mann in Deutschland eben nur eine Frau heiratet und liebt. In seinem Land kann ein Mann bei finanzieller Möglichkeit mehrere Frau heiraten und lieben.
In Erziehungsfragen ist er der Meinung, dass ein Mann in der Familie der Chef sein muss und zur Not mit Gewalt sein quasi Naturgegebenes Recht durchsetzen darf. Eine Frau in der Welt meines Vaters schreibt nicht auf Allmystery (mit anderen Männern) oder hat männliche Freunde und Bekannte. Schon, aber auf keinen Fall kommen die nach Hause. Und die Liste könnte ich ewig so weiter schreiben.
Ich hab Jahre gebraucht, um meinen Vater zu "verstehen". Meine Mutter, die eine Deutsche ohne Migrationshintergrund ist, ebenso. Es gab Dinge, die konnten wir zwar berücksichtigen. Als Kind habe ich nie gefragt, warum mein Vater eine neue Hauptfrau hat, aber mehrere Frauen nebenher, die er mir als seine Freundinnen vorgestellt hat. Ich hab sogar alle seine Nebenfrauen gemocht, nur seine neue Hauptfrau nach meiner Mutter, die konnte mich halt nicht leiden. Ich hab sie auch nicht gemocht.
Meine Mutter und ich sind dennoch nicht mit allem einverstanden, wir können mit vielen Positionen von meinem Vater überhaupt nicht übereinstimmen. Ich selbst streite mit meinem Vater, weil ich zum Beispiel der Meinung bin, Kinder schlägt man nicht. Punkt.
Er hat eine neue Frau aus seinem Heimatland, drei Kinder mit ihr und alle drei hat er immer wieder und wieder geschlagen. An sich ist er aber kein Schläger in dem Sinne, dass er auf der Straße sich Faustkämpfe oder so liefert. Wegen Körperverletzung war er nie vor Gericht.
Auch
@neugierchen angesprochen:
Ich glaube, dass auch bei linksorientierten Deutschen manchmal einfach das Einfühlungsvermögen in andere, in migrantische Milieus fehlt. Das es an Bereitschaft mangelt, sich hineinversetzen zu wollen. Das Themen manchmal zu kurz gedacht werden.
Auch, wenn es rassistisch anhaucht, wenn es meinem Vater schwer fällt, er lebt in Deutschland und nicht in seinem Land. Er kann keine zwei oder drei Frauen heiraten und es ist nicht rassistisch oder intolerant, jetzt nicht deutsche Gesetze zu ändern, damit die Möglichkeit zur Mehrfachheirat gegeben wird. Auch autoritäre Erziehung von Eltern wird vom Jugendamt beobachtet, anaslysiert und sanktioniert. Auch wenn mein Vater schon ab und zu sagt, die Deutschen nerven oder er Antipathien hegt, weil seine gewohnte Welt auf den Kopf gestellt wird, er ist nunmal in Deutschland. Was seine freie Entscheidung ist, dass er in diesem Land lebt.