MokaEfti schrieb:In dem Fall war das ein Augenöffner für mich, da ich wohl wirklich an eine akribisch arbeitende deutsche Verwaltungsmaschine geglaubt habe. Zumindest was Waffen und Munition betrifft.
Man könnte auch nach den Übungen jeden Soldaten kurz abklopfen. Ja, ich weiß, dass ist naiv. Wenn man, wie du selber schreibst, also damit rechnen kann, dass unter den Soldaten einige sind, die garantiert Problemklientel darstellen, sollte man in so einem hochsensiblen Sicherheitsbereich auch entsprechende Vorsichtsnahmen treffen. Gut, um "sollte" geht es ja nicht. Die Frage die sich mir stellt ist, wie lassen sich mit solchen schlampigen Standards Sicherheitslücken schließen, die letztlich gefährliche Leute anziehen und selbige gezielt nutzen. Wie soll da Vertrauen entstehen??? Klar, alles Einzelgänger, schwarze Schafe wie überall in der Bevölkerung, nur hier mit einem enorm hohen Sicherheitsrisiko verbunden.
Schlampig? Sehe ich anders.
Wir müssen das ganze ggf mal zum Verständnis aufdröseln.
1. Soldaten ohne gültige Ü1 werden nicht an der Waffe ausgebildet.
2. Sollten Soldaten während ihrer Dienstzeit in irgendeine Richtung abdriften, so wird ihnen als erste Maßnahme die Ü entzogen, so aktuell bei einem Soldaten unserer Kompanie, er darf keine Waffe mehr anfassen.
3. Müssen wir uns mal eben ganz kurz damit befassen, wie ne Schießausbildung aussieht und was ich als Ausbilder erreichen will und was hier ggf. für veraltete Bilder kursieren.
Zu Zeiten des Kalten Krieges war die Wahrscheinlichkeit eines wirklich heißen Krieges eher gering. Für den Fall des Krieges ist man vom Kampf in der Norddeutschen Tiefebene ausgegangen. Schussdistanzen von weit mehr als 2000m, viele Ziele, epische Panzerschlachten,... Der WK2 in Neuauflage. Der Deutsche Landser liegt in seiner Stellung, wartet, dass der Ivan am Horizont erscheint, es gibt ne Zielansprache durch den Führer vor Ort, dann beginnt der geleitete Feuerkampf, immer fein nach vorne raus.
So sah dann auch die Ausbildung aus. Man bekommt ein fertig aufmunitioniertes Magazin mit 5 Patronen, ist mit diesem Magazin zu seiner Stellung auf der Schießbahn gegangen (Spitzen der Patronen zeigen immer in Richtung des Zieles) und hat dann auf Befehl die Waffe teilgeladen, fertiggeladen, dann entsichert und jeden einzelnen Schuss auf Befehl abgegeben. Nach fünf Minuten war der Zauber vorbei, die Aufsicht beim Schützen hat kontrolliert, dass die Waffe entladen ist, eine grüne Flagge gehoben und dann gings zurück und die nächsten vier Schützen waren dran.
Dauert ewig, hat Ausbildungstechnisch keinerlei Nährwert und ist kontraproduktiv, dieses ganze Gewese hat dazu geführt, dass Soldaten teilweise Angst vorm Schießen hatten.
Der Grundsatz heute ist: Schießen lernt man nur durch Schießen.
Dazu ist die Bedrohungssituation heute eine andere. Landesverteidigung ist, auch wenn das hier vor einigen Leuten so großspurig ausgewalzt wurde, lange nicht mehr der Kernauftrag. Wir sind eine Bündnis- und Einsatzarmee geworden und diese Transformation begann schon Ende der 90er. Gefechte sehen heute so aus, dass in unmittelbarer Nähe jemand aus dem Auto hüpft und ohne Vorwarnung das Feuer eröffnet.
Da funktioniert das Kaltekriegschema nicht mehr. Da muss sofort Feuer an den Mann. Und das geht nur, wenn man Soldaten vorher darin ausgebildet hat, erkannte Ziele auch selbständig zu bekämpfen. (Aktuelle Feuergefechte finden im Durschnitt auf 27m statt und nicht mehr auf 3000) Und wenn wir schießen, dann machen wir das ganz klar nicht, um zu verletzten oder irgendwie nur Handlungsunfähigkeit auf der anderen Seite zu bewirken, wir schießen um zu töten.
Daher muss man die Soldaten auch im Übungsbetrieb mit einer angemessenen Menge Munition ausstatten und sie dann eigenverantwortlich diese auch so an ihrer Ausrüstung verstauen lassen, wie sie selber am besten damit arbeiten können.
Denn nur so kann man sie bestmöglich auf ihren Einsatz vorbereiten und sorgt damit dafür, dass sie auch heile zurückkommen.
Dieses System funktioniert. In den allermeisten Fällen.
4. Als Arbeitgeber gehe ich davon aus, dass mein Monteur mit dem Firmenwagen und all dem Werkzeug am Ende des Arbeitstages wieder zurückkommt und nicht das ganze Geraffel verkauft hat. Dieses Vertrauen bringt auch die Bundeswehr ihren Soldaten entgegen. Nach jedem Schießen bzw. nach dem Ende des Schießtages wird jeder Soldat befragt, ob er noch Munition oder Munitionsteile am Mann hat. Dass er sie bei Auffinden in der Kaserne dem nächsten Vorgesetzten zu übergeben hat etc. Vor dem Schießen gibt es eine Belehrung die aussagt: "Das Aneignen von Munition oder Munitionsteilen kann, bei Eintreten einer schwerwiegenden Folge, mit Freiheitsentzug geahndet werden".
Soldaten, bei denen man weiß, dass es Idioten sind, etwas unsicher, blöd, etc. die kennt man. Da hat man ein Auge drauf und da fliegt auch schon mal einer von der Schießbahn.#
Nach dem Schießen werden oft die Taschen der Chestrigs oder Koppeltragesystem geöffnet und durch den Leitenden kontrolliert.
Nur: Wenn ich was klauen will, dann kann ich es auch irgendwie. Ein Weg findet sich immer.
MokaEfti schrieb:Die Argumentation finde ich für mich zu dünn.
Das ist natürlich eher dein privates Problem, aber nun gut.
MokaEfti schrieb:Gerade bei Polizei und Bundeswehr lernt man doch neben all den Kampfgeschichten, Sport, technische Skills, Theorie
Nö.
Der einzige Part, der BW übergreifend ausgebildet wird, ist das Schießen.
Ich habe nie irgendeine Nahkampfausbildung oder ähnliches erhalten. Wenn jemand so dicht an mich rankommt, dass er mich händisch erledigen kann, ist vorher schon ne ganze Menge schief gelaufen.
Alles andere ist gerade ziemlicher Unfug. Es steht Sport auf dem Dienstplan, oft ist es aber den Soldaten selber überlassen, was sie an Sport machen oder was eben nicht. In 70% der Fälle ist das Fußball, der Rest geht laufen und ein ganz paar andere machen Fitness. Das sind Aktivitäten, die auch du in deiner Freizeit machen kannst und eigentlich auch solltest.
Ich jedenfalls treibe eher in meiner Freizeit Sport, weil ich dazu im Dienst selten Zeit finde.
Technische Skills? Was soll das sein?
Da kann ich mir gerade gar nichts drunter vorstellen.
MokaEfti schrieb:vor allem auch Disziplin und Gehorsam
Neineineineineinein.
Wir müssen hier tatsächlich über 70 Jahre nach dem Ende des WK 2 eine gewisse Trennlinie zwischen Wehrmacht und Bundeswehr ziehen. Ich weiß, da rüttele ich echt am Käfig und es fällt sicher sehr schwer aber:
Der Kadavergehorsam der Wehrmacht ist in der Bundeswehr nicht existent.
JEDER Soldat und vor allem die Befehlsempfänger sind verpflichtet, einen Befehl auf seine Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit hin zu überprüfen. Und erst auszuführen, wenn er das getan hat. Bedeutet: Wenn der Vorgesetzte im Einsatz sagt: "Knall mal ein paar von den Gestalten da ab, die nerven mich und ich kann Ausländer nicht leiden" dann ist das ne Straftat und darf nicht durchgeführt werden.
Weiter noch ist man dann verpflichtet, das zu melden. Das zieht dann nen ziemlichen Rattenschwanz nach sich, wenn der Bannhammer dann von oben durchrauscht.
Zivil sieht es da ganz anders aus, da ist der Handwerker viel eher gezwungen, Sachen zu tun, die er eigentlich nicht darf, weil er sonst achtkantig aus dem Laden fliegt. Selbst wenn er es besser weiß.
Streuselchen schrieb:Manchmal ist es klüger und humaner wenn man etwas im Schlamm kriecht bevor man gleich drauf losballert
Das ist ziemlicher Unfug, aber wenn man generell mit der Materie nicht so vertaut ist, dann ist dieses Frieden schaffen ohne Waffen in einem Kriegsgebiet natürlich eine sehr naheliegende Idee. Funktioniert aber nicht.