fischersfritzi schrieb:Ja, ich finde das auch wichtig.
Ich auch!
Vor allem geht mir die pragmatische Haltung einiger Sesselpupser, die sich im Nebenberuf als außenpolitische Analysten betätigen, auf die Nerven.
Es waren nicht die Afghanen, die in Europa einmarschiert sind, um uns ihre "Werte zu bringen", sondern es war der Westen, der dort als Besatzer aufgetreten ist, mit der selbstverliehenen Ermächtigung, die er mit - angeblich moralisch überlegenen - Werten wie "Demokratie", "Menschenrechte", "Gleichberechtigung", "Gerechtigkeit", u.s.w. fundemantiert hat.
Wenn daran irgendetwas für spätere Generationen glaubhaft sein soll, obwohl das Vorhaben ja nun offensichtlich gescheitert ist, dann ist es eben keine "Kür", sondern die "Pflicht", dass wir jene Einheimischen, die uns bei diesem Vorhaben unterstützt haben, nun nicht einfach wie nutzlosen Unrat zurücklassen, damit ihnen dann irgendwann dort die Hälse durchgeschnitten werden, sondern sie in Sicherheit bringen.
Und diese... "Tja, das ist dort halt nunmal so..." - Haltung, die hier einige an den Tagen legen, ist abstoßend!
Denn nein, denen wird dann nicht der Hals durchgeschnitten, weil das dort nunmal so ist, sondern denen wird der Hals durchgeschnitten, weil sie mit Deutschen oder anderen Kräften aus dem Westen, zusammengearbeitet haben.
Und ob die dort nur "Teller gewaschen" haben oder als "Dolmetscher" oder gar "Militärberater" tätig waren, sollte uns genau so gleichgültig sein, wie es den Taliban gleichgültig sein wird, wenn es ans Hälseabschneiden geht.
Regelrecht dümmlich kommt mir der Einwand vor, man hätte nicht wissen können, dass die reguläre Armee so begrenzte Kampffähigkeit besessen hat...
...vor allem, dass einige das auch glauben und selbst wiederholen.
NIEMAND kann mir plausibel machen, dass man zwei Jahrzehnte (!) eng mit einem Partner militärisch (oder auch sonst in irgendeiner Weise) zusammenarbeitet, ohne einen Hauch einer Ahnung, geschweige denn eine genaue Vorstellung, von dessen wirklichen Fähigkeiten und Einschränkungen zu besitzen.
Es gibt ja inzwischen jede Menge Aussagen zum Thema, die das auch bestätigen. U.A. auch von Militärs, die sich dabei sicher noch zurückhaltend ausdrücken, um sich nicht selbst die Karriere zu verhageln.
Es war allen Beteiligten klar, dass die reguläre Armee, ohne die Alliierten und besonders ohne deren Luftunterstützung, sich auf Dauer nicht würde halten können.
Die letzte interessante Aussage stammt dabei von Präsident Biden selbst, der - durch die Vorfälle am Flughafen und den Shitstorm sichtlich angegriffen - den Rückzug und insbesondere diese überhastete und unabgestimmte Ausführung verteidigte.
Der Rückzug sei ohne ein solches Chaos und solche Szenen nicht möglich gewesen.
Das Chaos dort ist aber nur entstanden, weil die Taliban fast das ganze Land und Kabul selbst schon übernommen haben. Offensichtlich war das also längst "eingepreist"!
Trump mag das Ganze mit seinem dümmlichen Deal mit den Taliban und der Einleitung des Abzugs begonnen haben. Biden hätte aber die Chance gehabt, den Vorgang zu moderieren und - abgestimmt mit seinen Beratern und Verbündeten und den Afghanen - einen Plan für einen kontrollierten Rückzug (z.B. mit einer verlängerten Luftunterstützung) zu entwickeln.
Nun ist es anders gekommen und ausbaden werden das diejenigen, die bereit waren, den Weg in eine neue gesellschaftliche Ordnung mitzugehen...
...zum Nachdenken:
Afghanische Politikerin bereitet sich auf ihre Ermordung vor
Quelle:
https://www.focus.de/politik/ausland/nach-uebernahme-durch-taliban-zarifa-ghafari-bereitet-sich-auf-ihre-ermordung-vor-ich-sitze-hier-und-warte_id_16325708.htmlWie ich eben gelesen habe, konnte die junge Frau und ehemalige Bürgermeisterin gerettet werden. Mein Dank gilt der deutschen Ärztin und Menschenrechtlerin Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels, die das ermögliht hat, obwohl Frau Ghafari gar keine Ortskraft war und deshalb keinen Anspruch auf Ausreise nach Deutschland gehabt hätte...
https://www.n-tv.de/politik/Afghanische-Buergermeisterin-Ghafari-gerettet-article22754124.html