SvenLE schrieb:Berryl schrieb:
Wenn die Gruppe groß genug ist und an Relevanz besitzt: Doch.
Ab wann ist denn eine Gruppe relevant, dass Sie angehört werden müsste. Wie gesagt, es gibt viel Quatsch da draussen und der sollte aufgrund des Bildungsauftrages eben nicht gesendet werden.
SvenLE schrieb:Es steht nirgendwo geschrieben, dass der ÖRR neutral sein muss. Er muss objektiv und faktenbasiert berichten, um den Bildungsauftrag zu erfüllen. Deppen braucht man keine Plattform zu geben.
SvenLE schrieb:Berryl schrieb:
Das ist Neutralität.
Nein, wie schon beschrieben ist das eine falsche Gewichtung.
sidnew schrieb:Berryl schrieb:
In dem Moment in dem sie im öffentlichen Diskurs sichtbar wird.
Falsch. Nicht jeder Schreihals, der sichtbar bzw. hörbar ist, braucht eine Bühne.
Wozu auch?
sidnew schrieb:Wenn aber heute noch jemand den menschengemachten Klimawandel leugnet, behauptet man könne Homosexualität heilen, Lügen über Impfungen verbreitet oder, oder, oder....dann haben diese Leute schlicht nichts im ÖR zu suchen.
Die zuletzt zitierten Punkte, die wohl als Beispiele für wissenschaftlich widerlegte Positionen dienen sollen (ebenso wie die Kreationisten und Flacherdler), setzen dem eigentlichen Vorwurf der ÖRR-Kritiker nichts entgegen, demzufolge eine Unausgewogenheit bezüglich der Repräsentation gesellschaftlich verbreiteter
Meinungen zu beobachten ist.
@Abahatschi nannte die Beispiele Atomkraft, Böllerverbot, Tempolimit, Umfang des Sozialstaats. Hier haben wir es mit normativen Fragen zu tun, bezüglich derer es konträre Positionen gibt, die nichts mit wissenschaftlicher Widerlegung zu tun haben. Man könnte jetzt einwenden, dass wissenschaftliche Fakten hierbei eine Rolle spielen und berücksichtigt werden müssen (z.B. dass Böller Feinstaub verursachen). Bei den Debatten um die genannten normativen Fragen geht es aber doch gerade darum, dass sich auf der Basis derselben Kenntnisse unterschiedliche Haltungen herausbilden. Meinungen ergeben sich nicht aus Tatsachen, sondern daraus, wie wir letztere gewichten und gegenüber anderen Tatsachen abwägen. Und selbst im Hinblick auf die ‚reinen Fakten‘ bleibt immer noch das Selektionsproblem, von dem der ÖRR meiner Meinung nach stärker als nötig betroffen ist.
Bezüglich der erforschbaren Faktenbasis muss nämlich auch bedacht werden, dass der wissenschaftliche Erkenntnisprozess niemals abgeschlossen ist und neue Erkenntnisse die alten, von deren Gültigkeit wir heute felsenfest überzeugt sind, ablösen können. Auch hierin liegt der Sinn, abweichende Positionen zuzulassen und anzuhören, denn der offene Diskurs dient auch als Entdeckungsverfahren für künftiges Wissen. M.E. sollten nur solche Positionen unberücksichtigt bleiben, die das wissenschaftliche Prinzip an sich bekämpfen und durch Esoterik ersetzen wollen. Ansonsten muss aber maximale Offenheit gelten. Dem wird der ÖRR aus meiner Sicht nicht unbedingt gerecht.
Wenn also dem unwissenschaftlichen Unfug durchaus keine Plattform geboten werden muss (wobei man auch hier vorsichtig mit seinem Urteil sein sollte) – die vielfältigen Meinungen und Interessen müssen sehr wohl zumindest ansatzweise berücksichtigt werden, sofern sie eine gewisse Verbreitung haben; es gibt nämlich sehr wohl eine diesbezügliche Ausgewogenheitspflicht des ÖRR. Und
@Abahatschi hat recht, wenn er darauf hinweist, dass bezüglich der von ihm genannten Fragen die Meinungs- und Interessenvielfalt unserer Gesellschaft nicht annähernd abgebildet wird, auch wenn die Gruppe derer, die eine der ÖRR-Tendenz zuwiderlaufende Auffassung vertreten, noch so groß und relevant ist. Hierbei wäre z.B. auch an die Gender-Sprache zu denken; die Haltung des ÖRR ist in dieser Sache – der gesellschaftlichen Gemengelage zum Trotz – absolut eindeutig und einseitig.
Insgesamt meine ich in diesem Thread zu beobachten, dass diejenigen, die den ÖRR-Meinungen nahestehen, auch zu der Behauptung neigen, der ÖRR sei ausgewogen (genug), müsse nicht neutral sein oder lasse lediglich (zu Recht) groben Unfug beiseite, nicht jedoch legitime Meinungen. Das ist ein bekannter Wahrnehmungseffekt. Demgegenüber finden Konservative und Liberale ihre Sicht im ÖRR kaum wieder.