Nevrion schrieb:Nicht so ganz, denn die Einkommenshöhe oder Verschuldung wird vom Beitragsservice nicht geprüft, nur ob man soziale Hilfen bezieht.
Also wer keinen Anspruch auf soziale Hilfen hat, der kann sich auch den ÖR leisten, weil der über Hartz 4 Niveau lebt.
Der Punkt ist: Der ÖR ist für jeden frei Verfügbar. Weil alle zahlen, gibt es nicht den Konflikt zwischen Paywall und Free Artikeln. Du wirst dich niemals entscheiden müssen, ob du dich mit der reportage aus dem HR informierst oder lieber doch das Geld sparst.
Beim Spiegel ist mittlerweile die Hälfte bezahlinhalt, bei vielen anderen zeitungen auch, gerade bei den regionalzeitungen. Ohne den ÖR gäbe es aus vielen Regionen kaum noch aufwändg recherchierte, frei verfügbare Inhalte, was slebst bei den leuten, die es sich theoretisch leisten könnten, oft dafür sorgt, dass sie sich dann halt nicht informieren. Das ist aber schlecht für die Gesellschaft.
Nevrion schrieb:Also ist die Angst vor Verarsche durch den ÖRR nicht berechtigt? Wo siehst du denn konkret den Nachteil, wenn auf einem Markt nur noch Medienanbieter existieren, die man on Demand bezahlt? Beispiel, ich brauch nur Politik und Unterhaltung, also buche ich beim Anbieter XYZ. Wer mit Schlager und Sport zufrieden ist, bucht bei ABC. Aktuell bekommt man für sein Geld so eine Art All-In-One Paket, obwohl man mit 75 % der Sendeinhalte nichts anfangen kann. Kaufst du dir etwa Sachen für die du gar keinen Gebrauch hast oder anders gefragt, warum entscheidet der "Supermarkt" für dich was du alles kaufen willst?
Dystopisch ist das aus meiner Sicht nicht unbedingt. Die Art und Weise wie Menschen Medien konsumieren hat sich in den letzten 20 Jahren doch sehr verändert und wird es auch weiterhin. Ob der ÖRR dann noch Teil davon sein wird, hängt davon ab, wie er sich in den nächsten 20 Jahren aufstellt. So wie er es jetzt tut, funktioniert er kontraproduktiv, wie ein Dinosaurier, der nicht merkt, das er ausstirbt.
Meiner Meinung nach ja, diese Sorge ist vollkommen aus der Luft gegriffen.
Die Probleme sind so vielfältig, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich mach mal die drei wichtigsten Punkte, begonnen habe ich schon oben:
-Wenn du 'on demand' bezahlst, musst du das bei jedem Anbieter einzeln tun. Es reicht nicht, nur dem Spiegel Geld zu zahlen. Wenn du dann den Kölner Stadtanzeiger lesen willst, musst du wieder zahlen. Dann beim Weser Kurier, bei irgendeinem Inhalt aus der Welt, beim Handesblatt... Das nimmt kein Ende. Die meisten Leute tun das gar nicht, von denen, die es tun, bei vielleicht einem oder zwei Blättern. Das senkt die Bereitschaft, sich zu informieren und lässt die Informationsstruktur verarmen.
Außerdem sind Anbieter dann darauf bedacht, sich auseinanderzuentwickeln, weil gerade die Artikel bezahlt werden, die polarisierend sind. Ein gut recherchierter Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland wird immer weniger Leute zum Bezahlen animieren, als ein reisserischer Artikel über Clans. Das ist eine Bedrohung für die Aufrichtigkeit der Berichterstattung.
-Wenn du nur noch private Anbieter hast und keinen big tent anbieter für alle, spaltet sich die Gesellschaft auf die einzelnen Anbieter auf, weil die dann alle für bestimmte nieschen was machen. Siehe USA, CNN, Fox, Internetnieschen usw.. Das fördert die Echokammern, in die die gesellschaft sich begibt. Dann gibt es nicht mehr den ÖR, wo man wenigstens sich einige darüber ist, WAS passiert ist und dann in talkshows streitet, wie das zu interpretieren ist. Dann macht jeder anbieter seine eigene realität für seine Niesche. Wer nonstop prügelnde Flüchtlinge sehen will, der bekommt die dann auch, und glaub mal nicht, dass die AfD dann noch irgendwo hin eingeladen wird, wo die mit liberalen Menschen reden darf.
-Du bekommst generell einen Drall zum apolitischen. Kultur ist dann bezahlinhalt für leute, die es sich leisten können und wollen und sich irgendeinen kulturkanal dazubuchen. Der Rest schaut dann auf den Privaten eben das Asi TV; über das wir schon geredet haben, weil sich damit halt mehr Geld verdienen lässt.
Die gesamte Gesellschaft wird (auch durch die anderen beiden Effekt von oben) apolitischer und Kulturferner werden, besonders die ärmeren Schichten.
Wie gesagt, wir können das alles hübsch an den USA beobachten, deren Medienlandschaft vollkommen verwahrlost ist.
Nevrion schrieb:Bei dem Theme Steuer hatten wir ja schon Konsens, aber nenne mir doch mal einen Artikel, wo sich ein Mitglied des ÖRR stark gemacht hat für eine Reform des Finanzierungsmodells? Ach, du findest keinen? Ich dachte das wäre nur meine Fantasie?
Nenn mir doch mal einen, nachdem du das behauptet hast, wo der ÖR sich dagegen stellt?