Slaterator schrieb:Was ich wirklich merkwürdig finde, ist das Verhalten des Arbeitgebers.
Psychiater (erst recht in der Forensik) gehören natürlich zu den Berufsgruppen, deren "Kundschaft" von vorne herein alles Mögliche denkt und behauptet. Entweder sind sie Gott oder der Teufel. Oder Beides.
emz schrieb:Bei den Interviewpartnern, die sich zu der beruflichen Kompetenz des Arztes meinten äußern zu können, handelte es sich um ehemalige Strafgefangene aus der Forensik.
Auch Richter, Beamte, Strafverteidiger oder andere Arztgruppen kennen solche Beschuldigungen. Auch ich wurde schon öffentlich und namentlich der Unfähigkeit und irgendwelcher abstruser Vergehen bezichtigt, weil ich meinen Job gemacht hatte. Und Rettungskräfte kennen das zunehmende Phänomen, dass auf sie eingeprügelt wird, wenn sie nicht so helfen, wie es von ihnen erwartet wird.
Der Arbeitgeber hätte nur etwas machen können, wenn Herr A. auch tatsächlich, arbeitsgerichtlich nachweisbar, schlechte Arbeit abgeliefert oder Verfehlungen begangen hat, die eine verhaltensbedingte oder eine Verdachtskündigung gerechtfertigt hätten. Akademiker sind da aber viel schwerer zu packen als die Kassiererin bei Aldi, die einen Pfandbon unterschlägt. Denn sie haben einfach sehr viel größere Beurteilungs- und Ermessensspielräume.
Vielleicht wollte ihn der Arbeitgeber schlicht nicht loswerden, vielleicht spielte auch der Facharztmangel eine Rolle. Es dürfte nicht leicht sein, Fachpersonal zu bekommen.
Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sind eine Facharztgruppe, deren Einkommen im Vergleich zu anderen Fachärzten relativ niedrig ist. Innerhalb der Ärzteschaft sind sie zudem Außenseiter, werden mehr als Psychotherapeuten denn als Mediziner betrachtet. Und verdächtigt, sich selbst therapieren zu wollen. So begehrt ist der Job also nicht. Die Patienten sind schwierig. Und dann in der tiefsten Provinz von Sachsen-Anhalt in der Forensik - das ist jetzt vielleicht auch nicht gerade das, was etablierten Fachärzten als Ideal so vorschwebt. Da ist die Praxis mit neurotischen Großstädtern auf der Designer-Couch im Prenzlauer Berg nicht nur finanziell attraktiver.