paxito schrieb:Ziemlich seltsame Frage. Warum wird die Phosphatkrise eigentlich so selten thematisiert?
Aber das sind doch beides gute Fragen. Und wenn du es verknüpfen willst:
Da ist jetzt eine Krise, wo sich Wissenschaftler einig sind: "Ja, das ist eine so gefährliche Krise, dass es bereits jetzt tödliche Folgen geben wird und die möglicherweise so außer Kontrolle geraten kann, dass die Folgen unabsehbar und potenziell Zivilisationsgefährdend sein könnten".
Und die wird faktisch nicht ausreichend angegangen und die Welt bewegt sich, AUCH durch die deutsche Industrie und Politik, weiterhin in eine Richtung, die nicht nur das 1,5 Grad Ziel, sondern sogar das 2 Grad Ziel reißt und ohne Garantie, dass wir das 3 Grad Ziel halten können. Frankreich bereitet sich auf 4 Grad vor
https://www.derstandard.de/story/3000000030812/vier-grad-mehr--vorbereitung-auf-schleichende-katastrophe .
Und da formieren sich verschiedene Aktivistengruppen und politische Strömungen, die dagegen kämpfen. Und einige von ihnen sehen nach Jahrzehnten dieses Kampfes, dass wir noch immer diese verdrängen, sich fossile Industrie immer noch häufig durchsetzen kann und nach wie vor auch von westlichen Ländern in fossile Industrie investiert wird. Und darum entscheiden sie sich für zivilen Ungehorsam, mit dem sie Disruptionen erzwingen wollen, weil sie sich davon versprechen, diese Verdrängung des Problems ein Stück weit aufzulösen.
Selbst wenn ich jetzt denke, dass deren Methode nicht zielführend ist sondern man einfach mit anderen Protestformen weitermachen soll, kann ich das doch nicht wirklich vertreten, ohne selbst eine Haltung zu Klimakrise einzunehmen. Denn das Anliegen von LG ist ja eigentlich, wenn man die Fakten betrachtet, unstrittig. Wir tun nicht genug, und das ist keine "ja wie sollen wir denn noch mehr machen?" Frage sondern wir sehen gerade am Tempolimit, dass es leicht machbare Schritte gibt, die wir nicht gehen (aus ideologischen Gründen).
Wenn man nicht selbst irgendwie eine Haltung zur Klimakrise hat und irgendwie glaubwürdig vertreten kann, wie man selber denn denkt, dass dieses Problem zu lösen ist oder was dafür gerechtfertigt ist, dann sind das doch nur leere Worte. Der Grund, dass LG sich festklebt, ist die Verdrängung und Verleugnung der Klimakrise.
Wer LG angreift, aber die Klimakrise selbst verdrängt, der ist für meine Begriffe nicht moralisch oder argumentativ konsistent.
paxito schrieb:Und warum regt man sich mehr über LG auf, als über Baschar al-Assad? Mediale Aufmerksamkeit hat herzlich wenig mit Logik zu tun oder mit Vernunft. Und was „Aufregung“ wegen der Klimaproblematik überhaupt bringt erschließt sich mir jetzt auch nicht unbedingt. Lustig ist aber, dass du hier ein Grunddilemma von LG eingestehst - deren Aktionen führen eben primär zu einer Debatte über LG, viel, viel mehr als über den Klimawandel. Kann man blöd finden und den Bürgern anlasten. Oder feststellen das die Aktionen von LG nicht bewirken was sie angeblich sollen.
Also da sag ich es dir ganz offen: wenn sich nonstop syrische Aktivisten in Deutschland ankleben würden wegen der Rolle Deutschlands im Syrienkrieg, dann würde auch mehr über Assad gesprochen werden.
So wie wegen LG mehr über den Klimawandel und über unsere Haltung dazu gesprochen wird.
Selbst wenn du recht hättest und PRIMÄR über LG gesprochen wird, so würde ja selbst wenn nur 20% des Diskurses um den Klimawandel gehen deutlich mehr über den Klimawandel gesprochen werden.
Selbst in diesem Thread hier wird häufig über die Gefahren das Klimawandels gesprochen, obwohl es eigentlich nur um LG geht.
Aber zu deiner Eingangsfrage: es geht hier nicht nur um Aufmerksamkeitsökonomie. Denn über das Thema wird ja gesprochen, anders als bei Assad.
Hier geht es darum, dass allerlei Sachen, die LG vorgeworfen werden ansonsten egal zu sein scheinen?
Krankenwagen im Stau? Interessiert nur wenn von LG geblockt, sonst egal.
Alte Gebäude werden beschmiert? Konnte man in Lützerath problemlos abreißen, interessiert sonst auch keine Sau.
Grundgesetzdenkmal beschmiert? Das kannten die meisten Leute vorher nicht mal.
Wenn es wirklich um diese Dinge ginge, z.B. Schutz von Menschenleben, Schutz von Kunst, Schutz von Kultur, dann muss man durchaus mitbetrachten, wie die Klimakrise das wohl alles beeinflussen wird. Wenn man das nicht tun will, sondern Stau nur schlimm ist, wenn Klimaaktivisten in auslösen, dann ist das doch der beste Beweis für die Verdrängung, wegen der LG auf die Straßen geht.