Wie findet ihr die Aktivistengruppe "Letzte Generation"
24.01.2023 um 11:41Heide_witzka schrieb:Haben wir das noch nicht. An wievielter Stelle steht Deutschland denn in diesem Ranking?Der Umkehrschluss spielt keine Rolle, finde ich.
Wenn Du für eine Sache in besonderem Maße verantwortlich bis, wie wäre dann "gutes Handeln" zu verstehen?
Nehmen wir ein Beispiel aus einem anderen Bereich. Du, ich und 10 weitere rauben X aus. Du und ich klauen jeweils 1.000 EUR, A klaut 1.500 und die anderen jeweils 500. Irgendwann drückt uns das Gewissen und wir wollen X das Geld zurück geben. Was ist richtig:
Wir geben nicht möglichst alles zurück, sondern nur in einem Verhältnis, was andere zurück geben gemessen am jeweiligen Anteil?
Oder wir geben möglichst viel zurück, unabhängig was andere machen?
In meinen Augen sollten wir als Gesellschaft mehr tun, als im Verhältnis zu anderen ein bisschen weiter vorne zu sein. Das kann jeder anders sehen, aber in meinen Augen wäre es notwendig, das wir in Deutschland einen Beitrag leisten, der für sich betrachtet die Situation nicht noch weiter verschlechtert.
Und abgesehen davon verursachen wir anteilig eben doppelt so viel CO2-Äqivalent wie der "Durchschnittsmensch". Wir tragen also pro Kopf doppelt so sehr zur Erderwärmung bei, wie im Schnitt alle anderen. Das legt doch nahe, dass wir da nicht so arg weit vorne im Ranking der Klimaschützer sind.
Deutschland hat folgendes "Problem": Zwar tun wir viel im Verhältnis zu manch anderen, haben aber auch eine im Vergleich wohlhabende Bevölkerung. Wer bei uns arm ist, konsumiert trotzdem viel mehr als einer, der in China arm ist. Die Länder, die weniger pro Kopf zum Problem beitragen, profitieren in gewisser Weise von hohen Anteilen sehr armer Menschen, die den Landesdurchschnitt sehr unfreiwillig senken. Das heißt nicht, dass wir 80% unserer Bevölkerung in bittere Armut stürzen sollen - es relativiert aber ganz erheblich den Anteil unserer fortschrittlicheren Umweltpolitik. Sie ist dadurch nicht fortschrittlich genug.
Heide_witzka schrieb:Ich sehe es so, dass in Deutschland schon eine ganze Menge getan wird und daher das ganze Endzeitgerede hier im Lande, bei einem Gesamtanteil von etwa 2 % etwas over the top ist.Nun, das "Endzeitgerede" ist berechtigt. Wenn es so weiter geht, wird es eben blöd. Alles, was wir jetzt an Wohlstand genießen, weil wir es können, werden wir bitter bezahlen. Wir werden in Deutschland weniger leiden, als in viel ärmeren Ländern. Und auch wenn wir uns jetzt hier anstrengen, werden wir unmittelbar auch nur wenig bewirken.
Aber wir können mittelbar ein Zeichen setzen (ich sprach die Beispielfunktion an, je mehr mitmachen, desto wahrscheinlicher machen andere auch mit und einer muss eben auch anfangen) und wir können uns einen Gefallen tun. Wie ist es denn, wenn in 50 Jahren mein Enkel auf Flüchtlingsströme, Hungersnöte und Kriege um die letzten Ressourcen blickt und dann sagen muss: "Ja, auch mein Opa hat zu diesem Zustand beigetragen". Mir wäre das unangenehm, aber das kann jeder für sich entscheiden. Nichts desto trotz kann ich dafür plädieren, diesen Aspekt nicht nur auf mich bezogen zu berücksichtigen, sondern gesamtgesellschaftlich.
Andere können dem entgegen argumentieren und sagen: "OK, wir tragen zwar weiter zum Problem bei, aber wir tun ja schon was und wir können in Summe alleine gar nicht viel machen."
Das ist eben der Sinn eines öffentlichen Diskurses. Unterschiedliche Sichtweisen und unterschiedliche Gewichtungen auf eine Sache.
Man sollte dabei nur versuchen, Dinge nicht auszublenden.
Dazu gehört der Anteil an "Schuld" wie auch der individuelle Beitrag. Ebenso wie der Gesamtbeitrag aber auch die mittelbaren Wirkungen.
Und stell Dir vor, jeder würde in jedem Lebensbereich seinen Anteil als irrelevant betrachten und das dann als Rechtfertigung seines Handelns definieren. Das Ergebnis wäre quasi überall in Summe schlimme Verhältnisse.
Ich verstehe deine Sichtweise. Es fühlt sich ungerecht an, wenn andere noch schlimmer sind. Aber ich wünsche mir eher, das "mein Land" nicht Teil des Problems ist. So als Fernziel.