Liegt schon "etwas" zurück, genauer 2014, hat sich die grüne Jugend gegen die Teilnahme einer Gegenmobilisierung zum al-Quds-Tag entschieden.
»Eigentlich sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass man sich diesem Marsch entgegenstellt«, schreibt Dora Streibl auf ihrem Blog. Sie ist Mitglied des Berliner Landesvorstands der Grünen Jugend und über die Entscheidung ihres Verbands verärgert. Vor der Basisabstimmung hatte sich bereits der Vorstand in einer Sitzung mehrheitlich in der Frage enthalten. Die Enthaltung sei »peinlich« für einen Verband, der sich selbst als antifaschistisch darstelle, so Streibl. »Damit wird jedes Bekenntnis gegen Antisemitismus zur Heuchelei.«
Wichtiger als Antisemitismus war der damaligen Grünen Jugend die waghalsige Vermutung, dass die Organsisatoren der Gegenmobilisierung Rassisten wären. Das war man ganz auf Linie mit dem Kurs der al-Quds Teilnehmer. Adressatin der Kritik war also nicht der gruselige Aufmarsch der Antisemiten sondern das Bündnis, welches dagegen mobilisierte.
Da nicht nur in diesem Thread die Kritik an identitären Positionen zuletzt immer größere Abwehrreflexe erlebt und man sich nicht mal zu schade dafür ist, sogar die russischen "Strippenzieher" sezierend heranzuziehen, anstatt vor der eigenen Türe zu kehren, ist es nicht unwichtig nochmal darauf hinzuweisen, dass die jüngsten Äußerungen von Lee Heinrich weniger mit ihrer Person als mit einer hausgemachten Doktrin innerhalb dieser illustren Gruppierung zu schaffen hat, die sich in meinen Augen nie grundlegend geändert hat.
Natürlich "leugne" ich nicht die gezielte Einflußnahme rechter "Kanäle". Man könnte dazu auch einen eigenen Thread erstellen oder es kurz anfügen, es ja nichts neues, dass Rechte versuchen den Zeitgeist für sich zu entsprechend zu nutzen. Der Versuch, die Einflußnahme dieser "Strippenzieher" als derart dominant darzustellen, dass jegliche Auseinandersetzung darüber eigentlich so gut wie verunmöglicht wird, da man offensichtlich nicht wirklich "durchschaut" wer da dahintersteckt, verfolgt ein klares Ziel, dass da heißt, das grüne Erfolgsrezept zu bewahren. Nur wo man selber niemals ist, ist auch keine Fundamentalopposition. Die ist, das weiß doch jedes Kind, immer woanders, nur nicht dort, wo ich bin, nie dort, wo ich bin.
Die Gegner der Unterstützung des Protestbündnisses sprechen Streibl zufolge von einer »rassistischen Unterwanderung« des Bündnisses. Vor allem antideutsch geprägte Gruppen wie der BAK Shalom der Linksjugend werden kritisiert, aber auch das Bündnis »Stop the Bomb«, das sich gegen die atomare Bewaffnung des Iran engagiert. Diesem wird vorgeworfen, Propaganda für einen atomaren Erstschlag gegen den Iran zu betreiben. Auch einzelne Personen, wie der »Stop the Bomb«-Aktivist und Jungle World-Autor Stephan Grigat sowie Kazem Moussavi, Mitglied der Grünen Partei des Iran, werden Streibl zufolge kritisiert.
https://jungle.world/artikel/2014/28/die-jugend-heucheltFolglich muss die jüngste Auseinandersetzung um Nemi El-Hassan (Kuhnke, etc.) auch von dubiosen Rechten initiert worden sein. Dem Medium "Jungle World" wird hier, obwohl es nicht gerade dafür bekannt ist rechte Umtriebe zu verschleiern, attestiert, Teil einer Schmutzkampagne zu sein, da sie frecherweise ganz reale Bilder von ihr abdruckt. Das dadurch bedingt jede kritische Fußnote entsprechend als ein weiterer mehrheitlicher Ausschluß gegen PoC dargestellt wird und jede Auseinandersetzung um den eigentlichen Skandal zumindest einen schalen Beigeschmack abbekommen soll, wird damit gerne lanciert. Die ominösen Kanäle lauern überall...
Für die WELT musste sich El-Hassan in ihren antiisraelischen Positionen bestätigt fühlen, da weder Medien noch Politik diese kritisierten und El-Hassan stattdessen förderten. Andere vermuten eine unlautere Kampagne des Springerkonzerns, eine rassistisch motivierte Überreaktion der Mehrheitsgesellschaft, gar Cancel Culture gegen muslimische Frauen. So läuft eine routinierte Auseinandersetzung zwischen dem bürgerlichen und dem linksliberalen Lager über den Umgang mit der muslimischen Minderheit ab, in dem die Rolle der Mehrheitsgesellschaft eine Black Box bleibt.
https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2021/09/nachtrag-zur-causa-nemi-el-hassanAls erstes muss eine eklig, weiße Mehrheitsgesellschaft geschaffen werden, als zweites müssen "Eskapaden" um PoC natürlich von Rechten initiert worden sein, schon lässt sich mal eben behaupten, hey, bei PoC wird immer skandalisiert, die weiße Mehrheitsgesellschaft dagegen stets verteidigt. Und zack ist man auch schon bei der destruktiven Unversöhnlichkeit, vor der uns schon Martin Luther King gewarnt hatte. Genaue Angaben oder Belege werden nicht erbracht, die Annahme ist selbsterfüllend und jede Gegenstimme nur eine weitere Bestätigung für das "weiße" Täterkollektiv. So ein wenig Rassimus ist doch nicht so schlimm, wird dann oft gesagt, man müsse nur die Privilegien checken und wäre ja schließlich kein Rassist. Das Mitgefühl gegenüber Bright Sheng, den von mir verlinkten Komponisten, hielt sich in Grenzen, trotz mehrmaliger Entschuldigung.
Am Ende schreckt man nicht mal mehr von den hochnotpeinlichen Vergleich mit Lisa Eckart zurück. Denn es gilt, wer sie verteidigt und Lee Heinrich kritisiert, ist latürlich doppelmoralisch und hat eh nichts verstanden. Nochmals zur kurzen Auffrischung sei gesagt, LE ist eine durchaus unangenehme Person in ihrer Rolle. Als Komödiantin arbeitet sie alle dummen Klischees auf und lädt das Publikum ein, darüber zu lachen.
Diese Pointen kriegt die Tugendpolizei in den falschen Hals. So wird nicht nur die Satirikerin selbst für diese Art des Humors angegriffen, auch ihr Publikum wird gleich mit diffamiert. „Diese Grenzverletzungen fördern keinerlei Erkenntnis“ schreibt die Zeit, „demaskieren weder Macht noch kulturelle Vorurteile, reproduzieren sie vielmehr. Komisch finden kann das nur ein verklemmtes Publikum, das denkt: Hihi, darüber macht man doch keine Witze. Dieses verklemmte Publikum gibt es natürlich, und wer gelernt hat, seinen Erfolg in Applaus und Aufmerksamkeit zu messen, findet hier gewiss dankbare Goutanten von Gratismut. Satire darf ja schließlich alles, und also muss sie auch auf den Gräbern der Ermordeten und den Nerven der Lebenden rumtrampeln dürfen.“
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Eine solche Art der Darstellung kennen wir ebenfalls aus der bildenden Kunst. So wird beispielsweise in Sansibar der Zeit des Sklavenhandels mittels eines Denkmals gedacht, das angekettete Sklaven eingesenkt in den Boden darstellt. Bei solchen Skulpturen oder Gemälden wird aber selten der Vorwurf erhoben, dass sie das, was sie darstellen, dadurch fördern würden.
Aber das scheint der Tugendpolizei nicht aufzufallen, da sie sich im Recht sieht, wenn sie Satiriker, die nicht ihrer Konvention folgen, mundtot machen möchte. Dass sie sich mit diesem Vorgehen prinzipiell auf die gleiche Stufe begibt wie andere Extremisten, die mit Gewalt gegen die Satiriker von Charlie Hebdo vorgegangen sind, scheint ebenfalls nicht aufzufallen.
https://www.novo-argumente.com/artikel/vorsicht_humorWürde man weniger auf verschwörungstheoretische Hintergrundfiguren setzen, stattdessen gegebene reale Inhalte in den Vordergrund rücken, würde sich, Oh Wunder, ziemlich schnell herausstellen, dass Lee-Heinrich eine überwältigende eklig, weiße Mehrheitsgesellschaft hinter sich hätte, die sie jederzeit gegen angreifende Rassisten verteidigen würde. Diese Mehrheit würde jedoch zusammenschmilzen, wenn es darum geht, ihre verbreiteten Inhalte mitzutragen.
Das wollte hier nicht verstanden werden, aus gutem Grund. Er erfüllt ja gerade den Zweck, eine konstruktive Diskussion im Keim zu ersticken. Um es floral auszudrücken, den Raum für eine lebendige und freie Diskussion müssen wir uns schon selber nehmen und nicht von den diversen "Kanälen" diktieren lassen.
Der Vergleich zu Eckart ist auch deshalb schief, da Eckart keine Politikerin ist. Lee-Heinrich schon viel eher, dazu ihre halbgare Argumentation im realpolitischen Kontext. Eigentlich nicht groß der Rede wert, sowas kann Kuhncke auch viel besser, nicht umsonst rühren daher ihre Zeilen:
"Es ist keine Kritik, sondern ein orchestrierter Shitstorm, der wahrscheinlich auch schon weit vorher geplant wurde. Wir wissen, dass die Neue Rechte oder Rechtsradikale im Internet wahnsinnig gut organisiert vorgehen und dass wir gesamtgesellschaftlich uns jedes Mal dazu hinreißen lassen, uns irgendwie an dieser Debatte auf die Art und Weise zu beteiligen, wie es gerade passiert ist. Dann trendet plötzlich „Rassismus gegen Weiße“, dabei sollten eigentlich die Morddrohungen gegen Sarah-Lee Heinrich das Thema sein."
Von langer Hand geplant, orchestriert wahrscheinlich... Rechte werden hier völlig überhöht dargestellt, wahnsinnig gut organisiert. Eigentlich verschanzt sich hinter solchen Zauber immer nur eine bestimmte Gruppe. Ich musste ein wenig an Xavier Naidoo denken ...
Klar, und wer darauf reinfällt, geht ihnen auf den Leim. Sie drückt es nur netter aus, "dass wir gesamtgesellschaftlich uns jedes Mal dazu hinreißen lassen, uns irgendwie an dieser Debatte (!) auf die Art und Weise zu beteiligen".
Ist das nicht ein wenig durchsichtig und jämmerlich zugleich?
https://taz.de/Comedy-Autorin-ueber-Aktivismus/!5807195/ Ja, die Morddrohungen sollten also Thema sein. Waren sie auch, wenn ich nicht völlig verrückt bin. Nur was soll man daran besser thematisieren? Wie sieht das aus? Das es Rassisten in Deutschland und darüberhinaus gibt, die davor nicht zurückschrecken. ist nun mal traurige Tatsache. Und das PoC nicht ihre berechtigte Wut über diese Zustände äußern können, ohne dafür Morddrohungen zu erhalten, ebenfalls. Das hat nur wenig mit der Mehrheitsgesellschaft und mit der Tatsache zu tun, dass Kritik orchestriert wird. Es wird sich leider immer irgendeine ominöse Quelle finden, mit welcher man eine unangenehme Diskussion umgehen kann.
Daraus ergibt sich für mich, dass man auf der einen Seite rassistische Zustände schnell beenden muss und auf der anderen Seite, Debatten, sofern sie, warum auch immer auf dem Tisch liegen, geführt werden müssen.