Um Himmels Willen, nun werden also Experten regieren. Das dumme Volk hat dann nichts mehr zu sagen, denn die Herren und Damen Experten wissen alles besser. Wie wird man Experte? Indem man von seinesgleichen dazu ernannt wird. Na fein, ich habe hier einen Kandidaten, ich stelle mal ein paar Ausschnitte aus seinem Lebenslauf hier vor, damit deutlich wird, dass der Mensch auch nach heute gängiger Auffassung ein Experte sein sollte:
Er besuchte das Gymnasium. Er studierte Medizin und Naturwissenschaften an der Universität Freiburg im Breisgau sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde promoviert. Er habilitierte sich auf dem Gebiet der Anatomie und Anthropologie. Dann lehrte er als Privatdozent für Anatomie in Freiburg, unternahm u.a. eine Forschungsreise nach Südwestafrika (heute Namibia).
Er lehrte als außerordentlicher Professor an der Universität Würzburg, kehrte aber bald wieder nach Freiburg zurück und wurde Ordinarius und Direktor des Anatomischen Instituts der Universität Freiburg. Dann hatte er den Lehrstuhl für Anthropologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin inne.
Später war er Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem und dann Rektor der Berliner Universität. Er wurde Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte und Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Ein paar Jahre später erhielt er die höchstmögliche deutsche Auszeichnung in der Wissenschaft.
So, dieser beeindruckende akademische Lebenslauf, so nehme ich mal an, sollte diese Person ausreichend für eine Regierung unter diesem neuen Modell der Expertokratie qualifizieren. Wenn nicht so ein gebildeter Mensch, wer dann? Wird dieser Mensch nicht weitaus besser wissen, was für das Land und das Volk gut ist, als ein Politiker oder gar ein Wähler, vielleicht noch ein Wähler, der am Ende nur einen Hauptschulabschluss hat.
Doktor. Professor. Universitätsrektor. Viele seiner "peers" haben diesem Menschen ebenfalls zugestanden, dass er eine Koryphäe seines Fachs ist. Naturwissenschaftler, Mediziner ist er, also nichts weiches, ideologisches, kein Sozialfuzzi. Ein gestandener Wissenschaftler.
Nun, dieser Mensch steht - Gott sei Dank - der neuen Expertenregierung nicht mehr zur Verfügung, denn es handelt sich bei diesem illustren Lebenslauf um den des Prof. Dr. Eugen Fischer. Hier noch ein paar Stationen aus seinem Leben, die etwas deutlicher machen, als der von mir oben verkürzte Lebenslauf, warum ich mich mit Schrecken von der Idee einer Expertenregierung abwende:
Gemeinsam mit Carl Correns, Richard Goldschmidt und Erwin Baur betrieb Fischer die Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin, dessen erster Direktor er zwischen 1927 und 1942 war und das 1944 nach ihm umbenannt wurde. In dieser Funktion war er ein führender Befürworter der Rassengesetze und damit in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt. Publikationen u.a.:
Eugen Fischer: Der völkische Staat, biologisch gesehen. Berlin 1933. Die überarbeitete Antrittsrede als Universitätsrektor, gehalten am 29. Juli 1933.
1933 sorgte Fischer als Rektor der Berliner Universität für die Entlassung vieler jüdischer Wissenschaftler. Er unterzeichnete am 4./5. März 1933 den Aufruf: «Die Berliner Hochschullehrer für Adolf Hitler». Ebenso unterstützte er als Redner neben Minister Goebbels die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. 1937 setzte er mit anderen Professoren die (auch damals illegale) Zwangssterilisierung vieler sogenannter „Rheinlandbastarde“ durch. Er war Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin, Generalarzt für rassenbiologische Fragen der Reichsstelle für Sippenforschung und Ausbilder für Eignungsprüfer zur Eindeutschung polnischer Kinder. 1941 war er im Beirat der «Forschungsabteilung Judenfrage» in Walter Franks Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland und dort Mitautor des Bandes "Das antike Weltjudentum. Tatsachen, Texte, Bilder" in der Reihe „Forschungen zur Judenfrage“ (1943).
1934 schrieb er in der badischen Zeitschrift Mein Heimatland, die Bekämpfung der Juden habe nicht das Ziel, „wirtschaftliche Gewinner, geistige Konkurrenz loszuwerden“, sondern es gehe um „die Rettung der Rasse, die das Deutschtum geschaffen (hat), und ihre Reinigung von Fremdem, rassenmäßig anderem, das ihre geistige Entwicklung in andere Bahnen zu bringen drohte und teilweise gebracht hat. Viele persönlich hochachtbare, gern sich einfügende wertvolle Menschen werden hart und grausam getroffen. Ist ein Opfer zu groß, wenn es gilt, ein ganzes Volk zu retten?“
Auf der ersten Tagung der deutschen Anthropologen nach Kriegsende in Weinheim 1948 gab er – noch immer wurde er als Kopf des Faches hofiert – die Parole aus: „Über Politik reden wir hier nicht, das haben wir hinter uns“. Die wieder begründete Deutsche Gesellschaft für Anthropologie ernannte ihn 1952 zum Ehrenmitglied. 1952 wurde er Ehrenmitglied der «Gesellschaft für Konstitutionsforschung» in Tübingen unter Ernst Kretschmer.
Anscheinend ist schon vergessen worden, dass nicht nur, aber ganz besonders, die Nationalsozialisten ihre Politik "wissenschaftlich" untermauern und als "alternativlos" darstellen liessen. Nicht nur die geistig eher kleinen Lichter wie Hitler, Himmler und Eichmann haben den holocaust verursacht, sondern ganz stark mitgeholfen haben "Wissenschaftler" wie Eugen Fischer, Dr. Robert Ritter (Mediziner), Dr. Sophie Erhardt (Anthropologin), Dr. Gerhard Stein, Dr. Josef Mengele und hunderte andere Inhaber von Doktortiteln und akademischen Würden. Experten eben.
Ach ja, und juristisch überwacht wurden deren Aktivitäten auch, von hunderten promovierten Juristen im Reich wurden ihre Massnahmen und Lehren abgesegnet, nicht nur durch Dr. Roland Freisler, der in Jena über "Betriebsorganisation" promoviert hatte und dann Präsident des Volksgerichtshofs wurde. Ein "Experte" für Juristisches.
Ich verstehe ja die Motivation hinter diesem Plädoyer für eine "Expertenregierung," aber die historischen Beispiele für solche Expertengremien schrecken mich doch ganz erheblich ab. Da habe ich lieber die ungebildeten Arbeiter, die in einer funktionierenden Demokratie eventuell gegen die Konzepte solcher Experten stimmen.
Wikipedia: Eugen Fischer (Mediziner)Wikipedia: Rassenhygienische Forschungsstelle